
Wenn Kinder reisen

Gestern fing es an, mir hier so richtig zu gefallen - es schneite.
heftig!
Das Kitschpanorama verschwand zugunsten einer grautönigen Landschaft. Mich erinnerte das an
den Wetterumschwung auf Menorca, als Michaela ein Baby war und wir dachten,
anständige Familien mit Kindern
müßten ihren Urlaub im Warmen verleben. Eine Woche lang hatten wir zwar gut gelaunt,
aber doch irgendwie vollkommen deplaziert vor unserem Bungalow verbracht. Michaela planschte im
Schatten in einem aufblasbaren Bötchen und wir lasen, während Heerscharen in knallbunten
Badeklamotten den Weg durch die Gluthitze zum Strand antraten, den wir nur abends besuchten.
Auch dort fehlte mir das
Echte. Die einzigen Einheimischen, die man in unserem Urlaubs-Ghetto
auf Menorca sah, wollten unser Geld... In der zweiten Woche zogen Wolken auf und gelegentlich nieselte
es. Gutgelaunt machten wir Ausflüge, entdeckten die durchaus vorhandenen Schönheiten Menorcas,
einen wunderbaren, windumtosten Leuchtturm, viele Schafe, Stellen an denen man kaum wenden kann und
daß wir künftig gleich Urlaubsländer mit Regengarantie besuchen werden.
Aber diesmal fällt Felix mir in den Rücken. Statt verzückt in den Schneesturm zu blinzeln,
redet er plötzlich von
gespurten Loipen. Er hat diesen
der Berg ruft-Blick, kühle
Entschlossenheit, die Strecke meines Vaters in nur 24 Minuten zu schaffen. Wobei, Berge sind nicht
seine Spezialität. Gestern verkündete er stolz, der Ski-Lehrer habe ihn gelobt.
Findet der das denn gut, wenn du hinfällst???, fragte Michaela und ich wäre fast
an meinem Brötchen erstickt, weil ich so lachen mußte. Urlaub mit Kindern...
...bedeutet, morgens sehr früh geweckt zu werden. Früher galt ich als Frühaufsteher.
Aber das war vor den Kindern. Vermutlich wecken sie mich nur ca. 3 Minuten vor meiner natürlichen
Aufwachzeit, aber selbst diese 3 Minuten kann man vermissen. Ausserdem ist es ein dicker Unterschied,
ob man aufwacht, Kaffee kocht, ein wenig liest, ein wenig am Computer werkelt, Handarbeiten macht,
spazieren geht, Freunde in Cafés zum Frühstück trifft (Himmel, ist das lange her...)
oder ob man davon geweckt wird, daß sich zwei Kinderlein, von denen eines nach Häufchen
duftet, heftig um eine Stoffpuppe streiten, der sie sonst keinerlei Beachtung schenken.
An guten Tagen wird man durch angeregte Plaudereien geweckt. Kleinkinder können soviel reden, daß
zu befürchten steht, daß sich die elterlichen Gedanken in rosa schillernde Seifenblasen
auflösen. Schon einmal tagsüber mit einer Mutter telefoniert?
Weißt du, ich habe noch einmal über deinen Vorschlag nachgedacht und mir ist
da etwas viel besseres eingefallen - eine geniale Idee - wir werden reich!
Oliver, nimm das sofort aus dem Mund!!!
Nebenbei bringt meine Idee tatsächlich den Weltfrieden, löst alle Umweltprobleme und
Hungernöte!
Nein, Michaela! Wenn du Oliver nicht sofort wieder aus dem Schrank lässt, darfst du
heute kein Sandmännchen gucken!
Warte, ich erklär es dir...
Oh, kannst du gerade Oliver mal Hallo sagen? Red einfach auf ihn ein, er antwortet nicht,
liebt es aber, wenn jemand mit ihm telefoniert...
Oliver, jetzt gib mir bitte den Hörer wieder! bitte!
Möchtest du Michaela nicht auch eben mal Hallo sagen?
Michaela! Du solltest ihm nicht unbedingt sagen, daß er ganz schön zugenommen hat!
Kann denn nichts unter uns bleiben, was Papa und ich mal gesagt haben?
Also, das tut mir leid, das hatten wir ganz anders gemeint...
Ja, meine Idee... Moment, wie war das?
Oliver! Leg sofort das große Messer wieder in die Schublade!
Ähm, wen hatte ich jetzt gleich am Telefon? Idee? Ich hatte eine Idee?
Michaela, wer hat dir erlaubt an meinen Nagellack zu gehen???
Du, ich muß jetzt auflegen, aber es war schön, endlich mal wieder was von dir zu hören!
Mit Kindern in den Urlaub zu fahren, bedeutet lieber gemütlich selbst zu kochen, als essen
zu gehen. Essen gehen - umgekippte Saftgläser und Kinderärmel auf dem immer gleichen
Kinder-Nudel-Teller mit knallroter, sicher nicht herauswaschbarer Sauce - oder schallendes Kindergelächter,
wenn elterliche Gläser kippen und elterliche Ärmel im Teller landen, wenn sie versuchen,
derartige Missgeschicke bei ihren Kindern zu verhindern.
Es bedeutet, daß Mami mit verkniffenem Mund am Tisch sitzt und versucht den Nachwuchs mit
finsteren Blicken im Schach zu halten, während Papi sich mit dem üblen wie hast du
eigentlich unsere Kinder erzogen???-Trick aus der Affaire zu ziehen sucht.
Die Stimmung brodelt und an den Nachbartischen werden Entschlüsse gefasst, niemals Kinder zu bekommen,
oder sie ein wenig zu erziehen...
Oder man bekommt die mitfühlenden Blicke älterer Pärchen, die das alles schon hinter sich
haben. Die Zeit vergeht so schnell!, sagen diese Blicke freundlich und leicht sentimental. Obwohl,
ihre Kinder waren natürlich so frech nicht... (die Erinnerung verklärt).
Ich habe irgendwann beschlossen, daß ich im Restaurant nicht erziehe, sonder geniesse. Vermatschte
Ärmel? Was soll es? Dass meine Kinder zielstrebig alle leckeren Brocken von meinem Teller betteln,
macht nichts, da ich doch moppelig genug bin. Herabfallendes Besteck stört doch keinen großen
Geist, wie Karlsson sagen würde und Gläser werden einfach nicht so weit gefüllt, daß
sie zu große Überschwemmungen anrichten können.
Ich bin Supermami, ich habe alles im Griff!
Gestern hat Oliver dann ein Stück von seinem Glas abgebissen. Einfach so...