
Ostwind

Gestern war es so weit.
Zumindest habe ich es gestern mitbekommen - vielleicht hat es auch schon einige Tage zuvor begonnen.
Ostwind - der Herbst verliert das Spielerische, und macht nun Ernst. Die Tage des fröhlich bunten
Raschellaubes sind gezählt. Noch hängen einige Blätter in den Ästen und vielleicht haben
wir ja Glück und sie fallen an trockenen Tagen. Der Regen und die Kälte werden dem Laub am Boden
jedenfalls die Unschuld rauben und es in unansehnliche schwarze Blattleichen verwandeln, die ich schleunigst
zusammenharken sollte, wenn ich nicht will, daß das Gras darunter erstickt. Beim Harken kann ich mich
ja an den Gedanken klammern, daß im Frühling überall bunte Krokusse auftauchen werden.
Zumindest habe ich gleich 6 Aldi-Packungen hier und da und dort - und da drüben auch - verbuddelt.
Mit dem Ostwind kommt die Kälte, kommt der Geruch nach Schnee,
wobei Schnee hier in Köln nur selten wirklich schön ist. Dicke weiße Flocken, die man mit
der Zunge auffängt oder mit den Händen von den Autos klaubt und dem Nachbarn in geballter Form
in den Nacken wirft, sind hier selten.
Normal ist dieses gefrorene Abwaschwasser, was am Boden sofort auftaut und sich mit den Pfützen verbindet,
denen man tunlichst aus dem Weg gehen sollte und sie doch als Flecken in der Kleidung wiederfindet.
Stadtverwaltung sei dank, haben wir dann wieder überall kleine Steinchen herumliegen - in echten
Schneegegenden mögen sie Glatteis verhindern und Schneedecken befahrbar machen. Hier wird das Zeug
nur ausgestreut, damit es in den Rillen der Schuhe steckenbleibt und wir andern Leuten damit das
Parkett zerkratzen können.
Ausserdem wird es als Rache für jene Fussgänger gestreut, die sich durch Autofahrer plötzlich
von riesigen Pfützenflutwellen bedroht sehen. Die Autos wirbeln die Steinchen dann bei Trockenheit wunderfein auf
und verkratzen sich gegenseitig den Lack.
Man, man, man - wer noch keine Herbstdepressionen hatte, bekommt sie jetzt langsam...
Dabei fing mein Tag gestern richtig gut an.
In einem Schwimmbad sammelte ich erste Toilettenerfahrungen mit Jungs. Oliver war nämlich aus dem
Babybecken gestiegen und zerrte an seinem Badehöschen. Schnell wie ein Kugelblitz hatte ich ihn
gepackt und in die Toilette getragen. Hoffentlich verkraftet er später den Gedanken, die ersten
Jahre seines Lebens in öffentliche Damentoiletten geschleppt worden zu sein...
Auf der Toilette hatten wir dann einen überraschenden Teilerfolg. Es wäre ein Triumph gewesen,
wenn ich schon Erfahrung mit Jungs auf Toiletten gesammelt hätte.
wenn ich so weitermache, landet meine Seite noch auf dem Index für jugendgefährdende Seiten...
Wenn man ein Mädchen auf eine Toilette setzt, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen - bei Jungs
kann man so einer Art
Springbrunnen-Effekt begegnen. Oliver meinte voll glückseligem Staunen
daaaaa!,
während ich nur noch gekichert habe und künftig darauf achten werde, daß gewisse Körperteile
nach unten weisen. Glücklicherweise waren Duschen nebenan...
Und ich bin auch ganz glücklich, daß Oliver zum Winter hin Interesse an Toiletten bekommt.
Ganz besonders, wo ich gerade einen Schwung entzückender Bodies in einer Größe 116 ergattert habe.
Ob es ihn irgendwo traumatisiert, wenn ich ihm künftig die Marienkäfer-Höschen mit Spitze,
aus denen seine große Schwester gerade herausgewachsen...
Ich habe sie schon aussortiert und werde brav schauen, ob ich welche mit Autos, U-Booten, Löwen und
vor allem, sicher ganz wichtig - mit Schlitz... bekomme. Natürlich bin ich nie zufrieden - es ist
gerade mal eine Geschichte her, daß ich betont habe, wie unpraktisch einteilige Winteranzüge
sind, wenn der Träger keine Windeln am Hintern hat. Und schliesslich wollen wir im Februar einmal
richtig viel und richtig richtigen Schnee sehen und fahren in die Schweiz. Vielleicht kommt Ihr dann in
den Genuß lustiger Geschichten, was uns alles auf eiligen Wegen zu nächstliegenden Toiletten
aufhielt...
Ok, ok, noch ist es nicht so weit.
Gestern war ich bei meiner Schwester. Abends stapften wir beide einen Berg hinauf in den Wald,
tauschten uns über die wahnsinnig wichtigen Alltagserlebnisse aus und versuchten eine Terminplanung
für Weihnachten auf die Beine zu stellen. Diesen Monat wird sie 40. Das muß man sich auf der
Zunge zergehen lassen und versteht es doch nicht. Genau wie den Satz:
diese Woche habe ich die
Michaela bei der Schule angemeldet. Ich habe den Satz eben ausprobiert, als ich mit
Julian telefoniert habe.
