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Eltern
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Ciao Willi am 27.06.98 (so, ich hoffe, das war kontrovers genug, aber auf jeden Fall von einem Mann :-))
eine Antwort:
Montag, 6. Juli 1998 17:50
Hallo!
Schoen und gut, Rollenklischees hin und Rollenklischees her, jedenfalls sollte mann/frau sich langsam von althergebrachten Erziehungsmethoden lossagen, dass heisst, bei sich selbst beginnen. Es ist relativ bequem, sich auf die Erziehung auszureden, mann/frau sollte eher beachten, selbst einmal reifer zu werden (mann/frau bleibt nicht ewig ein Kind).
Vorteilhafter waere es wohl, die Faehigkeit zur Selbstkritik zu erlernen und sich dadurch neue Perspektiven zu eroeffnen!
Gruß
Claudia aus Wien
Hi Claudia,
hurra, ich dachte schon, mein provokatives Statement würde gänzlich unbeachtet verpuffen.
Also, Du hast natürlich recht, daß der Mensch ab einem gewissen Lebensalter (spätestens nach der Abrechnung mit den Erziehungsfehlern der eigenen Eltern, ergo durch die Pubertät + x Jahre) fähig sein sollte, falsches zu erkennen und zu beheben.
Aber ganz so pauschal, wie Du mir Contra gibst, war mein Beitrag nun auch wieder nicht gemeint. Es ging- Du erinnerst dich - um die Fähigkeit (besser gesagt, um den Mangel daran) "der Männer" , die eigenen Gefühle der Partnerin ggü. zu offenbaren, in dem (Irr)glauben, dann als Weichei dazustehen.
Bestimmt ist das 'ne Schwäche - aber ich glaube, mit einem "nu hab' Dich nicht so" ist dieser Fehler nicht zu korrigieren. Viele Frauen sind nämlich ziemlich irritiert, wenn ihre Partner das mit dem Gefühle zeigen mal ausprobieren - und das ist auch ein Teil des Problems (und nicht der kleinste!). Das Rollenverhalten "ich Tarzan, Du Jane" läuft ja nun nicht ohne die Jane.....
Mit meiner Süßen bin ich mittlerweile ein ganzes Stück weiter, was die gegenseitige Offenheit angeht, aber es fiel nicht nur mir schwer, das zu lernen.
Ciao Willi
Dienstag, 7. Juli 1998 11:06
Hallo Wilhelm!
So provokativ finde ich dein Statement gar nicht. Natürlich ist es ein langer, gesellschaftlich langer und persönlich langer Prozeß. Erziehungsnarben werden mehr oder weniger bleiben. Ich denke auch, der Mensch ist durch gewisse Einflüsse auch vorgeprägt, seis auch genetisch.
Das macht vielleicht ein Drittel aus, jedoch verbleiben noch zwei Drittel, welche nur durch Erfahrung geprägt werden. Da ich sehr patriarchal erzogen wurde, hatte ich nur zwei Möglichkeiten:
Entweder Anpassung bis zur Selbstaufgabe (d.h. aufs Studium verzichten, Hausfrau spielen, in die Kirche gehen) oder Auflehnung und Rebellion (was mir den Bruch mit der Familie einbrachte). Ich gehe da sehr von mir aus, das stimmt. Ich habe das Glück, einen Partner zu haben, der anfänglich auch unter dem Klischeedruck "Mannsein" zu leiden hatte. Er kann auch mit Frauen oft viel besser diskutieren, da auch er ein sehr gefühlsbetonter Mensch ist. Er findet Männer, die auf "starken Mann" machen, lächerlich.
Was sie auch sind. Ich meine, die Leute sollten so sein, wie sie sind, ich weiß, das klingt so einfach, was es auch wäre, würde alles nicht immer so verkompliziert. Dazu gehören auch Dinge wie Selbstkritik, bei der mann/frau auch lernen sollte, sich selber durch die unverfälschte, objektive Brille zu sehen. Und vor allen zu seinen Gefühlen zu stehen.
Ein Mann, der weint, ist, für mich jedenfalls, keine Tunte, kein Weh (Wiener Ausdruck) und auch kein Versager, sondern einer, der Stärke zeigt. Die Frauen, die das nicht kneissen, werden auch nie die "richtigen Männer", wie sie ständig jammern, kriegen. Die Bezeichnung "richtig" oder "falsch" ist für mich furchtbar und es lassen sich damit mathematische Aussagen definieren. Aber keine Menschen!
Antwortest du mir?
Gruß aus Wien!
