
14 Abstürze in 10 Jahren

Das war die Schlagzeile, die mich aus der Zeitung des freundlichen Mitreisenden, schräg vor mir,
während des halben Fluges ansprang, während ich vermied, genau diesen Satz an
mich heranzulassen.
Flugangst zu haben, ist die eine Sache, Mutter zu sein, eine ganz andere. Beides zu vereinbaren,
kann einen ziemlich in Anspruch nehmen. Neben mir saß nämlich meine
Brut.
Den Papa in München zu besuchen, war die eine Sache - fliegen die andere. Selten war ich mit
meiner Tochter so einer Meinung und noch seltener, habe ich derart geheuchelt. Alle Argumente gegen
Flugangst kenne ich aus dem EffEff, denn angesichts meiner blassen Nase, wurden sie mir schon oft
genug vorgebetet. Faszinierend, daß die Wahrscheinlichkeit, an einem Eselstritt zu sterben,
statistisch gesehen natürlich, höher ist, als die, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben
zu kommen. Wenn man sich allerdings in einem Flugzeug befindet, sieht man die Statistik kippen und
grübelt darüber nach, wie wohl das Verhältnis von
bei Flugzeugabstürzen
Umgekommenen zu dem
von Flugängslichen Erschlagenen steht - oder wiederum zu den
von Eseln getretenen Verstorbenen.
Ich war ja selbst schuld an meiner misslichen Lage, denn Felix' Vorschlag, ihn ein Wochenende in
München zu besuchen, hatte ich selbst mit einem Hinweis auf die lange Fahrt beantwortet.
Und schwupps hatte er Flugtickets für uns. Meine Flugangst ist auch relativ. Der Wunsch
irgendwohin zu kommen überwiegt und spätestens seit die alkoholischen Getränke auch in der
Touristenklasse frei sind, war meine Flugangst kein echtes Problem mehr.
Vor dem Abflug hielt ich meine Angst auch damit in Schach, daß ich uns erst einmal wieder in
Zeitnot brachte. Diesmal mit der überaus freundlichen Mithilfe des Kölner Flughafens,
die fröhlich Parkhaus 3 für die Abflüge ausschildern. Man fährt also zum Flughafen,
folgt ca. 20 km weit Schildern zu Parkhaus 3, stellt das Auto im 4 Geschoss ab und entdeckt,
daß die Aufzüge noch nicht funktionieren. Immer noch besser, als via Aufzug ins Feuer
geschickt zu werden. Nur, falls irgendwer nun den Düsseldorfer Flughafen empfehlen möchte ...
Ausserdem ist es kein Problem, mit 2 kleinen Kinder und etwas Gepäck eine Gittertreppe
herabzusteigen. Unten angekommen, braucht man nur wenige Minuten, um herauszufinden, wo nun
überhaupt der Flughafen ist. Ein freundliches Schild bittet um mein Verständnis,
daß der Taxi-Shuttle-Dienst zum Flughafen eingestellt wurde und so folgt man den
"Fußweg zum Flughafen" Schildern durch diverse Baustellen.
Gewohnheitstier, das ich nun einmal bin, ignoriere ich Gebäudeteile, die ich noch nicht kenne und
hetze meine Kinder zum Abflugschalter.
wir haben es eilig ...
Am Abflugschalter erfahre ich, daß ich soeben an einer Reihe ganz neuer Abflugschalter vorbeigehetzt
bin, wobei der allererste - nun natürlich der allerletzte - der der deutschen BA ist. Das hatte ich
gesehen, aber den Zusammenhang zwischen
deutsche BA und meinem Flugticket von British Airways
hatte ich übersehen. Die Wut über mein Versagen lasse ich an meinen Kindern aus, denen ich
erkläre, daß sie schuld seien, wenn wir den Flug zu Papi nun verpassen würden.