Diese Woche habe ich die Schulanmeldung für Michaela ausgefüllt!
Die Reaktion war ein unbestimmtes Schweigen, als würde er noch auf die Pointe warten.
Meine Schwester wußte, was ich meinte, als ich den Satz bei unserem Spaziergang brachte.
ja, ja, unglaublich, wie die Zeit vergeht Aber vielleicht ist sie durch die nahende 40 auch
so sensibel. Ich habe sozusagen das Glück der späten Geburt. In den nächsten beiden Jahren
werden meine beiden anderen Schwestern auch 40. Jedes Jahr eine - dann passiert gute 5 Jahre nichts
und dann trifft es mich. Aber abgemildert, denn die Älteste wird mir in der Zeit schon wieder
erzählen, die 40 sei doch ein Klacks, schliesslich würde sie bald 50...
Ich weiß das, denn eigentlich läuft jedes Jahrzehnt so ab ;-)
In meiner Kindheit konnte ich keinerlei Vorteile an drei Schwestern erkennen. Zumindest keine an
meinen drei Schwestern... Aber mittlerweile sehe ich, daß sie mir das Altern erleichtern.
Was soll es, daß ich
ein graues Haar in meiner blonden Mähne entdeckt habe, wo ich
auf dem Haupt meiner Schwester kaum noch ein braunes entdecke. Wenn ich ihr noch einmal erzähle,
daß ich es Klasse finde, wie sie mit Würde altert, färbt sie sie aber vielleicht
doch noch ein...
Herbst, der Winter, der nahende Jahreswechsel - in diesem Falle halten ihn auch einige für das Ende
dieses Jahrtausends - reizt wohl den Ist- mit dem Sollbestand zu vergleichen. Wo bin ich und wo wollte ich
eigentlich hin?
Beliebt sind so tiefsinnige Diskussionen, ob ein Leben ohne, oder nur mit einem Kind Sinn hat. Da wir gleich
zwei Kinder haben und beide geplant sind, wähnt man mich auch auf dieser Seite.
Bin ich aber nicht.
Ich kann Frauen gut verstehen, die kein Kind bekommen oder nur eines.
Ich kann aber auch Frauen verstehen, die 3, 4 oder noch mehr bekommen.
Was für eine Idee, derartige Entscheidungen in gut, schlecht, richtig oder falsch einteilen zu wollen?!
Wobei ich ein Auge habe für die schönen Dinge in meinem Leben. So wie ich jetzt davon überzeugt
bin, den für mich richtigen Weg gewählt zu haben, wäre ich davon sicher auch überzeugt,
wenn ich nicht geheiratet und die Kinder bekommen hätte.
In meinen Augen ist das Leben keine leere Schale, die man mühsam mit Sinn, Inhalt und Werten füllen
muß. Ein neuer, ganz besonders tiefsinniger Vergleich von mir, wäre der mit einem Loch,
das man in den Strand buddelt, welches sich umgehend wieder mit Sand und Wasser füllt.
So bin ich dank der Kinder in der Lage Parties schon 6 Wochen im voraus abzusagen, weil ich keinen Babysitter
habe. Was falsch formuliert ist, denn es klingt so, als wäre ich nur zu träge aus dem Heer der
Babysitter einen herauszuangeln, der an dem Abend Zeit hat.
Als Mutter kann ich aber auch ganz spontan sein und Parties gleichtägig absagen, weil eines der
Kinder beschlossen hat, einen Fieberrekord aufstellen zu wollen...
Nein, ich sehe die Nachteile meines Mutterdaseins schon, aber ich starre sie nicht unentwegt an, sondern
genieße lieber die Sonnenseiten daran.
Allerdings tun 6 Jahre Erziehungsurlaub meiner Karrierre nicht unbedingt gut. Mein Arbeitgeber hat
die putzige Idee, mich einem anderen Arbeitgeber andrehen zu wollen, der mich in einem putzigen
Customer Care Center unterbringen würde.
Wenn ich scharf auf eine schwachsinnige, amerikanische Berufsbezeichung wäre, könnte ich
bei Mc. Donalds anfangen...
Irgendwie mußte ich mir nach diesem Tiefschlag doch etwas beweisen und so erlebt man die Hausfrauenseite
derzeit von oben bis unten mit Werbebannern zugekleistert. Keine Ahnung, was ich nun damit bewiesen habe,
aber zumindest war ich gründlich!
Wenn man das Bedürfnis verspürt, sich etwas zu beweisen, weiß man wohl in den
seltensten Fällen, was man damit eigentlich meint... Aber vielleicht wollte ich mir nur verdeutlichen,
welche Alternativen ich zu "Customer Care Centern" habe.
Da fällt mir ein, daß der Herbst und der Winter eine ganz hervorragende Zeit ist, im
Badezimmer Kerzen anzuzünden, eine heißes Bad einzulassen, eine Packung meiner Lieblings-
Schokokekse und ein gutes Buch zu verschlingen.
Oder Amaretto in den Kaffee zu kippen, viele Bleche Plätzchen zu backen und ein neues
Stickbild zu beginnen... (oder eine niegelnagelneue Wunderdiät...)