Mittwoch, 8. Juli 1998 14:37
Hallo Claudia,
Je nun, wenn der Mensch tatsächlich nicht in der Lage wäre, das erste - und in der Geschlechterbeziehung oft katastrophale - Erziehungsdrittel seiner selbst zu überkommen, wäre die Welt ziemnlich beschissen.
Ansonsten hab' ich gar nicht mehr viel zu antworten, wir haben eh' die gleiche Ansicht zum Thema. Bemerkenswert ist nur, daß wir beide recht hart kämpfen mußten, um aus unseren vorherbestimmten Rollen auszubrechen (und für meinen Teil ist der Kampf noch nicht vorbei). Du gegen Deine Eltern, ich gegen allgemeine Konventionen. Dabei halte ich den Kampf gegen die eigenen Eltern für wesentlich anstrengender (es zieht Dir erstmal ziemlich den Boden unter den Füßen weg). So, bis bald
Ciao Willi
Hallo Willi!
Danke schön für dein Mail. Was ich noch fragen wollte, ist Folgendes: meinst du mit allgemeine Konventionen die gesellschaftlichen Konventionen? Dagegen muß auch ich kämpfen, mein Mann muß dagegen kämpfen und das nicht nur in der Geschlechterfrage. Hinter sehr vielen Repressalien gegen Frauen und auch Randgruppen in der Gesellschaft stecken Angst und Unsicherheit. Das sind die Attribute, die den "ganz normalen Wahnsinn" bestimmen. Meine eigene Familie hat regelrecht Angst vor mir, obwohl ich ihnen niemals etwas zuleide getan hatte außer der Wahrheitsäußerung. Sie verstrickte sich lieber in einem Gemisch aus Feigheit, Lügen und Intrigantentum. Hinzu gehörte auch der Kirchenwahn. Wasser predigen und Wein trinken. Der Frauenhaß, welcher noch zur Genüge verbreitet ist, basiert auf jede Menge Mythen und Gschichteln. Ein Mann, welcher emanzipiert und selbstbewußt durchs Leben geht, dazu gehört es auch, zu seinen Gefühlen zu stehen, hat es nicht nötig, zu diskriminieren, kein Wesen! Das machen nur diejenigen, die mann/frau nur allzuoft als "richtige Männer" bezeichnen (als ob mann/frau Menschen in "richtig" oder "falsch" einteilen kann!!!!) Wenn ich dann an das Gejammere von Frauen denke, die sich einen echten Mann wünschen und dann enttäuscht werden, indem sie verprügelt und psychisch mißhandelt wurden, weil ihren "echten Männern" die Argumente ausgegangen waren. Da habe ich lieber einen "nicht richtigen" Mann, mit dem ich diskutieren kann bis über Stunden hinaus und der mich intelektuell fordert. Das ist in meinen Augen ein lieber Mensch!
ciao Claudia!
Hi Claudia,
Was Du inhaltlich ansprichst, ist schlichtweg die Angst vor Veränderung. Viele - eigentlich jede(r) - hat Angst vor dem unbekannten. Und zumal, wenn es an die Grundfesten des eigenen Selbstverständnisses geht. Überwunden wird diese Angst erst, wenn der persönliche Leidensdruck so anschwillt, daß jegliche Veränderung dem Festhalten an dem Bekannten vorzuziehen ist (warum sonst bleiben so verdammt viele - auch grundgescheite - Frauen oft jahrelang, machmal sogar bis zum Tode bei ihren schlagenden Männern? Warum schauen Mütter weg, wenn ihre Männer sich am Nachwuchs sexuell vergreifen? Die Liste läßt sich endlos fortsetzen) Du selbst bist Deinen Leutchen vielleicht deshalb unheimlich, weil Du das Unerhörte gewagt - und Dich damit als unzweifelhaft übermächtig erwiesen hast. Glaub' doch nicht, daß Deine Mutter (und wahrscheinlich auch Dein Vater und die Geschwister) nicht genauso gegen die Bigotterie aufbegehren wollten - es jedoch nicht fertiggebracht haben. Du schon. Und das macht Dich nicht nur bedrohlich, sondern sogar verabscheungswürdig, zeigst Du den Deinen doch glasklar ihr eigenes Versagen auf. Und das in einer Gesellschaft, in der die Autorität der Altvorderen noch bis heute durchaus gepflegt wird (vor allem von genau diesen Altvorderen).
Lange Rede, kurzer Sinn, kein Grund zur Beunruhigung für Dich deswegen, denn Neid ist noch immer die ehrlichste Art, seine Hochachtung auszudrücken.
Ciao Willi