Dem freundlichen Herren am Check-In beiße ich fast in die Nase, als er mir erklärt, daß ich
sehr spät sei. Sekundenlang freue ich mich, als er es doch noch schafft, uns einzubuchen. Dann
aber, als ich begreife, daß wir es geschafft haben, finde ich endlich die Zeit für Panik.
Eine letzte Chance - Oliver muß aufs Klo - vertut eine weitere freundliche Angestellte, die
mir freundlich bedeutet, daß ich mein Söhnchen ruhig noch
abhalten kann.
Ich bin undankbar ...
Wenig später gehen wir die Gangway herunter. Oliver mit seinem Rucksack, in dem er seine Windeln
für die Nacht und ein Fläschlein trägt. Genialer Plan - er soll beim Start nuckeln,
damit er den Druck auf seine Ohren verarbeitet. Natürlich ist die Flasche während des Starts
im Rucksack, läuft aus und tränkt seine Windeln ...
Michaela trägt einen Kinderkoffer mit Badezeug, Schwimmflügeln und dem Babyphone - und in
meiner Blümchentasche ist der Rest. Ein putziger Anblick. Die Flugbegleiterin
schaut uns erwartungsfroh entgegen und prompt fangen beide Kinder an, laut zu plärren.
Eigentlich fängt Michaela an und Oliver verlässt sich lediglich auf ihre Erfahrungswerte,
wann es lohnt, sich zu fürchten. Mit ein wenig Plastikramsch hat die freundliche Flugbegleiterin
sie aber in Sekundenschnelle beruhigt und so sitzen wir im Handumdrehen auf unseren Plätzen.
Michaela am Fenster, Oliver in der Mitte und ich daneben.
Neu ist, daß ich gütig lächle. Normalerweise schaue ich auf Flügen so, daß
jeder begreift, daß ich keinerlei faszinierende Daten über dieses Flugzeug und schon gar
keine amüsanten
uh, ah, ob das normal ist, daß der Flügel so wackelt?-Bemerkungen
hören möchte.
Aber diesmal bin ich Mutter einer flugängstlichen Tochter und daher das gütige Lächeln.
Als meine Tochter die in meinen Augen sehr vernünftigen Bedenken, das Flugzeug würde sicher
abstürzen, an einem Berg, oder einem anderen Flugzeug zerschellen, erbringe ich oskarreife
Schauspielleistungen.
Wahrscheinlicher ist, daß dich ein Esel tritt!, sage ich also mit
unsagbar lebenserfahrenen Lächeln.
Hier???, fragt mein Töchterlein.
Oliver schimpft, weil das Flugzeug nicht fliegt, ich genieße unsere letzten Minuten.
Eine tiefe Vorahnung sagt mir, daß dieses Flugzeug abstürzen wird.
Schon oft, hört man nach einem Flugzeugunglück von Leuten, die ähnliche Vorahnungen
hatten, belächelt wurden und nun die einzigen Überlebenden sind, weil sie ihren Vorahnungen
folgten. Aber ich muß zugeben, daß ich diese Vorahnungen bei jedem Flug habe und ihnen
mangels Absturz zwar vertraue, aber nicht folge.
Sollte ich also je bei einem Flugzeugabsturz umkommen, habe ich es zuvor geahnt ...
Endlich gibt das Flugzeug Gas. Michaela kneift die Augen zu, Oliver jauchzt, und ich lächle
glücklich, während ich mich heimlich mit den Pobacken an den Sitz klammer.
Mama, ist das normal, daß der Flügel so wackel??? (uh, ah!)
aber sicher, würde er nicht wackeln, müßtest du dir Sorgen machen, denn dann
wäre er zu starr, würde abbrechen und wir würden abstürzen, am Boden zerschellen,
in winzige, kaum zu identifizierende Einzelteile zerschmettert werden, bevor wir verbrennen und
ich hätte einen doofen Bindestrich-Nachnamen auf dem Grabstein, oder habe ich dem Papa
schon gesagt, daß ich nur den Familiennamen will? Und bitte keinen repräsentativen Stein,
sondern irgendwas Kleines, verschnörkeltes, unter Bäumen - und bitte, keine Nelken in
die Kränze!
