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Trauer, Wut und Tröstung

Lukas ist tot. Mein geliebter Flegelhengst. Auch vor Tieren macht der hier allgegenwärtige Pfusch nicht Halt.

Lukas wurde grösser und stärker, ausserdem war er vom Hengstfohlen zum machomässigen Flegelhengst heran gewachsen. Es gab keine Alternative, er musste kastriert werden. Sinda, die vierjährige Stute ist bestimmt trächtig. Bei Anxie, die erst zwei Jahre alt ist, sind wir noch nicht so sicher. Fast dauernd jagte Lukas seine beiden Weiber auf der Weide herum, bestieg sie - und wurde von ihnen geschlagen. Wir entfernten bei Sinda die Eisen, denn sie verletzte Lukas einige Male. Das konnten wir nicht zulassen.

Seit Wochen lag ich unserem Tierarzt in den Ohren, dass er vorbei kommen sollte, um sich die Pferde anzusehen und mir zu sagen, wie das mit der Kastration gehandhabt wird. Wir haben darin ja keine Erfahrung, woher auch. Aber Victor, so heisst der Tierarzt, ist wirklich unzuverlässig. "Ruf doch einen anderen," wird man mir sagen. Tja, das ist in diesem Land gar nicht so einfach. Weder Handwerker, noch Monteure und eben auch Tierärzte nehmen sich gegenseitig die Kunden weg. Victor hätte also schon krank sein müssen, damit seine Stellvertretung anrückt. Und so kam es, dass die Tetanusimpfung der Pferde mehr als ein Jahr zurück lag.

An einer Versammlung über Tourismus in Ortigueira traf ich den Inhaber der Reitschule in Ponte Mera. Er sagte mir, dass man hier für die Kastration eines Pferdes nicht den Tierarzt rufe, sondern einen Kastrator, der nichts Anderes mache. Ich war erstaunt, dass das so einfach gehen sollte. Ich meldete mich also bei der genannten Adresse. Ein Mann kam, um sich Lukas anzusehen. Dann versprach er mir, den Kastrator zu benachrichtigen. Das war am Freitag. Nach gut einer Stunde rief er mich schon an, um den Termin für Samstag zu bestätigen. Das war ja nun mal schnell. Sowas sind wir uns hier gar nicht mehr gewöhnt.

Am Samstag blieben die Pferde hier auf der Hauskoppel. Für sieben Uhr Nachmittags war der Termin festgelegt, um acht Uhr kamen dann drei Mann an. Der Kastrator und zwei Gehilfen, weil die Pferdebesitzer nicht dabei sein sollen, wenn der Kastrat aufwacht. Zu zweit und auch zu dritt brachten sie es nicht zustande, Lukas aus dem Stall zu führen. Ich nahm ihn am Halfter und führte ihn hinaus, um ihn an einem geeigneten Baum festzumachen, damit ihm die Narkose gegeben werden konnte. Ich fragte nach, ob ich saubere Leintücher bringen solle, damit das Pferd nicht einfach auf der Wiese liegt. Nein, das wollten sie nicht, das sei umständlich.

Die Operation dauerte nur ein paar Minuten. Lukas wachte wieder auf und kam auf die Beine. Etwas beduselt stand er herum. Ich wollte dem Kastrator das Pferdebuch geben, damit er die Behandlung eintrage und kontrolliere, ob alles in Ordnung sei. Er nahm das Buch nicht. Es sei nichts einzutragen.
Eigenartig.
Wir haben uns das Wundern hierzulande schon lange abgewöhnt. Ich verlangte wenigstens eine Visitenkarte, die erhielt ich dann nach einigem Zögern. Die beiden Gehilfen sagten mir, ich bräuchte keine Angst zu haben, das sei reine Routine, es passiere praktisch nie etwas.

Und es passierte doch. Nachdem sich Lukas ganz gut erholt hatte, er am darauf folgenden Samstag mit den anderen Zweien vom Foxo zurück kam und mich wieder einmal beissen wollte; nachdem er ausgiebig sein und einen Teil des Futters von Anxie gefressen hatte, stand er da und sah schläfrig aus. Der arme Tropf schien müde zu sein.
Am Sonntag Morgen konnte er das Maul nicht mehr öffnen und war auf einem Auge ganz, auf dem anderen Auge fast blind. Ich rief Victor an, der kam dieses Mal sofort. Schon eine halbe Stunde nach dem Anruf war er da. Er schaute sich das Pferdebuch an und fluchte, weil keine Spritze gegen Tetanus eingetragen war. Kein Serum, kein Antibiotikum, nichts half mehr. Den ganzen Tag stakste Lukas in der Koppel herum, wollte fressen und konnte nicht. In der folgenden Nacht um zwei Uhr ging ich nochmals nach ihm schauen, da lag er auf dem Boden, Sinda und Anxie neben ihm. Am Morgen sollte Victor wieder herkommen, war aber verhindert und schickte uns seine Vertretung, Angel. Nochmals Serum, nochmals Beruhigungsspritzen, nochmals Antibiotikum. Noch zwei Mal kam Angel am Montag vorbei. Am Nachmitag starb Lukas.

