
Kleine Hand in großer Hand
Kleine Hand in großer Hand, deine Hand in meiner Hand ...
Es ist schon immer wieder erstaunlich, daß Hände wie gemacht dafür scheinen, genau
ineinander zu passen. Kleine, vertrauensvolle Klebe-Hände mit Nägeln, die unbedingt
mal wieder geschnitten werden müssen, damit die Dreckränder nicht so auffallen ...
aber auch große, behaarte Männerhände (mit Nägeln ...)
Die letzten beiden Tage waren dazu angetan, leichtsinnig aufgetragene Kajalstriche in den
Bauchnabel zu schwemmen. So war ich gestern im Kaufhof und kaufte neben dem politisch korrekten
und gesundheitlich akzeptablen Studentenfutter und getrockneten Apfelringen, doch auch noch
klebrige Leckmuscheln, Jelly Beans, Traubenzuckerherzen und jede Menge in glitzrigem Papier verpackte
Schokolade.
Schokoladenfische, Würfel, Herzen, Autos, Busse, Bienen - ihr den Schuleinstieg versüssen,
soweit es noch in unserer rapide sinkenden
Macht steht.
Olivers ersten Kindergartentag habe ich relativ gut verkraftet, aber Michaelas Einschulung hat mich
ebenso zappelig, quengelig und unerträglich gemacht, wie sie selbst.
Ihr Haare wunschgemäß in zwei Zopfspangen verteilt, ein wenig nachgeholfen, daß sie
sich das gelbe Kleid für den ersten Schultag wünscht, den kitschigen
echten Scout auf
dem Rücken und die sicher hässlichste Schultüte der Welt im Arm, durften wir sie heute
zu ihrer Klasse begleiten und wurden dann sanft, aber bestimmt wieder hinausgeschubst, um mit den
anderen Eltern Kaffee zu trinken und sie schon einmal kennenzulernen.
von wegen ...
Wer will schon andere, zappelige, aufgeregte Eltern kennenlernen, die partout glauben, ihre Kinder
seien etwas Besonderes, wo sie sicher in nichts mit meinen Wunderkindern mithalten können.
Hoffentlich begreifen zumindest die Lehrer, welches Glück sie haben, ausgerechnet mein
kleines Wunder unterrichten zu dürfen.
So habe ich sie genannt - mein kleines Wunder - oder, wenn ich sie in einem Kopfkissen herumtrug,
auch
mein Bündelchen Glück.
Ganz nervös saß sie da auf ihren Händen, verknotete die Füße und
knabberte an ihrer Unterlippe.
Mach dir keine Sorgen, mein Schatz, sagte ich.
die sind sicher lieb zu dir und ...
sabbel sabbel
möchtest du noch einen Kuss?
Mama?
ja?
geh jetzt!
Bin ich. Der beste aller Männer fand Kaffee und anschliessend auch die Toiletten. Auf diese
Toilette soll mein Kind gehen??? In einer der Kabinen war kaum noch Papier!
Vorher war alles noch Spaß. Die Schultüte wurde im Kindergarten gebastelt.
Orange-gelber Karton mit schielenden Moosgummipferdchen, grellem Tüll und knalligen Blümchen.
das habe ich alles selbst ausgesucht!, krähte sie stolz und trotzdem war der Tag
heute noch so weit weg.
Selbst gestern, als wir abends kichernd die Schultüte bestückten, war der Tag noch weit weit
weg. Gegen 6 Uhr stand das fertig gekleidete Fast-Schulkind an unserem Bett, liess sich aber davon
überzeugen, daß wir noch viel Zeit haben.
Wir müssen erst um 11 Uhr dort sein,
sagte der Rabenvater. Doch, Rabenvater, denn als ich kurz vor 9 Uhr noch im Handtuch, mit einer Tasse
Kaffe in der Hand
eben schnell nach den Mails der Nachteulen schaute, sagte er mit panischem
Presston,
du mußt sofort Michaela fertigmachen, das fängt schon um 9.45 Uhr an!
Es geht nichts über
spät dran sein, um abzulenken ...
So traf mich die Tragweite meines Tuns eigentlich erst, als wir auf den Schulhof kamen und dort
all die anderen zappeligen I-Dötzchen und noch zappeligeren Eltern trafen.
Die Väter erkenne ich sicher nicht wieder - kaum einen, denn die meisten hielten sich unablässig
Video-Kameras vor die Gesichter und munterten ihre Kinder auf,
doch nicht so verdammt tranig
zu gucken, nicht in der Nase zu bohren, hierhin zu lächeln - nicht doch so gestellt,
nicht doch so künstlich, nicht doch so verkniffen ...
Ich begnügte mich mit einigen Fotos - ca 3 - 400 ... Posen hier, mit Schultüte, ohne Tüte,
im Profil, mit Schulranzen, und einmal wir alle, wären Sie so nett?
Danach wurden wir dann von unseren Kindern getrennt, wurden noch später in eine kleine Aula gesperrt,
beklatschten artig die Lieder, die die Lehrer vorsangen, während ihre Klassen nur die Lippen
bewegten, wenn überhaupt ... beklatschten noch viel mehr die Rede des Direktors und bekamen
dann unsere Kinderlein wieder, die sich nichts sehnlichster wünschten, als nun endlich ihre
Schultüten plündern zu dürfen.
Und nun ist es halt so, sie ist ein Schulkind.
Geht es nur mir so, daß ich es beängstigend finde?
Schluß mit lustig. Es ist eben nicht jedes Bild schön, jedes auf seine Art.
Es ist eben nicht nur wichtig, daß sie Spaß hat und gesund ist.
Von nun an wird bewertet, sortiert, gesiebt, in Schubladen gestopft und ein kleines Selbstbewusstsein
kann für Killefitz nachhaltig beschädigt werden.
Keine Bange, meine alten Zeugnisse liegen für Notfälle schon bereit ...
Eigentlich auch erstaunlich, wie perfekt kleine Klebe-Händchen dafür gemacht scheinen,
putzige Schokomäuschen in Goldpapier mit kleinem Fädchen als Schwänzchen, in Sekundenschnelle
aus dem Papier zu rupfen und zu verschlingen ...