Natürlich habe ich den Rest nach
abbrechen nur gedacht. Und auch nicht wirklich. Eigentlich
waren das meine
Alleinflieggedanken. Für Flüge mit meinen beiden Kindern reichte
meine Phantasie nicht aus, oder eher gesagt, meine Wille sie zu unterdrücken reichte aus.
Der Rückflug war dann noch lustiger, denn wir hatten Quellbewölkung.
we might expire
some air-turbulence oder
bumpers, kündigte der Ko-Pilot beim Rückflug an.
Hey, das wird Klasse! behauptete ich verlogen.
Das Flugzeug wird gleich lustig hüpfen!
Das liegt daran, daß die Luftschichten verschiedene Temperaturen haben, schwafelte ich
daher, zerrte die Gurte meines Nachwuchses enger, bis Michaela protestierte, sie bekäme keine
Luft mehr. Vermutlich ist es auch wahrscheinlicher, von der eigenen Mutter mit dem Gurt erstickt
zu werden, als abzutürzen ... Und so hüpfte das Flugzeug von München nach Köln
zurück, während mein Nachwuchs jubelte und ich Gott absurde Dinge schwor, für den
Fall, daß wir heil in Köln landen sollten.
Was die Statistik wohl dazu sagt, daß Michaela in München nicht von einem Esel getreten,
sondern überfahren wurde? Glücklicherweise saß der Kerl auf einem Fahrrad und nicht
im Auto, aber sein Verdienst sind zwei aufgeschlagene Knie und eine blutige Nase.
Nein, er hat meinen eher guten Eindruck von München nicht getrübt, mein Bild von den
netten Bayern nicht verändert, denn wir waren umgehend von netten Menschen umringt, die den
Kerl beschimpften und uns Pflaster und Süssigkeiten in die Hände drückten, um
zu trösten. Michaela war zu sehr mit Weinen beschäftigt, aber Oliver nahm den Trost willig
an.
München, das waren 2 Tage Englischer Garten, strahlender Sonnenschein, Tretbootfahren und
Bier mit Limonade in einem Biergarten mit Spielplatz.
Brezeln, dazu Radi und seltsame, aber köstliche Käse-Matsche mit rohen Zwiebeln.
Und abends im Hotel dann Sekt in Zahnputzgläsern und geflüsterte Gespräche neben den
schlafenden Kindern. Hochromantisch!
Man fühlt sich gleich wieder jung, es hat etwas prickelnd Verbotenes, wenn man leise sein muß,
auch wenn es diesmal nicht unsere Eltern waren, die wir nicht wecken wollten, sondern zwei leise
schnarchende Kinder.
Hallo Carola,
da kräuseln sich einem ja die Nackenhaare ...
Bier mit Limonade und Brezel ...
A Russ oder a Radler mit Brezen (nicht Brezel!!) wirds wohl gwesen sein.
Na ja, Kölschtrinker halt, wie heisst es doch so passend:
Wer Hunde schlaegt und Kinder klaut, der trinkt auch das was Kueppers braut.
Hier noch das Rezept fuer eine leichtere Version der Käse-Matsche:
Obatzter (köstliche Käse-Matsche mit rohen Zwiebeln)
- 300 Gramm Camenbert
- 100 Gramm Frischkäse
- 1 Zwiebel
- Weissbier(Weizenbier)
- Salz, Pfeffer, Kümmel, Paprikapulver, Petersilie
Camenbert und Frischkäse mit einer Gabel zerdrücken. Mit etwas Weissbier zu
einer glatten Masse vermengen. 1/2 Zwiebel in feine Würfel schneiden den Rest in Ringe.
Zwiebelwürfel zu der Masse geben, diese mit dem Salz und den Gewürzen abschmecken.
Mit der Petersilie, den Zwiebelringen und etwas Paprika garnieren. 1 Stunde im Kühlschrank ziehen lassen.
Gruss
Gernot am 05.09.2000