
die Hausfrau in der Schweiz

Drei Tage sind wir jetzt hier und unser Hauptthema ist mittlerweile, welche Knochen uns nun am
meisten wehtun. Dabei halte ich es wie Alfred Hitchcock, der gerne im Nachbarort seinen
Urlaub verbrachte und sich rühmte, niemals irgendwelchen Wintersport getrieben zu haben.
Michaela verbringt ihre Vormittage in einem Ski-Kindergarten, während Felix einen Langlaufkurs mitmacht
und ich Oliver auf dem Schlitten durch die Gegend ziehe. Über die feste Schneedecke läßt
sich so ein Schlitten zwar wunderbar ziehen, daß es dennoch anstrengt, merkte ich, als ich mir
eine Haarsträhne aus dem Gesicht schieben wollte und den Arm nicht mehr so hoch heben konnte.
Wenn gerade keiner hinschaut, ziehe ich eine Augenbraue hoch und widme meiner Umgebung skeptische
Blicke. Habe ich schon einmal erwähnt, was ich von sogenannten
Urlaubsorten halte?
Ich gebe zu, es bedurfte nur geringer Anstrengung, mich hier einzuleben und
den unbestreitbaren
Vorteil eines Wintersportortes zu entdecken:
Hundekackis werden innerhalb kürzester Zeit steinhart!
Und ja, Schlitten lassen sich wunderbar einfach ziehen.
Meistens blinzle ich mit fröhlichem Grinsen in die Gegend, denn wir verleben hier einen Traumurlaub,
von dem andere eben nur träumen können. Gelegentlich taucht nämlich ein Dukateneselchen
auf und zahlt mal eben alle verfügbaren Rechnungen. Eine Angewohnheit meines Vaters, die mich
hier nur pro forma protestieren lässt. Alleine Michaelas Ski-Schuhe und Skier sollen am Tag
20,- Franken kosten *kreisch*
Ohne
den Opa würde ich ihr sehr vernünftig erklären, daß es vollkommen
unsinnig ist, diesen Sport zu lernen, da in Köln niemals genug Schnee oder Berg vorhanden sein
wird, dieses Können anzuwenden.
Statt dessen sitze ich also am Hang und beobachte beglückt lächelnd, wie in der Ferne
gelegentlich der Beste aller Göttergatten auf den Boden plumpst, während meine Tochter
nach einer gekonnten Hangabfahrt gegen einen Zaun klatscht. Dann lobe ich, wie toll die Abfahrt
schon klappt, greife sie unter den Achseln, zupfe sie wieder aus dem Zaun und schubse sie wieder
in Fahrtrichtung.
Das Lächeln hat sich gelohnt, denn plötzlich keucht eine Stimme neben mir
nur 26 Minuten!
Unverständlich, daß ich mit ihm verwandt bin.
Dieses Jahr wird er doppelt so alt wie ich, aber sein größtes Hobby dürfte es sein,
jüngere Männer hinter sich zu lassen. Felix droht Übles, sobald er seinen
Anfängerkurs hinter sich hat und sich auf die Piste traut - denn im Leben meines Vaters ist
weder der Weg das Ziel, noch das Ziel selbst das Ziel, sondern die Zeit in der angestrebte
Ziele erreicht werden. Eigentlich erwartete ich mit einem
wir haben die Strecke diesmal in
nur 6 Stunden geschafft! begrüsst zu werden, was aber ausblieb. Wir haben für die
Strecke übrigens 10 Stunden (mit Pausen) gebraucht und den Erfolg unserer Erziehungsbemühungen
daran gemessen, daß unsere Kinder nicht eine einzige Träne vergossen und nur ein einziges
Mal gefragt haben. Die magische Frage, die nervigste Frage der Welt:
wie weit ist es denn noch???
Hier ist alles hervorragend organisiert - es gibt eine Loipe für jene Langläufer, die
im klassischen Stil Langlauf betreiben, eine glatte Bahn für diejenigen, die
Skaten und
dann noch eine Bahn für dankbar lächelnde Hausfrauen, die ihren Nachwuchs hinter sich
herziehen. Unterscheiden kann man die verschiedenen Spuren auch recht einfach. Die eine Loipe
wird jeden Abend nachgezogen - so eine Art negativer Eisenbahnschiene, daneben dann die glatte
Bahn für die Skater - beides mit gelben Stangen gekennzeichnet.
Die Fusswege dagegen wurden mit roten Stangen und viel Hundepipi markiert.
Heute marschierte ein Ehepaar mit einem stolzen Afghanen vor mir her, der es als seine heilige
Pflicht zu empfinden schien, jede einzelne Stange zu markieren, was Oliver jedes Mal mit
da bah! kommentierte.
