
wir haben doch nur gespielt ...

Im Gehege der Zebramangusten im Kölner Zoo steht ein Holz-Nilpferd.
Dieses Teil stand früher auf dem Spielplatz - genau wie eine Lokomotive, die mittlerweile in Nürnberg
in einem Eisenbahnmuseum zu finden ist. Ford hat einen eher lausigen, da unechten Ersatz spendiert.
Gut gemeint, die Kinder spielen auch damit, aber sie wissen ja auch nicht, daß dort einmal eine
echte Lok stand. Ich weiß das schon. Ich weiß auch, weshalb sie dort nicht mehr steht, denn
ich bin eine von vielen, die sich daran die Knie aufschlug.
Heute standen wir vor den Zebramangusten und erst moserte ich noch halblaut herum, daß es ja wohl
das hintervorletzte ist, daß der Zoo mittlerweile 19,- DM für Erwachsene und 9,50 DM für
Kinder kostet. Hätten sie wenigstens die Erwachsenen noch teurer gemacht und dafür die Kinder
bei DM 5,- gelassen - wie soll sich das denn jetzt eine kinderreiche Familie noch leisten können?
Noch mehr Erdmännchen, jauchzte Oliver, was aber nur Michaela und ich verstanden, da sein
Wortschatz zwar reich, aber eher kryptisch ist.
Nein, die haben einen ganz anderen Kopf!, meinte Michaela
und ich sagte nur
Zebramangusten. Sollten sie irgendwann auch in dieses Gehege Erdmännchen
setzen, würde ich es nicht merken, denn ich kann die Viecher nicht unterscheiden, sondern weiß nur
von den letzten 10.000 Besuchen, daß es Zebramangusten sind.
Sollte jemand in Zukunft über eine Suchmaschine Zebramangusten suchen, wird er höchstwahrscheinlich
auf dieser Seite landen und den Nutzen von Suchmaschinen in Frage stellen ...
Nun, ich starrte wie immer das Nilpferd an und mußte an Eis denken. Dass ich es noch nie geschafft
habe, ein Eis am Stiel so schnell zu essen, daß es mir nicht über die Finger läuft und auf
die Sachen tropft. Es gibt Fotos von mir auf diesem Nilpferd - in einem kurzen geblümten Sommerkleidchen
(das war vor dem Eis ...) und jetzt gehe ich mit meinen eigenen Kindern in den Zoo (und fluche über die
Preise und daß eine Stunde vor Schluß Sonntags tatsächlich noch der volle Preis kassiert wird).
Letzte Woche war es noch billiger. Ich liebe die Humboldt-Pinguine, die letzte Woche noch eifrig an ihren
Nestern bauten. Oliver und ich haben letzte Woche 2 Stunden lang nur bei den Humboldt-Pinguinen zugeschaut,
wie sie die Schnäbel voller Heu zu ihren Höhlen watschelten, es dort abluden, zurechtzupften und
noch mehr Heu holten. Ein frecher Pinguin wartete immer direkt neben einer Höhle, bis dessen Baumeister
wieder zum Heuberg watschelte, klaute sich das gerade abgeladene Heu und brachte es zu seiner Höhle
nebenan. Sehr offensichtlich und Oliver wartete kichernd und gespannt, ob der Beklaute es merken und sich
wehren würde.
Er merkte es nicht, obwohl es sehr sehr offensichtlich war. Pinguine haben eine gute Einstellung, würde
ich mal vermuten. Dieser fleissige Pinguin hatte eine Höhle, in der ein Weibchen saß und
mit ihm schnäbelte, wann immer er den Schnabel wieder leer hatte. Was sollte es ihn also kümmern,
daß der Nachbar ihn beklaute?
Ich mußte an den
Tagesausflug von Melbourne aus denken, als wir zu einem Strand gefahren waren, an dem
allabendlich die Pinguine (keine Humboldt) an Land kamen und zu ihren Nestern watschelten. Man hatte eine
Lösung gefunden, mit der die Pinguine und Touristen sehr gut leben konnten. Die Touristen haben
lange vor dem Erscheinen der Pinguine auf einer großen Holztribüne Platz zu nehmen, fotografieren ist
verboten, herumlaufen auch - und dann heißt es warten, bis die Pinguine kommen.
Damit
das Event selbst dann nicht zu kurz ist, kommen die Pinguine zwar flott aus dem Wasser,
stürmen aber mindestens 10 Mal wieder zurück in die Fluten - aus welchem Grund auch immer.
Die vordersten sind schon fast bei ihren Nestern angekommen, bekommen aber die Flucht der hinteren mit und
watscheln brav wieder ins Meer.
Nun, diese Pinguin-Parade liegt für mich mittlerweile 11 Jahre zurück. 12? Als in Deutschland
die Mauer fiel, war ich in den australischen Outbacks und bekam nichts mit ... Hubi kam an das Lagerfeuer
zurück.
Was Neues in Deutschland?, fragte ich, obwohl er Bayer war (ist).
Hm, die Mauer ist
weg.
Und was sagt uns das? Ein Holz-Nilpferd bei den Zebramangusten und die Humboldt-Pinguine? Dass Michaela
keine Vorderzähne mehr hat und Oliver beim Husten die Hand vor den Mund hält?
Dass meine Kinder heute morgen den Frühstückstisch deckten und ich mir den Kopf zerbreche,
was ich Felix zum Hochzeitstag schenke?
Im Juni sind es 10 Jahre, die wir verheiratet sind.
