
Die Hausfrau und der Terror

Nein, ich möchte dazu nichts sagen.
Ich möchte nur nicht irgendwann, als wäre nichts geschehen, das nächste "Neue von ..." schreiben.
Was in New York geschehen ist, bedarf ganz sicher nicht meiner Worte - allerdings bedarf es auch nicht derart vieler (wiederholten) Bilder. Wenn ich das noch einmal
sehen möchte, brauche ich keinen Fernseher - es gibt Dinge, die man nicht vergißt, wenn man sie ein einziges Mal gesehen hat.
Als ich hörte, was passiert ist, habe ich laut und öffentlich geweint - das war gar nicht zu verhindern, aber ich fiel nicht auf, weil es mir weinend erzählt wurde. Der unbändige Wunsch,
irgendwas zu tun erwachte in mir und fast hätte ich Freunde angerufen, die ganz oben in einem Hochhaus wohnen. Fast hätte ich sie angerufen und gefragt, ob sie eine Weile bei uns wohnen möchten.
Ja, etwas albern - seid froh, daß ich hier nicht bestürzt und hilflos herumgeschrieben habe ...
Statt Hysterie galt es dann kindgerecht über Terror zu sprechen. Ich weiß nicht, wie Ihr das gehalten habt - ich bin gnadenlos bei der Wahrheit geblieben, habe sie aber ruhig ausgesprochen. Ich habe ausschliesslich Michaelas Fragen beantwortet und sie mit meinen eigenen Ängsten verschont. Es hat mir geholfen, für sie stark sein zu müssen. Es hat mir geholfen, den Fernseher nicht mehr anzuschalten, in dem dauernd Flugzeuge in Türme krachten. Stattdessen haben wir das Was ist Was Buch über Weltreligionen gekauft.
Peinlich aber wahr - ich wußte nichts über den Islam.
Schwieriger war es dann schon, einen Kinderatlas zu finden, in dem Afghanistan irgendwie erwähnt wird.
(Was ist Was - der große illustrierte Weltatlas)
Wußtest Du, daß in Afghanistan jedes 4. Kind vor seinem 5. Geburtstag stirbt?
keine Bange, das steht nicht im Kinderatlas ...
Doch, jedes 4. Kind stirbt dort vor seinem 5 Geburtstag und die Lebenserwartung der Frauen liegt unter 40 Jahren.
Und es ist uns schlicht und ergreifend egal.
Kein Wunder - kennst Du irgendeinen Afghanen, der nicht bellt?
Ja, das war geschmacklos - noch ein Grund, froh zu sein, daß ich mich zu diesem Thema nicht weiter äussern werde.
Es ist so, daß man uns hier doch eigentlich nur zu erzählen braucht, was in Amerika passiert ist, um unser Bestürzen, Entsetzen und einen Gutteil blinden Aktionismus zu wecken.
Wir heulen ja sogar schon los, wenn Meg Ryan hollywoodgerecht schluchzt oder ihre Ehe scheitert.
Was uns gezeigt werden sollte ist das, was uns fremd ist und deshalb einfach nicht so berührt, wie es das sollte.
In Jerusalem ist vorgestern ein 14 jähriger Palästinenser erschossen worden, der uns gleichgültig ist. Es sind noch einige mehr erschossen worden, aber die waren sicher über 18 und was kümmert es dann noch? So lange ich mich erinnern kann, wurden Palästinenser erschossen.
Ein 14 jähriger Amerikaner wäre tragisch - da sehen wir ein Gesicht, da können wir uns Hobbies vorstellen und Cornflakes zum Frühstück.
Was fällt uns zu Palästinensern ein, ausser daß sie große, dunkle Augen haben und dauernd mit Steinen um sich werfen?
Ein Mitleiden mit den Amerikanern fällt nicht schwer, muß uns nicht so eingehämmert werden.
Nein, schade ist, daß die Sender seit Jahren die Chance verpassen, uns das um die Ohren und Augen zu schlagen, was in den Ländern geschieht und durchlitten wird, die uns nicht interessieren. Wer nannte sie so nett
Schurkenstaaten?
Evtl. würde dann in uns, ähnlich wie bei den Bildern aus Amerika, der Wunsch entstehen,
irgendwas zu tun.
So, das war politisierende Hausfrau zum ersten und letzten Mal - und keine Bange - die Chance, daß ich Einfluß auf die Programmgestaltung irgendwo bekäme, ist mehr als gering. Und so bekommen wir auch künftig Fun und Talk, statt Elend und "tu was!"