Ich deckte ihn mit einer Decke zu und steckte sie unter ihm fest, damit die Fliegen nicht lästig würden. Eine halbe Stunde später war die Decke weg. Sinda stand da und versuchte, Lukas zu wecken. Ich deckte ihn wieder zu.
Der Abtransport musste organisiert werden. Innerhalb von 24 Stunden wird so ein totes Tier abgeholt. Ich benachrichtige den Kastrator, dass er bitte seine Versicherung informieren soll. Er sagte nur, da gebe es keine Versicherung.

So langsam aber sicher wurde es mir nun doch zu bunt. Ich fing an, mich zu erkundigen. Erst mal via Internet. Ich fand leicht seine Adresse heraus. Dann habe ich festgestellt, dass er gar kein praktizierender Tierarzt ist, er ist Beamter, ein Schreibtischtierarzt. Meine Trauer verwandelte sich ganz schnell in Wut. Nun leben wir schon so viele Jahre hier, und immer wieder fallen wir auf solche Sachen herein. Wir sind dabei nicht alleine, das passiert praktisch Jedem hier. Das sei ein Teil des Lebens, hat man mir gesagt.

Am Dienstag Vormittag sah ich, dass der tote Lukas schon wieder abgedeckt war. Ich deckte ihn wieder zu.
Ich weiss, dass Pferde nicht knurren können. Aber ich sage euch, Sinda hat mich angeknurrt. Sie hat Lukas sofort wieder abgedeckt, die Ohren flach gelegt und geknurrt. Auch jetzt, zwei Wochen später, ist sie immer noch böse auf uns. Zwar hat sie sich etwas beruhigt, sobald Lukas abgeholt war. Aber böse ist sie immer noch.

Mein Mann erzählte bei Sánchez seinen Sánchez-Kollegen, was uns passiert ist. Er wurde getröstet, man hat ihm geraten, den Pfuscher anzuzeigen, und was Männer halt so sagen. Fernando aber, der sagte, dass, wie es der Zufall so will, er gerade jetzt von Cedeira her komme, wo ein Mann ihm den Auftrag gegeben hat, ein Fohlen zu verkaufen. Ein wunderhübsches Stutfohlen, etwas mehr als zehn Monate alt, ganz zahm.
Das war ein Wink des Schicksals. Noch am gleichen Tag gingen wir, um uns das Fohlen anzusehen - und wir verliebten uns sofort in das wunderhübsche Pferdchen. Allerliebst, Honig farben, weisse Mähne und weisser Schwanz. Kein bisschen scheu. Sofort konnten wir es anfassen und streicheln. Ja, das wollten wir.
Nur, der Name, also an den würden wir uns gewöhnen müssen: Furia.

FuriaNun ist Furia schon fast eine Woche bei uns. Sinda und Anxie waren erst überhaupt nicht erfreut. Heute geht es schon ein wenig besser. Vor allem Anxie ist verträglicher geworden. Sinda legt immer noch die Ohren flach und verjagt Furia, wenn sie ihr zu nahe kommt. Immerhin lassen sie sie fressen, das ist ja schon mal etwas. Und heute Morgen konnte ich sogar schon alleine mit den Dreien ins Foxo gehen.
Wir haben Lukas nicht vergessen. Er war stolz und ungebärdig. Bei uns war er lieb und zahm. Er genoss es, wenn man ihn striegelte. Da stand er ganz still. Wäre er eine Katze gewesen, er hätte bestimmt geschnurrt. Ging man dann mit dem Striegel zu den Anderen, stellte er sich dazwischen, damit er sofort nochmals an die Reihe kam.

Aber jetzt ist eben Furia da. Es nützt nichts, wenn man herumjammert. Den Pfuscher werde ich mir vorknöpfen. Anzeigen werde ich ihn nur im äussersten Notfall, aber ich bin auch dazu bereit, und die Drohung werde ich im Raum stehen lassen. Angel wäre, glaube ich, froh, wenn solche Leute aus dem Verkehr gezogen würden. Ich frage mich nur, warum die Tierärzte nicht selber etwas unternehmen. Wir wussten ja nicht, dass diese Kastration schwarz ausgeführt wurde. Es scheint, dass das hier ganz normal ist. Denn, es müsse ja jeder leben können.

Ja gut, aber nicht auf meine Kosten. Und auch nicht auf Kosten von Lukas.

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