
die Sache mit dem Kleidchen

Allen guten Vorsätzen zum Trotz ist mein Sohn ein
richtiger Junge. Hatten wir für meine
Tochter viele Bälle besorgt, so werden sie jetzt erst richtig benutzt.
Wer kleinen Jungs nun genau erklärt, daß man gegen Bälle tritt, weiß ich nicht.
Ich war es nicht, aber Oliver hat auch ohne mich begriffen, was
richtige Jungs mit Bällen
machen.
Natürlich sind
richtige Jungs auch grob. So schmust der kleine Kerl zwar sehr gerne,
aber ebenso gerne, und mit dem freundlichsten Lachen, schlägt er plötzlich zu. Nach vielen
pfuis und Klärungsversuchen haben wir Michaela dann
Gegenwehr gestattet, versuchen
es aber selbst noch immer mit lehrreichen Sätzen wie
die Mama wird nicht gerne gehauen!
und drastischer Verbannung vom mütterlichen Schoß.
Auch aus Michaelas Babyzeit stammt ein froßer Vorrat an Spielzeugautos. Oliver geht mit ihnen
ganz anders um, was die durchschnittliche Lebenserwartung von Autos in unserem Haushalt gesenkt hat.
Konnte ich Michaela früher noch mit
schau mal, jetzt ist da was abgebrochen! ausbremsen
und zu sanfterem Umgang überreden, folgert Oliver richtig
Müll!, trägt es
in den Mülleimer und nimmt sich das nächste Spielzeug vor. Irgendwann verkündet er fröhlich:
da auch Müll!, während ich zusammenzucke und überlege, wie ich aus ihm wohl
einen dieser
neuen Männer machen soll.
Sensibel, sanft, ehrlich und der Gleichberechtigung der Frau gegenüber aufgeschlossen?
Vor kurzem habe ich einen Bohrhammer gekauft. Unser Renovierungsbedürfnis und stabile Stahlbetonwände
liessen diese Anschaffung notwendig werden. Ich hatte die Wahl zwischen 3 Modellen. Knappe 100,-
300,- oder 500,- DM.
da, Papa! plapperte Oliver und auch Michaela fragte, ob ich das für
den Papa kaufe. Ertappt steckte ich das Handy wieder weg - eigentlich wollte ich ihn fragen, welches
Modell ich kaufen sollte - und griff entschlossen zu der mittleren Preisklasse.
Nein, das ist meiner!,
sagte ich. Noch einmal für Oliver
Mamas Bohrhammer! Nur um seine Erziehung nicht zu
ruinieren, werde ich auch mal ein Loch damit bohren. Ich mag den Krach nicht... Aber gut, ich werde
nächstes Jahr auch vor seinen Augen die Winterreifen vom Auto rupfen und die Sommerreifen
drauftun. Dieses Jahr kann Felix das noch tun, denn an Sachen vor ihrem 3. Geburtstag können Kinder
sich angeblich nicht erinnern...
Und obwohl ich der Chauffeur der allermeisten Autofahrten seines Lebens bin, fordert er wütend,
daß der Papa fährt, wenn dieser mal dabei ist. Nein, es gab noch keinerlei traumatische
Zwischenfälle, wenn ich gefahren bin. Papa ist eh sein Held, was mir aber doch eher angenehm ist,
denn seine Papa-Verehrung führt dazu, daß ich nichts aber auch gar nichts für ihn
machen darf (
muß), wenn Papi in der Nähe ist.
Ich darf keine Windel wechseln, keine Oliver-Zähne putzen, keine Oliver-Schuhe anziehen,
nicht trösten oder mit ihm spielen. Oh, übles Schicksal...
Felix fragt schon immer, was ich Oliver dafür zahle...
Oliver hat einen sehr sturen Kopf. Wenn ich mich des Nachts doch einmal erbarme und diejenige bin,
die ihn dann morgens gegen 4 Uhr zu uns in das Bett holt, sitzt Oliver so lange schreiend neben seinem
Vater, bis wir ihn wieder zurück bringen und Papi ihn dann wieder zu uns holt.
Sicher wäre es pädagogisch wertvoller, sich diesen Quatsch nicht gefallen zu lassen, aber
morgens gegen 4 Uhr sind wir ungewöhnlich nachgiebig, wenn der Zwerg dann nur wieder ruhig ist
und uns schlafen lässt.
Tagsüber sind wir viel konsequenter.
So hatte Oliver einmal Marmelade an seinen Fingern, als ich gerade im Bad war. Er wollte seine Hände
waschen, konnte aber nicht, da ich die Tür abgeschlossen hatte (und sehr unwillig war, sie zu öffnen).
Felix nahm einen Waschlappen, ignorierte Olivers Protestgeheul und wischte die Finger sauber.
Als ich die Tür öffnete, stand ein vollkommen fassungsloser Göttergatte vor mir, während
Oliver - mit Marmelade an den Fingern - an mir vorbeiging und sich die Hände wusch.
Weißt du, was er getan hat?, stammelte er bleich.
Ich kenne meinen Sohn. Oliver war zum Frühstückstisch gegangen, hatte seine Hand ins
Marmeladeglas gesteckt und wusch sie nun wieder ab.
Was er sich einmal in den Kopf gesetzt hat, wird gemacht!
Der liebe Gott hat dem kleinen Macho aber ein Beinchen gestellt und ihn mit einer großen
Schwester gesegnet. Michaela ist groß und daher das Vorbild in Olivers Leben.
Noch bin ich zwar größer, aber ich bin die Mama und eine Mama ist kein Vorbild, sondern
mehr so eine Art Versorgungs-, Tröst- und Schmuseinstanz mit besonderem Unterhaltungswert, wenn
geschimpft wird.
Vielleicht sollte ich Roller fahren. Michaela kann das nämlich, während Oliver seine
Vormittage damit verbringt, den Roller durch die Gegend zu schieben. Gelegentlich versucht er es
und wenn er dann hinfällt, hebt er kleine Steinchen auf, als sei er gar nicht hingefallen, sondern
habe sich absichtlich zu Boden geschmissen, um genau diese Steinchen aufzuheben.
Michaela hat überhaupt faszinierende Sachen. Haarspängchen zum Beispiel!
Und Kleider!
Absolut erstrebenswerte Besitztümer.
Mit anderen Worten, mein kleiner Macho läuft seit Tagen im Kleidchen herum. Rot weiß gelb
geringelt, dazu seine Jeansjacke und eine blauglitzernde Perlenkette. Wenn man sich dann dreht,
schwingen der Rock und die Kette allerliebst. Hier in der Siedlung haben sich die Leute schnell
daran gewöhnt. Im Gegenteil, die meisten Jungs-Mütter berichten ähnliches.
Im Zoo hat er dann aber doch den einen oder anderen Besucher von der Tierwelt abgelenkt. Ein kleiner
Mensch, der Steine vor sich herkickt und ein Ringelkleidchen trägt.
Eine Frau meinte besorgt, ich solle aufpassen, daß er
nicht schwul wird! und ich konnte
mir gerade noch auf die Zunge beißen.
Ich wette, in wenigen Jahren wird er mir die tollsten Sachen versprechen, wenn ich nur das Foto
von ihm im Ringelkleidchen wieder abhänge...