
frisch vermarktet ist halb gewonnen!

Wirklich interessant wird ein Leben vermutlich erst durch einen sogenannten Zwiespalt.
Allerdings kommt es dabei auf die Dimensionen an. Wenn ich meinen Kindern Süßigkeiten
erlaube, damit ich ein Telefonat weiterführen kann, ist das zwar durchaus zwiespältig,
andererseits aber längst zu alltäglich, um irgendwie interessant zu sein.
Mein derzeitiger Lieblingszwiespalt liegt in der Möglichkeit begründet, mit der Hausfrauenseite
Geld zu verdienen.
Die meisten Vermarktungs-Möglichkeiten sind selbst für mein geschäftstüchtig
geldgieriges Ich vollkommen indiskutabel. Die übrigen Ideen werden von den
das habe ich
nicht nötig und moralisch hochwertigen Anteilen in mir abgelehnt.
Mein geschäftstüchtiges Ich lechzt nach Anerkennung monetärer Art, wobei dieses Ich
schlau genug ist, Argumente hervorzubringen, die meinen Widerwillen,
mich anzubiedern und
zu verkaufen, gelegentlich überwinden - aber nur kurzfristig.
Mein tiefer Widerwillen, irgendwas zu verkaufen, dürfte in meiner beruflichen Vergangenheit
begründet liegen. Sozusagen
once upon a time... war ich bei einer Sparkasse angestellt
und verbrachte meine Tage damit, den Bargeldfluss in Gang zu halten.
Mit immer freundlichem Lächeln stand ich tagein tagaus hinter einer Panzerglasscheibe,
zählte Geld und gewöhnte es mir flugs ab, mich zu wundern oder etwas persönlich zu nehmen.
Was gar nicht so einfach ist, da es einen Typ Kunden gibt, der angesichts
einer Schlange von mehr als drei weiteren Kunden vor ihm ausgesprochen persönlich werden kann.
Ich hätte durchaus Argumente gehabt, gewöhnte mir aber schnell an, stoisch zu lächeln,
freundlich zu nicken und demonstrativ meinen Blick schon zum nächsten Kunden wandern zu lassen,
sobald ich den Typ
wortreich verärgerter Kunde vor mir erkannte.
Gerechter Zorn trifft selten die, die ihn eigentlich zu verantworten hätten. (einer
der Existenzgründe für Vorzimmerdamen...)
Natürlich hätte ich freundlich auf die beiden leeren Kundenschalter neben mir hinweisen
können, deren
vorübergehend nicht besetzt-Schilder längst durch Blumentöpfe
ersetzt wurden. Ich hätte erklären können, daß dies der Preis für kostenlose
Girokonten sei. Auch hätte ich anführen können, daß ich schneller arbeiten könnte,
wenn er seine Vordrucke schon ausgefüllt, oder zumindest mitgebracht hätte. Dass ich
allgemein viel schneller sein könnte, wenn nicht irgendwelche durchaus zu Recht unzufriedenen
Kunden mich durch ihre Unfreundlichkeit tief deprimieren und somit ausbremsen würden.
Hätte ich sagen können.
Stattdessen beobachtete ich die Rationalisierungsmassnahmen meines Arbeitgebers, die Auswirkungen
dieser Massnahmen auf die Qualität meines Jobs und den Zufriedenheitsgrad meiner Kunden und
ergriff die Flucht. Weg, nur weg vom direkten Kundenkontakt hinein in ein schnuckliges Büro
einer Privatbank.
Das Gefühl, unzufriedenen Kunden entgangen zu sein, währte bis zum ersten Telefonklingeln.
Der Umstand, daß Kunden regelmässig ein Ventil für irgendwas suchen, weckt
in einem die Sucht nach Nikotin, Kaffee oder Kindern. Manch einer lässt sich dazu hinreissen,
seinerseits keine Möglichkeit auszulassen, Angestellte in Service-Berufen zu schikanieren. (mit
dem unbestreitbaren Vorteil, daß man die perfidesten Möglichkeiten, andern den Tag zu versauen
und ihre Wirksamkeit aus der
Opferperspektive kennt...)