Müssen eigentlich alle Zahlen zweistellig werden???
Regina habe ich letztens in der Ausbildung kennengelernt - schlappe 16 Jahre ist das bald her ...
Doch, ist es - sie hat mir zum 18 gratuliert. Herr Küppers fragte vor der ganzen Berufsschul-Klasse, wann ich
denn dann Abitur gemacht hätte und danach kam ich nie wieder über ein befriedigend in BWL hinaus ...
Als wäre es gestern gewesen ... war es aber nicht ...
Manchmal behaupte ich, wir hätten uns doch alle gar nicht verändert, aber dann fragt Heike
soll ich schon einmal den Wein dekantieren? und Frank schwärmt, daß es doch nichts
Besseres gibt, als den Geruch von frischem Koriander. Dann weiß ich, daß wir wohl doch älter
geworden sein müssen.
Die Zeiten sind vorbei, in denen man ein Café betrat und so tat, als sei man schon tausendmal
dort gewesen. Auch die Cafés sind verschwunden ...
Wenn ich so weitermache, werde ich Prospekte mit formschönen Urnen in meinem Briefkasten finden.
Aber irgendwie habe ich den Übergang verpaßt, an dem wir aufhörten so zu tun, als wären
wir erwachsen, sondern es schlicht waren. Silvester '93? Nein, selbst schwer atmend und mit dem festen
Vorsatz meine Hebamme zu erwürgen, sobald ich wieder zu Luft käme, hatte ich noch das Gefühl,
zu spielen. Das Leben, ein grandioses Spiel.
Mit Sheldon, meinem Brautführer ging ich den kleinen Weg unter den Bäumen zur Kirche,
als er bemerkte, daß meine Droste-Hülshoff-Löckchen noch mit Spängchen fixiert waren.
Wir kicherten, als er die Spängchen herausklipste und er fragte erneut, ob Felix auch wirklich in
der Kirche auf uns warten würde. Die Idee, daß ich ihn unter dem Vorwand, er sei der Brautführer,
in die Kirche locken würde, dort dann aber gar kein Bräutigam, dafür meine komplette und
furchteinflössende Familie warten würde und wie er aus dieser Situation wohl wieder herauskäme,
sorgte dafür, daß ich an seinem Arm breit grinsend in die Kirche trat.
Am Altar stand ein erleichtert aufatmender Felix (ob er so erleichtert gewesen wäre, wenn er damals gewusst
hätte, was er sich da mit mir aufhalste?) , an meinem Arm machte es ebenso erleichtert
Phew
und
moi schwebte im weißen Wallegewand in den Ehehimmel.
Den Weg zur Kirche gehe ich oft und immer grinse ich kurz die Stelle an, an der wir damals standen. Grinsend.
Das Kleid habe ich noch. Vorhin habe ich ein wenig damit herumgeraschelt. Den Schleier habe ich bei beiden
Kindern mit in die Wiege gehängt, weil das Glück bringen soll (wem?)
Wir haben doch nur so getan, nur gespielt, oder?
Michaela streckt beim Schlafen noch immer beide Arme über den Kopf - ihr kann nichts passieren. In einem
Buch über Schlafstellungen fand ich den Hinweis auf ein tiefes Urvertrauen, den diese Stellung ausdrückt.
Oliver hingegen legt seine Händchen aufeinander, als wolle er beten, bettet seinen Kopf darauf und schläft
auf der Seite.
Vor kurzem
spuckte die beste all meiner Freundinnen den Satz auf den Tisch, den ein Kollege gesagt
hatte.
Kinder sind der Sinn des Lebens - der spinnt doch!
Ich sagte gar nichts dazu, sondern sah meiner Tochter zu, wie sie ihr Brötchen aufschnitt. Die
Krümel flogen, das Messer rutschte dauernd ab, aber sie säbelte unverdrossen einmal rund und
liess dabei den Blick zwischen der Schokocreme und der Marmelade schweifen. Schoko oder Marmelade?
Der Sinn des Lebens?
Es gibt so kleine Vögel, die die Parasiten aus den Hautfalten der Nashörner picken. Ob denen
bewusst ist, welchen Sinn ihr Leben hat?
Ich denke, diese Vögel sind den Menschen weit überlegen, denn ich sehe keinen so offensichtlichen
Sinn in unserem Leben, und wenn wir den noch so gerne hätten. Es mag die Rache der Eltern an den Kinderlosen
sein, daß sie gelegentlich gerne so tun, als gäbe es einen besonderen Sinn, sich zu reproduzieren
und damit künftig auf Schlaf und Freiheiten zu verzichten und dafür Geldknappheit und Teletubbies
kennenzulernen. Andererseits, ich gebe es zu - ich kann noch so deprimiert sein, die Dinge könnten noch
so verquer laufen (sie tun es nicht ...) ich brauche nur einen Blick in die Gesichter meiner Kinder zu
werfen und schon macht alles wieder einen Sinn.
Ein Freund versäumt nicht zu bemerken, daß es reine Idiotie ist, Kinder zu bekommen - in dieser
Zeit ... Freiheiten ... Selbstverwirklichung ... BSE, Aids, und Pokemons ...
Ich sage immer, daß wir vermutlich keine Kinder bekommen hätten, wenn wir einmal in Ruhe darüber
nachgedacht hätten - und daß ich sehr sehr froh bin, daß wir das nicht getan haben ...
Womit ich aber dem Geschenk für Felix keinen Schritt näher gekommen bin ...