
Die Hausfrau in der Schule ...

Es gibt Dinge, die mich so freuen, wie Backenzahnschmerzen - Zettel aus dem Kindergarten oder der Schule
zB, daß ein lustiges Eltern-Kind-Happening bevorsteht. Ich neige dazu, dies zu verdrängen, bis
der Tag gekommen ist.
Sobald man ein, zwei eigene Kinder hat, geht alle Welt davon aus, daß man alle Kinder mag. Nein, ich mag
nicht alle Kinder. Kinder sind laut, machen Dreck, zappeln herum, benutzen ziemlich üble Schimpfwörter
(ziemlich laut), drängeln, sind unverschämt ...
Mich mit mehr als zwei Kindern in einen Raum zu sperren, empfinde ich als eher ermüdend und ich sehne
die Schlafenszeit - meine, oder die der Kinder, herbei. Wobei ich aber gerne Kinder zu Besuch habe, weil sie
dazu neigen, sich mit meinen Kindern zu vermengen und in den Garten oder ihre Zimmer zu verkrümeln, wenn
ich nur pedantisch genug Nägelkauverbote und Geradesitzgebote ausgesprochen habe.
Ich kann Kinder so niederstarren, daß ihnen alles aus den Fingern fällt. Danach stauche ich sie
dann für ihre Schussligkeit zusammen und schon verkrümeln sie sich eilig aus meinem Blickfeld.
Und dann genießen wir alle unsere Ruhe voreinander.
Anders ist das natürlich, wenn wir zu irgendwas in Kindergarten und Schule eingeladen werden. Ich bin
zwar davon überzeugt, daß meine Blicke auch dort dazu führen würden, daß die
Kinderlein den Raum wechseln, aber ich weiß nicht recht, ob die anderen Eltern dies zu würdigen
wüßten.
Ich mag auch Aufführungen - ehrlich, selbst von Zetteln abgelesene Witze, deren Pointe mit schleppender
Lesestimme gemordet werden, sind Klasse, verglichen mit
gemeinsamer Kaffee.
Dies beinhaltet nämlich dreierlei: 1. Schaubacken, 2. Schaueltern und 3. Kinder im Kampf um Nahrung.
Ich vergaß 4. - essende Kinder.
Schaubacken
Eltern, die ihre Kinder lieben, bereiten möglichst aufwendige Kuchen oder Salate zu. Wobei die Ergebnisse
entweder optisch absolute Meisterwerke sind oder wahnsinnig gesund. Es gibt also Kuchen, der mit viel Mühe
zu einer kleinen Eisenbahn mit lustigen Marzipan-Passagieren dekoriert wurden, und/oder Rohkostplatten
aus biologisch angebauten, fair gehandelten und mit nickelfreiem Messer geschnittenem Gemüse auf
der einen Seite und tütenweise Chio-Chips von den
Rabeneltern (meist alleinerziehende Mütter,
die zudem zu spät zur Vorführung kommen) auf der anderen.
Wobei die aufwendigen Meisterwerke auf der
Grundschule beruhigender Weise schon seltener werden und ich gestern mit meinem
Schoko-Kirsch-Kuchen im vorderen Mittelfeld
lag.
Schaueltern
Gute Eltern sind von der Vorführung absolut begeistert und kichern nie gehässig, wenn etwas
schiefläuft.
Ausserdem krümmen sie sich vor Lachen, wenn Kinder Witze vom Zettel ablesen.
Ok, da kann ich mithalten,
weil es immer wieder lustig ist, wie sie jeder individuelle Wege finden, eine Pointe zu ruinieren ...
Sollte ich selbstvergessen doch einmal kichern, wenn einem Jongleur einer der beiden Bälle herunterfällt,
stehe ich unter Garantie direkt neben seinem Vater, der mich künftig nicht wieder grüßt.
Nach der Vorstellung strotzen wir alle vor Güte, Mutterliebe und Geduld, wirken wir möglichst
bilderbuchmässig auf unsere Kinder ein und zeigen uns von den besten Elternseiten, die wir haben (wollen).
Statt "mach das jetzt, verdammt!", sagen wir "es wäre lieb, wenn ..."
Unsere
Brut hat
unsere Zwangslage aber längst durchschaut und führt uns mit Genuß vor.
Es trennt sich schnell die Spreu vom Weizen - in Diplomatie eher ungeübte Papis laufen schnell rot
an und sprechen lautstarke
Machtworte, worauf wir noch nicht vorgeführten Schaueltern vielsagende
Blicke austauschen.