Bei mir siegte der Kinderwunsch. Eine dreijährige Auszeit würde dafür sorgen, daß
ich frisch und neu motiviert wieder meinem Job nachgehen könnte. Meine innere Uhr empfahl dann
im Sommer '96 aber dringend, weitere Reproduktionsmassnahmen und so ging der eine Erziehungsurlaub nahezu
nahtlos in den nächsten über.
Und nun ist er da,
der Zwiespalt. Am 10.12.2000 endet mein Erziehungsurlaub.
Schluss, aus, finito. Gegen einen weiteren Erziehungsurlaub spricht der Umstand, daß mein
Widerwillen gegen Windeln, ewige Angebundenheit und erzwungene Schlaflosigkeit durchaus einiges zu
kompensieren weiß und mir Büros als Oase von Ruhe, Konzentration, fleckfreier Kleidung
und intellektueller Hochwertigkeit vorgaukelt.
Aber es gibt noch zwei Alternativen:
die Möglichkeit, auf eigenes Einkommen zu verzichten und die Früchte jahrelanger Arbeit
zu geniessen. (die Arbeit, einen angeheirateten Studenten mit wüsten Drohungen, sanftem Gesäusel
und hilflosen Tränen durch das Studium zu prügeln (wobei das Quatsch ist - ich habe nicht
geprügelt, sondern lediglich durch regelmässiges
weitere Kinder in die Welt setzen
gewisse Notwendigkeiten in das göttergättliche Denken geschmuggelt...))
letzte Möglichkeit ist das Vermarkten der Hausfrauenseite.
Last Exit, Brooklyn...
Die Gefühle, die dieses Thema in mir hervorrufen, schwanken in von
mangelnder Begeisterung
und
aktiver Ablehnung begrenzten Bandbreiten. Meine Probleme bei dem Thema sind vielschichtig
und liegen zu einem nicht geringen Teil darin begründet, daß es nichts gibt, was ich nicht
mit ein wenig Mühe endlos verkomplizieren könnte.
Ein anderer Teil sind die Kinder.
Von zuhause arbeiten, freie Zeiteinteilung - das ist für Eltern eine tolle Sache, hat aber dann
Haken, sobald Geschäftskontakte zu
Nicht- oder zeitweiligen
Passiveltern zustande
kommen.
Freie Zeiteinteilung bedeutet nämlich
Nachtschicht oder Ausnützung kindlicher
Mittagsschlafphasen, während Büromenschen proportional entgegen dem eigenen Zeitvolumen
planen. Kurz, wirklich wichtige Anrufe erfolgen sobald man ein Kind entweder in der Badewanne, auf
der Wickelkommode oder mit matschigen Schuhen und Kleidung im frisch geputzten Haus hat.
So rief mich letzte Woche zum dritten Mal die Buchhaltungsabteilung eines Konzerns an, die über die
Tatsache stolperte, daß ich meine Rechnungen ohne Umsatzsteuer ausstelle. Als ich mein
stehendes Gewerbe anmeldete (das heißt wirklich so - vermutlich um es vom
horizontalen
Gewerbe unterscheiden zu können...), hatte ich mich einmal kurz und heftig in das Thema
Rechnungen vertieft. Vom Thema Steuern schon immer eingeschüchtert, sah ich mit Begeisterung,
daß ich sie beim zu erwartenden Geschäftsumfang schlicht ignorieren dürfte. (abgesehen
von den jährlichen Erklärungen...). Beim Finanzamt bestätigte man dies auf meine Anfrage hin
kurz und so verschicke ich derzeit noch Umsatzsteuerfreie Rechnungen.
bevor ich nun in einer Mailflut versinke:
ich weiß, daß es immense Vorteile hätte, dies zu ändern und ich habe auch vor,
mich mit dem Thema eingehender zu beschäftigen, sobald die Kinder aus dem Haus sind...
