Die dritte Dimension
Schriftsteller von Zukunftsromanen lassen ihre Geschichten und Welten gerne in einer Dimension neben der
unseren entstehen. Captain Picard wird zB des öfteren mit dem Paralell-Universen konfrontiert.
Und Terry Pratchett erschuf die Scheibenwelt, in der einige Bewohner so verbohrt sind, anzunehmen,
ihre Welt sei eine Kugel. In Wirklichkeit ist sie aber eine Scheibe, die auf 4 Elefanten ruht, die
ihrerseits auf einer Schildkröte stehen, welche durch das Weltall rudert.
Zwischenwelten, Paralell-Universeen, dritte Dimensionen - ich weiß, wie die Schriftsteller auf
solche Ideen kommen. Auch auf der Erde (
mostly harmless)
gibt es derartige Paralell-Welten. Ich weiß das, ich lebe in der einen und habe engen Kontakt zu
Menschen aus der anderen Welt.
Oh nein, wer jetzt in der Ferne einen Gong hört und den Duft von Räucherkerzen zu riechen vermeint,
irrt. Ich kann mit Esoterik, Horoskopen, Feng Shui, Handauflegen, Akupunktur, Astrologie etc, etwas soviel
anfangen, wie mit Schwimmflossen in Grösse 46 ...
(bevor mir jemand welche schickt, ich meinte: nichts)
Ich weiß, daß es Schwimmflossen in der Grösse gibt und möchte ihren Nutzen für andere
Menschen weder ins Lächerliche ziehen, noch überhaupt bezweifeln. Da meine Schwester ab übermorgen
online ist, habe ich Bachblüten nicht erwähnt (
aber, unter uns - sie gehören eigentlich dazu ...).
Nein, die Zwischenwelt, die ich meine, kann eigentlich jeder sehen, wenn er mag:
Kinder!
Mehrere Kinder zusammen ergeben eine Welt für sich. Sobald sie darin versinken, werden wir nicht
mehr wahrgenommen, geschweige denn ernst.
Wenn ich meine Tochter von der Schule abhole und mir so eine geschlossene Front aus 4 - 8 Kindern
entgegenkommt, weiß ich genau, daß ich gleich einen blauen Fleck haben werde,
weil diese biestigen Scout-Schultaschen (und auch ihre Nachbauten) ziemlich harte Kanten haben
und keines der Kinder auch nur einen Schritt beiseite gehen wird, um mich durchzulassen.
Nicht, daß ich jetzt mit diesem
Kinder von heute!-Gesabbel kommen will. Kinder von heute
sind nicht wirklich unhöflicher, als wir es waren - sie nehmen uns schlicht nicht wahr.
Ich könnte vermutlich splitterfasernackt auf den Schulhof kommen (wegen der Scout-Ecken nicht zu
empfehlen) - sie würden es evtl. mitbekommen, aber weder kommentieren, noch sonstwie reagieren.
Ich bin Michaelas Mutter, was ich mache, wird schon seinen Sinn haben - zumindest ist es uninteressant.
Wenn Michaela gelangweilt durch das Haus schleicht und sagt
draussen ist keiner
können durchaus sämtliche Nachbarn vor ihren Häusern stehen oder in ihren Gärten
wühlen - was sie meint, ist: niemand meines Alters.
Womit wir bei der nächsten faszinierenden Tatsache sind - die Alterslosigkeit der Eltern.
Fragt mal Eure (oder ausgeliehene) Kinder, wie alt Ihr, Nachbarn oder sonstwer ist. Die Antwort liegt
immer zwischen sehr alt und vierzig. Über vierzig ist schon fast tot und wird statt mit
die Tante
mit
die Oma beschrieben.
Wenn Kinder gleichaltrig sind, gehen sie davon aus, daß ihre Eltern dies auch sind - oder es ist ihnen
egal. Und alles, was pubertiert, denkt, daß Sex das ist, was sie irgendwann haben werden, aber nichts
was ihre Eltern (noch) praktizieren.
Das Schlimmste, was meine Mutter mir je angetan hat, war mir ein Rezept für ihre Pille mitzugeben,
als ich noch vollkommen ungeküsst durch das Leben spazierte. Ich wußte nicht, wofür das
Rezept ist und wäre im Leben nicht darauf gekommen, wenn mich die Apothekerin nicht vor dem
halben Dorf, welches an dem Tag in der Apotheke versammelt war, gefragt hätte, ob ich die Pille
für 3 oder 6 Monate mitnehmen möchte.
Noch heute weiß ich, wer in der Apotheke war und kann mich kaum bezähmen, nicht noch heute
klarzustellen, daß ich sie noch gar nicht für mich gebraucht habe. Viel schlimmer war aber
die Erkenntniss, daß meine Mutter sie also noch brauchte. Ich meine, sie war alt - über 40!
Was für ein erschreckender Gedanke ... es erleichterte mich Jahre später auf einer Party ungemein,
als ein Bekannter erzählte, wie nachhaltig es ihn traumatisierte, als er überraschend nach hause
kam und seine eigenen Eltern
erwischte.
Kinder wissen soviel über Erwachsene, wie wir über kleine grüne Männchen, wobei Kinder
kleine grüne Männchen interessanter finden, als Erwachsene. Unser Nachbarsjunge zB, der nicht
mehr mit Michaela spielt, seit er begriffen hat, daß sie ein Mädchen ist und Mädchen doof sind
(wir sehen uns in 5 - 10 Jahren wieder ...) kam einmal auf mich zu und winkte fröhlich. Ich winkte
fröhlich zurück, als er mich mit Hallo Robin! begrüsste.
Eher gesagt, durch mich hindurch blickte und einen Meilen entfernten Robin begrüsste. Es wäre durchaus
noch hinreichend Zeit für einen klitzekleinen Gruß für mich gewesen. Ich, die brave
Zurückwerferin seiner Bälle - auch dann, wenn sie die erste und einzige Pfingstrose geköpft
haben, die großzügige Eis-Abgeberin etc. ...
Aber ich habe eine perfide kleine Art der Rache gefunden:
Wann immer ich ihn sehe, grüsse ich nun laut und namentlich:
Hallo!
Nicht, daß er zurückgrüßt, aber zumindest bekomme ich nun sehr finstere Blicke
oder tiefstes Erröten zur Antwort, wenn er mit all seinen Kumpels durch die Siedlung streift.
Ich sehe es schon vor mir, wie er in einigen Jahren traumatisiert auf einer Couch liegt und sie hat mich gegrüsst -
nein, weiter nichts - immer nur gegrüsst, es war schrecklich ... erzählt und seinen
Therapeuten vor echte Rätsel stellt.
Liegt man beim Therapeuten eigentlich wirklich, oder ist das Hollywood?
(so wie die umkippenden Väter bei der Geburt, oder die hochanständigen Penner, die sprechenden
Hunde und höflichen Kinder?)