Felix hatte beim Erreichen von
Heidiland (da stand tatsächlich ein Schild!) wohl erwartet,
daß sich Olivers und Michaelas Husten in Wohlgefallen auflösen würde. Schliesslich
konnte Klara auch in kürzester Zeit wieder laufen... Statt dessen hat Oliver seine Hustenanfälle
nun zwar seltener, dafür aber deutlich heftiger, weshalb ich das großherzige Angebot
meines Vaters, ihn mir doch mal einen Vormittag - ähm, eine Stunde - naja, eine Weile... -
abzunehmen, oder ihm auch einen Kurs zu spendieren???, ablehnte.
Nichts da!
Nicht ohne meine Hustinette, beharre ich trotzig und folge den vorgewalzten Wegen.
Dies ist zwar eindeutig nicht
mein Urlaub, macht aber trotzdem viel Spaß. Ich wollte schon
immer mal in einer Kuckucksuhr wohnen... Der einzige Kurs aus dem reichhaltigen Angebot, der mich gereizt hätte wäre der "Ski-Wachs-Workshop" gewesen.
Das klang nach einem gemütlichen, wenig anstrengenden und blaue Flecken bringendem Spaß, scheiterte
aber leider an der Voraussetzung, daß ich eigene Skier hätte mitbringen müssen.
Noch mehr Spaß ist es dagegen, daß Felix der Meinung zu sein scheint, ich käme hier zu kurz
und sich dann voll des schlechten Gewissens nachmittags verstärkt um die Kinderlein kümmert.
Bisher habe ich hier eine einzige Windel gewechselt!
Wenn er das liest, bekomme ich Ärger...
Ausserdem habe ich eine wunderbare Strassenkreuzung gefunden, bei der die Unfallquote ungewöhnlich hoch
liegt. Nein, ohne KFZ-Beteiligung - so krank bin ich dann doch nicht. Aber gelegentlich einen Helden
im Sportdress plumpsen zu sehen und vor allem die Blicke der anderen Helden im Sportdress, ist ein
Vergnügen für sich.
Morgen nehme ich die Digi-Kam mit und verdiene mir eine goldene Nase damit, die Bilder wieder zu löschen -
gegen entsprechendes Bestechungsgeld natürlich...
Wobei ich hochdankbar bin, daß mein Vater den seltsamen Hang einiger zu Pastell- oder Neontönen
nicht teilt. Mein Favorit auf der Piste ist
Miss Piggy. Eine Dame mit langem, blonden Wallehaar, der
es gelungen ist, eine atemberaubende Kombination aus zartrosa und pink in Grösse 54 zu erstehen.
Wirklich demütigend an ihr ist, daß sie scheinbar einen Motor im Hintern hat und all
die sportlichen Figuren locker abhängt.
Wenn die noch ein einziges Mal an mir vorbeigewalzt kommt, bringe ich sie um, zischte eine
Stimme, die aus einem geschmackvollen Ensemble aus schwarz mit roten Akzenten und gelben Schuhen kam.
Ich finde das alles urkomisch und würde mich nicht eine Sekunde wundern, wenn ich plötzlich
kichernd in meinem eigenen Bett daheim in Köln aufwachen würde.
Schatz, weißt du
was ich geträumt habe?
Und dann diese Berge!
Imposant, atemberaubend etc...
Ich komme mir vor wie in einem Bergfilm!
Durch Wales bin ich an Berge gewohnt, die oben flach sind, während die Berge hier oben spitz
zulaufen und natürlich wie der ganze Rest schneebedeckt. Obwohl ich ja nun mittendrin sitze,
sind sie so weit weg, daß es genauso gut Kulissen sein könnten. Sie sehen aus wie Kulissen!
Zu perfekt pour moi...

Der Blick aus unseren Fenstern ist nahezu geschmacklos - als hätten wir überall kitschige
Kalenderblätter aufgehängt. Knallblauer Himmel, Sonne, schneebedeckte Berge - und dann
diese putzigen Häuser mit den vielen Fensterläden. Schneebedeckte Dächer natürlich.
Unser Nachbar hat eine riesige Kuhglocke im Fenster. Vorherrschende Stilmittel sind hier klobige
Holzdinger mit Metallbeschlag. Es fehlt nur eine Dauerberieselung aus jodeliger Volksmusik.
Habe ich schon die Pferdekutschen mit Glöckchengebimmel erwähnt?
Es ist perfekt hier - ja - viel zu gut für eine moppelige Hausfrau.
Weshalb fühle ich mich nur so wie an dem Tag, als mir Freunde ihr neues Wohnzimmer
vorgeführt haben? Eiche rustikal, mit riesiger Fototapete - blühende Gebirgslandschaft im
Sommer. Die ganze Hinfahrt hatte ich mich mental darauf vorbereitet - wußte ich doch, wie lange
die beiden auf diesen Traum gespart hatten. Ich hatte es damals geschafft, meine Augen und
auch meine Stimme im Griff zu behalten - ich schaffe es auch diesmal!