Es gibt einen ganzen Stapel von Dingen, mit denen ich mich beschäftigen sollte, die mir dann
nämlich viel Zeit und Geld sparen könnten. ZB gehöre ich eher versehentlich zu den
HTML-Puristen, die jeden Blödsinn von Hand tippen. Nicht, um einen schlanken, schnellen Source-Code
zu haben, sondern weil mir schlicht die Zeit fehlt, mich einmal in das Handbuch meines Editors
zu vertiefen. Als ich zB das hausfrauliche Bild auf der Eingangsseite so umgearbeitet habe,
um die Verweise in die einzelnen Marktrubriken unterzubringen, habe ich es leise fluchend im Paint-Shop
in gleichgroße Scheibchen zerschnitten und wieder zusammengesetzt. Dies dauerte gute 20 Minuten.
20 Minuten, in denen mich die Gewißheit plagte, daß der Paint Shop ganz sicher irgendwo
eine Funktion hat, mit der man Bilder in Sekundenschnelle in gleichgroße Teile schneiden könnte,
es mich allerdings sicher 30 Minuten kosten würde, diese Funktion zu finden, 30 Minuten, sie zu
verstehen und dann noch einmal 20 Minuten, um es doch wieder von Hand zu machen...
Ein typischeres Beispiel dürfte meine Signatur sein.
Irgendwann, es muß vor Ostern gewesen sein..., entdeckte ich den Signatur-File und baute ihn
um. Alle meine Mails wurden von da an mit dem fröhlichen Hinweis "Ostern naht!", nebst Verweis
auf die
Osterseite verschickt.
Kurz nach Ostern sah ich durchaus die Notwendigkeit, dies zu ändern, aber ich weiß einfach
nicht, wie diese Datei heißt. Sie zu suchen erscheint dadurch aufwendiger, als den
Vermerk aus allen Mails manuell zu löschen. Natürlich hatte ich durchaus im Hinterkopf,
daß ich meine Signatur unbedingt wieder ändern muß, sobald ich Zeit habe.
Vor kurzem nahte Ostern dann wieder und es war gar nicht so einfach, den Reflex, den "Ostern naht"-Vermerk
nicht zu löschen...
Eventuell habe ich Glück und der beste aller meiner Ehemänner liest diesen Text hier und
beendet die Misere...
Als nichtberufstätige, oder anders gesagt: als zur Erziehung beurlaubte Mutter habe ich zwar
viel Zeit, aber der Anteil an
Konzentrationsfreiheit ist gering und wird von mir zu gerne
anderweitig benutzt.
Die ersten beiden Anrufe der Buchhaltung meines Kunden hatte ich noch mit stoischem Lächeln
und einfach formulierten Argumenten beantwortet. (
gelernt ist gelernt...)
Doch, ich kann das!
Ich gehöre zu denen, die ihren Kunden große Kreuzchen auf die Formulare machen, mit
dem Kugelschreiber noch einmal dorthin tippe, wo sie unterschreiben sollen und trotzdem durch eine
zielsicher ins Betragsfeld gesetzte Unterschrift nicht zu erschüttern sind.
Kunden, so weiß ich aus einem Motivations-Lehrgang, sind nicht wirklich dämlich, sondern
im eigenen Berufsfeld gut. Meine Aufgabe ist es nicht, Kunden zu belächeln, sondern meinen Job
derart zu beherrschen, daß ich meinen Kunden alle Hindernisse aus dem Weg räumen kann.
Wenn ein Kunde also sogar ein aus pinkem Textmarker gemachtes Kreuzchen nebst angemarkertem Hinweis
Unterschrift des Kunden ignoriert, ist dies mein Fehler.
Hinweis an alle künftigen Bankkaufleute: lasst Euch dennoch niemals dazu hinreissen, dem Kunden
zu
sagen, wo er unterschreiben soll, da er sich dann veralbert fühlt und empört
für wie dumm halten Sie mich? sagt, bevor er im Betragsfeld unterschreibt. Sobald dies
geschieht, kann man jede Hoffnung auf Weiterführung eines netten Kundenverhältnisses vergessen...
Ich war bei dem Kundenanruf...
Eigentlich wollte ich gerade zum dritten Mal erklären, daß ich Rechnungen durchaus ohne
besagte Steuer ausstellen könnte, als ich Oliver dabei erwischte, das Familienhäschen
an einem Ohr durch den Garten zu schleppen.