Kinder am Buffet
Kleine nach Essen grabschende Finger, Füße, die gezielt gegen andere Zehen und Schienbeine
stoßen, eingesetzte Ellebogen - um nur ja etwas von den Chips abzubekommen und nicht etwa etwas
von der Rohkostplatte nehmen zu müssen. Fassungslose Mütter in derben Wollpullis und Birkenstocks,
deren Nachwuchs mit Gebrüll Cola verlangt, angewiderte Blicke von Mamis in Designer-Fummeln, die in
einen
Rülps-Wettbewerb geraten sind. Dazwischen ungerührte Väter, die sich selbst
gerade Buletten, Kartoffelsalat und Brot auf den Teller schaufeln und sich in der Gewißheit suhlen,
daß ihre reine Anwesenheit ähnlich wie damals im Kreißsaal schon Leistung genug ist.
essende Kinder
Muß ich irgendwas schreiben? Neben mir sitzt ein Knabe, der eine Bulette erbeutet und sie in Senf ertränkt
hat. Mein Kirschkuchen schmeckt ihm auch mit Senf (und Popcorn) und Chips - einfach Johannisbeernektar aus
dem Tetra-Pak nachgiessen und aus der Ferne einen Beitrag am
Rülps-Wettbewerb leisten.
Es gibt auch Kaffee!, sagt eine Mami zu mir. Ich weiß - er steht auf dem Buffet aber selbst meine
Kaffeegier reicht nicht aus, um mich dazu zu bringen, mich unter diese wogende, gierige Menge zu
mischen. Nein, ich sitze sicher und unbequem auf einem kleinen Kinderstuhl, von dem ich nicht recht weiß,
ob er einen zweiten Angriff durch meinen Hintern heil übersteht. Beim Hinsetzen hatte ich schon einkalkuliert,
ein Zusammenbrechen des Stuhls dadurch zu überspielen, daß ich einfach eine Weile in Hockstellung
bliebe und die Stuhltrümmer unauffällig unter den Tisch schöbe.
Ich bibbere leise, wer sich nun zu mir setzen wird. Alle Möglichkeiten scheinen schauderhaft.
- glücklich verheiratete Mütter, die Kinder ja so lieben und nachdem sie dies erzählt
haben gerne zum Thema alleinerziehende Mütter und von wievielen Vätern sie Kinder haben
schwenken, sobald sie den Ehering an mir entdeckt haben.
- alleinerziehende Mütter, die jeder verheirateten Frau unterstellen, insgeheim in ihrer Ehe zu
ersticken oder strunzdämlich zu sein.
- besonders gute Mütter, die einem stundenlang faszinierende Details über ihre hochsensiblen
Kinder (siegreiche Teilnehmer in einem der Rülps-Wettbewerbe) erzählen, oder aber eine
Frühgeburt hatten und deren Kinder dadurch noch sensibler sind.
- Mamis mit Taille, die angesichts meiner Appetitlosigkeit sofort mutmaßen, ich wäre
verständlicher Weise auf dem Weg, mein Figurproblem zu lösen. Wobei ich übrigens
lieber rundlich bin, als wie Lady Di mit säuerlichen Mundgeruch aus der Toilette wiederzukommen ...
- niemand
Aber, nichts davon geschieht - einige zweckbefreundete Mütter, von denen eine mir sogar noch einen
Kaffee mitbringt, landen neben mir und Michaela führt sich auf wie ein amerikanisches Filmkind. Sie
ist nett zu ihrem kleinen Bruder, versorgt ihn mit Popcorn, Chips und Melone und geht sogar mit ihm
auf die Toilette, während ich mit einer Mutter ins Gespräch komme, die den gleichen BMI wie ich
(und Buttercremetorte) hat und mich grenzenlos dafür bewundert, daß ich werktäglich schwimmen
gehe.
Eigentlich, eigentlich sind solche Veranstaltungen vielleicht doch ganz nett. - insbesondere, wenn nicht ich
unangenehm auffalle, weil ich die Reihenfolge der Handbewegungen beim fröhlichen Alle Leut' gehn
jetzt nach haus noch immer nicht drauf habe, sondern die Mami neben mir mit einem arglosen
wer ist Thomas? auffällt.
vielsagende Blicke: der Klassenlehrer deiner Tochter!
tiefes Erröten und gestammeltes ach, der Thomas - ich weiß natürlich, wie der
Lehrer meiner Tochter heißt. Ich meine ... ich dachte ... und überhaupt ...
übrigens heißt es richtig:
alle Leut', alle Leut'
gehn jetzt nach haus
gehn in ihr Kämmerlein
lassen fünf grade sein
und nicht:
ziehn sich dort nackig aus ...
Wer sich zweideutige Quatschversionen unschuldiger Kinderlieder ausdenkt, kann in peinliche Situationen geraten, wenn er gedankenverloren und laut mitsingt ...