
God is a DJ

Am Wochenende war ich auf einem 40. Geburtstag - falscher Anfang - ich war auf
dem 40. Geburtstag.
Es war nämlich wirklich schön, was ich wohl besonders intensiv empfand, da ich dies eher nicht
erwartet hatte.
Zu den Dingen, die ich wirklich ungerne tue, gehört ganz sicher:
allein auf eine Fete gehen.
Es liegt nicht am
allein - ich gehe gerne alleine spazieren und seit ich Kinder habe, gehe ich
auch gerne allein einkaufen bzw. bummeln. Bei Feten sorge ich allerdings gerne im Vorfeld dafür,
dort eben nicht alleine aufzutauchen.
Bei der letzten Fete fragte ich die Gastgeber freundlich, ob sie nicht schon immer meine beste Freundin
kennenlernen wollten. Überraschung, sie wollten ...
Und diesmal war klar, daß eine andere Freundin für das Wochenende nach Köln käme.
Allerdings mußte sie absagen und die beste Freundin der Welt wurde am Tag vor der Fete Tante.
Ein wenig Tante, also Patentante war sie schon vorher gewesen, aber nun war sie echte Tante, noch
dazu von der kleinen Schwester - keine Chance, ihr einen 40. Geburtstag schmackhaft zu machen.
Ich habe es gar nicht erst versucht, nachdem mir besagte kleine Schwester ungläubig erzählte, daß
sie es geschafft hatte, sich telefonisch unter der Geburt bis in den Kreisssaal durchstellen zu lassen ...
Da es aber nun nicht irgendein Geburtstagskind war, sondern Udo, war ich tapfer und zog erst gar keine
Absage in Erwägung. Ich zerbrach mir den Kopf, was man zu einem 40. schenkt und landete in
der Kinderbuchabteilung. Naja, das war geplant. Ich wollte für mein Töchterlein das "Mary Poppins"-Video
holen und brauchte auch noch Geschenke für den neugeborenen Niels (ja, genau, Nils Holgerson, was sonst ...?)
und meine Neffen. (jeweils ein Harry Potter und nur um meine Schwester zu ärgern auch noch je ein Bert).
Bert? Na, von A. Jacobsson und S. Olsson - es sind die Tagebücher von einem anfangs Elfjährigen,
der im Laufe der Bücher mittlerweile schon 16 geworden ist und seine Tagebücher handeln
natürlich von dem, was Jungs ab 11 für lange Zeit beschäftigt: Mädchen
|
Überrascht es nun irgendwen, daß ich in der Kinderbuchabteilung auch das passende Geschenk
für Udo fand?
Ich besuchte die recht frisch entbundene Mutter, klatschte mir danach eine Aufbaukur in die Haare und eine
vitalisierende Pflegepackung ins Gesicht, pinselte meine Zehennägel dunkelblau an, versah die
Pariser Strassenkarten auf meinen Fingernägeln (ich kam einfach nicht daran vorbei und hatte den
Vorabend leise fluchend damit verbracht, der sehr einfach klingenden Anleitung auf der Packung zu folgen)
mit einer weiteren, schützenden Schicht des speziellen Strassenkartenkleberlacks und warf einen
Blick auf die Einladung. Es war 19 Uhr - dort stand, Partybeginn 18 Uhr.
Weshalb tun Leute so etwas?
Ich meine, wer geht denn vor 20 Uhr auf eine Fete?
Und wie fühlen sie sich so ganz alleine mit dem Geburtstagskind in dem großen, einsam liegenden
Partyraum?
Während ich trocknete, vitalisiert und aufgebaut wurde, führte ich mir die Wegbeschreibung
zu Gemüte. Wenn ich ganz richtig verstanden habe, was das Geburtstagskind beruflich tut, hat es
etwas mit Gebrauchsanweisungen zu tun. Und so saß ich vor der Wegbeschreibung und wußte
nicht recht wohin.
|
Das Fest schien irgendwo rechts vom Dom zu steigen, soviel war klar. Beim Duschen beschloss ich
den Plan auszudrucken und dem nächsten Taxifahrer in die Hand zu drücken. Nach dem Duschen
scheiterte ich an genau dieser Idee, denn die Einladung hatte ein eher ungewöhnliches Format.
Hätte man von Udo etwas anderes erwartet?
|
Ich fönte meine frisch aufgebauten Haare auf Löwenmähne, schminkte mein vitalisiertes
Antlitz auf Vamp, zerbrach mir den Kopf, was die Anleitung für die Nutzer öffentlicher
Verkehrsmittel zu bedeuten hätte und verwarf die spontane Idee mit der Strassenbahn zu fahren ebenso
spontan wie sie gekommen war.