Oliver lass das, das macht Schnoppy ganz doll aua!, rief ich mit sanft überschlagender
Stimme. Würden Sie einer kreischenden Irren in Steuerfragen über den Weg trauen?
Ich gab die Hoffnung auf, daß mir dieser Buchhaltungsmensch jemals Glauben schenken würde,
was meine Rechnungen anging und handelte nach dem altehrwürdigen Vorsatz:
wenn du einen
Kunden nicht halten kannst, tritt ihm wenigstens noch schnell in den Hintern!
Wissen Sie was?!, sagte ich mit möglichst fester Stimme und drehte meinem zweitgeborenen
Hasenquäler kurz den Rücken.
Wenn Sie mit der Begleichung einer korrekt gestellten
Rechnung derart überfordert sind, zerreissen Sie sie einfach. Ich möchte nicht
verantworten müssen, Ihren Konzern mit einer Hundertmarksrechnung lahmgelegt zu haben!
Ja, und da ist mein Problem - der
das habe ich nicht nötig-Anteil in mir ist einfach
zu dominant. Mein geschäftstüchtiges Ich hasst ihn, während die moralisch hochwertigen
Anteile des Hausfrauen-Ich auf ihn vertrauen...
Was ist es nur an mir, daß ich an ausgeschlagenen Geschäften fast eine tiefere Befriedigung
empfinde, als an abgeschlossenen?
Keine moralische Hochwertigkeit, das rede ich mir nicht ein - eher ein ziemlich ausgefallener Humor.
So habe ich längst erkannt, daß es sinnvoll wäre, aktiv Werbekunden für die
Hausfrauenseite zu akquirieren. Also, ein Schreiben aufzusetzen, darin die Hausfrauenseite kurz
vostellen und dem potentiellen Kunden erklären, weshalb es günstig für ihn wäre,
auf meiner Seite ein Werbebanner zu schalten.
Zumindest sollte ich so ein Schreiben aufsetzen, um eingehende Anfragen zu beantworten.
sogenannte Mediadaten
Tief in mir schlummert die Überzeugung, daß Werbung der größte Humbug überhaupt
ist. Werbepausen im Fernsehen nutze ich als Toilettenpause, oder um mir ein neues Glas Prosecco zu
holen, nach meiner Mail zu schauen, umzuschalten oder schlafen zu gehen. Und wer klickt schon auf
Werbebanner auf Internetseiten???
Keine gute Einstellung, um genau dies zu verkaufen, nicht wahr?
Wenn Sie schon Ihr Geld für Werbebanner vergeuden, können Sie dies ebenso gut mit
einer Bannerschaltung auf der Hausfrauenseite tun.
Nun läge die Idee nahe, die Vermarktung des Bannerraums einfach in die Hände einer
Werbeagentur zu legen. Kurze Zeit funkelte diese Idee wie das
Ei des Kolumbus aber mein
das habe ich nicht nötig kam mir in die Quere, als ich im Vertragswerk die Klausel
entdeckte, daß ich keine Gefälligkeitsbanner mehr schalten dürfte.
Von dem Lisa-Buch würde man auf der Hausfrauenseite nichts erfahren und auch die korrekte
Schreibweise des Wortes
Känguru bliebe
im Dunkeln...
Ausserdem kassieren diese Agenturen ein Heidengeld für Dinge, die ich eigentlich selbst tun könnte.
(hausfrauentypische Argumentation gegen Kindertagesstätten und Haushaltshilfen...)
Mittlerweile verfolge ich die Idee, jemanden zu finden, der die Vermarktung des Bannerraums der
Hausfrauenseite übernimmt. (nicht die Vermarktung der Seite, wohlgemerkt... kleiner, aber sturer
Unterschied in der Formulierung).
Und vielleicht, vielleicht bekomme ich das sogar hin.
Bis dahin wird es auf der Seite auch weiterhin nur Banner von Kunden zu sehen geben, denen es gelingt,
mich zum Einbau ihres Banners und der Annahme ihres Geldes zu
überreden.
Als Eigentümerin eines Antiquariats würde ich vermutlich verhungern...