Leider, leider beeindruckte mich der Satz:
Egal wie, es geht nur über die Fußgängerbrücke (da ist eine Wendeltreppe) zur Tankstelle!
nachhaltiger als von Udo geplant. Und so fuhr ich kurz darauf an besagter Tankstelle brav vorbei und zerbrach mir
den Kopf, wie ich auf die andere Seite der Fußgängerbrücke gelänge.
Die Einfahrt zur Tankstelle sah auch hinreichend verboten aus, wobei mich aber beim Vorbeifahren die
Tatsache leicht verwirrte, daß dort sehr wohl Autos standen. Kurz darauf passierte, was mir
immer passiert - ich lande auf einer der Rheinbrücken.
Ein wenig demütigend ist dabei nur der Augenblick, wo man sich auf der Zufahrt einer
dieser Brücken befindet und gerade an der letzten Möglichkeit, dem Brückenschicksal
zu entgehen, vorbei gefahren ist. Ich genoß den Domblick und begriff sofort, daß ich
von der nächsten Rheinbrücke in der Gegenrichtung etwa dort landen würde,
wo diese Fußgängerbrücke sich befand.
Gegen 21 Uhr beschloss ich, den Schirm im Auto zu lassen und betrat die Fussgängerbrücke.
Gegen 21.03 Uhr regnete es.
Gegen 21.03 Uhr fragte ich mich, weshalb ich mein Haar mühe- und kunstvoll gefönt hatte.
Vor der Tankstelle war so ein Sommerzelt aufgebaut und die darunter versammelten Partygäste
blickten mir erwartungsfroh entgegen. Mir war also ganz klar, daß ich stolpern würde,
sollte ich angesichts des Regens rennen. Ausserdem hatte ich es nicht eilig, denn ich war alleine
und sie waren viele. Und bestimmt kannten sich alle seit Jahren, Jahrzehnten und schwelgten in
Erinnerungen. Jemand würde sagen:
oh, wißt ihr noch, die Sache mit den Tomaten?
und alle würden prusten, kichern, halb unter den Tisch fallen und ich würde hilflos
lächelnd nicht dazu gehören.
Dann bekäme jemand Mitleid mit mir und würde
und was machst du so? fragen. Vermutlich
jemand, der Kernphysiker ist, nebenbei in der Aidshilfe engagiert ist, den letzten Köln-Marathon
mitgelaufen ist und Fan eines Schauspielers/Schriftstellers/Künstlers ist, von dem ich noch
nie gehört habe.
ja, also ich ähm, ich habe 2 Kinder, lebe in einer Reihenhaussiedlung und
möchte jetzt eigentlich wieder gehen ...
Interessante Menschen machen mich einfach fertig. Ich versinke beeindruckt in meiner eigenen Bedeutungslosigkeit
und kann selbst zum Wetter nichts sinnvolles mehr sagen.
Aber es kam anders.
Ich wurde von einigen mit dem Satz
ach, du bist die mit der Hausfrauenseite?! aus der Fassung
gebracht. Ich bin noch nie von Fremden darauf angesprochen worden. Ehrlich gesagt habe ich noch nie
jemanden getroffen, der je zuvor von der Seite gehört hat ... und ich selbst würde eher
sterben, als
ich habe auch eine Homepage, nämlich die Hausfrauenseite oder so zu sagen.
Der neue Bekanntheitsgrad meiner Seite verwirrte mich, bis mir jemand erklärte, daß
Udo mit den Einladungen den Link zu seinem
Beitrag verschickt
hatte. Ach, menno - und ich dachte schon ich sei berühmt ...
Und dann begann Carmen (meine neue Freundin) einen Satz mit
als wir damals meinen 40. feierten ...
und ich fragte angemessen
ungläubig
du bist schon 40??? Den Satz merke ich mir, denn sie stellte mich den Rest
des Abends allen Leuten mit "das ist meine Freundin, Carola" vor. Nun, ich hatte tatsächlich
gedacht, sie sei eine Altersgenossin und ich bin 33. (noch nicht lange, ich muß mich auch erst
daran gewöhnen).
Oh, Mist - jetzt habe ich vergessen zu erwähnen, daß ich zumindest den DJ auf der Party
gekannt hätte (, der natürlich noch nicht da war). Und daß mir das auch wenig genutzt
hätte, denn die Anlage stand in einem Räumchen, in dem eine Schwarzlichtröhre hing.
Bei einem 40. Geburtstag muß man vermutlich mit einer Schwarzlichtröhre rechnen und kann
dankbar sein, wenn nicht noch Diskokugeln von der Decke baumeln...
Jedenfalls platzte meine Idee, mich unauffällig in seine Nähe zu stellen nun nicht
nur an seiner mangelnden Anwesenheit, sondern auch an der Unauffälligkeit, da meine Fuß-
und Fingernägel grell leuchteten. Weshalb leuchtet dunkelblauer Lack???
kleine Warnung, es ist die 02 von Lauder ...
Durch die jugendlich aussehende Carmen konnte ich jedenfalls Plan B verwerfen, für den es ohnehin
zu kalt war. Plan B war durch ein Missgeschick in meiner aktiven Disko-Zeit geboren worden, als ich
mich mit einem Absatz in einer Schwelle verfing und mein Glas Wasser in den Nacken eines ausgesprochen
niedlichen, sehr männlichen Wesens schwappte, mit dem ich sonst wohl nie ins Gespräch gekommen
wäre. Meine wortreiche Endschuldigung war damals ein ganz guter Aufhänger ...
Etwas später am Abend, als ich versuchte, dekorativ am Türrahmen zu lehnen und die
Tanzenden beobachtete (da war eine Frau in rot, der man den ganzen Abend hätte zuschauen mögen!),
nutzte eine Frau den anderen Türrahmen mit Blick auf den DJ des Abends, der dort in seine CDs
versunken vor sich hinwippte.
Niedlicher Hintern!, sagte die Frau irgendwann anerkennend und
verschwand auf die Tanzfläche.
Die nächste Frau kam, schaute und grinste.
niedlicher Hintern?, soufflierte ich hilfsbereit.
und wie!, kam die prompte Antwort.
Ich nippte an meinem Glas, warf einen verstohlenen Blick und
dachte umgehend brav und sehnsuchtsvoll an meinen in Malaysia weilenden Gatten. Und überhaupt,
man schaut guten Freunden nicht aufs Gesäß.
Ach, es war ein schöner Abend. Und auch, daß ich nichts über Indien weiß, störte
wenig, obwohl alle anderen ein profundes Indien-Wissen zu haben schienen und es einem anwesenden Inder
präsentierten. Meine Tante hat in der Entwicklungshilfe in Indien gearbeitet. Irgendwas sagte mir,
daß dies ein weniger diplomatischer Kommentar war und so meinte ich nur, daß ich gerade
das "Zirkuskind" von John Irving läse. Und wow - das kannten alle!
Ich liebe Menschen, die John Irving lesen (Douglas Adams, W. Somerset Maugham und
das passiert immer
- nenne ich einen Schriftsteller, den ich mag, fühle ich mich nahezu gezwungen, die anderen
auch zu nennen, da ich sonst das Gefühl habe sie zu verraten ...
Übrigens war ich eine der letzten die dann gegangen sind, was aber nicht ganz freiwillig war.
Im allgemeinen Aufbruch wäre ich durchaus auch verschwunden, allerdings stand direkt neben meiner
Tasche ein heftig flirtendes Pärchen. Ich hätte einfach gestört. Also blieb ich brav,
bis die Gelegenheit günstiger war - und das war eben recht spät ...
Dafür hatte ich dann das Vergnügen, aus den Seitensträsschen an der Fussgängerbrücke
meinen Heimweg zu suchen. Morgens um 3 Uhr neigt man zur Gedankenlosigkeit. Also folgte ich einem:
So bin ich gekommen, ja, hier bin ich vorbeigekommen, hier lang ... zielsicher einer Strasse, die mich
prompt wieder auf die Severinsbrücke brachte, was mir an einer roten Ampel bewusst wurde.
Da stand ich nun und wartete, um auf und über eine Brücke zu fahren, über die ich nun
wirklich nicht fahren wollte. Ich überlegte, mit Hilfe des Rückwärtsganges zur nächsten
Abzweigung zurück ... die Strasse war vollkommen leer! Ich legte den Rückwärtsgang
ein, als prompt ein Taxi neben mir hielt, dessen Fahrgäste lachend die Scheibe herunterkurbelten und
sich natürlich als Partygäste entpuppten.
Kurzentschlossen legte ich wieder den ersten Gang ein und schaute derart hoffnungsfroh Richtung
Brücke, daß jeder glauben müßte, daß ich unbedingt dort hinüber
wollte. Braucht ja niemand wissen, daß ich als fast Einheimische ständig auf der falschen
Rheinseite lande ...
Und nun können wir gespannt sein. Denn Carmen hat ihr Rezept für Chicken Tandori
(schreibt sich das so??? jedenfalls schmeckt es!)
versprochen und Harish (na, wie habe ich mir das gemerkt???) eine ganze Sammlung indischer Gerichte.
Und ich werde wohl eine ganze Weile lang dafür sorgen, einen lieben Freund nur noch von vorne zu
sehen. niedlicher Hintern ...
Es wird Zeit, daß Felix wiederkommt!