
Gespickter Aal
Spickaal ist noch auf mancher Speisekarte zu finden, verriet mir mein Reiseführer und
weiter ging es mit einer sehr anschaulichen Beschreibung, wie man Aal mit Hilfe eines Pferdekopfes
fängt.
Ich habe mich leise geschüttelt und beschlossen, auf Rügen keine Aale zu fangen. Allerdings
kam ich nicht darum herum, mich einmal mit einem toten Aal auf meinem Teller zu beschäftigen.
Sagen wir es so:
der Beilagesalat und die Bratkartoffeln waren lecker und der Wein vereinfachte das Schlucken.
Eigentlich bin ich kein problematischer Esser. Ich mag fast alles und wenn ich etwas nicht mag,
vermag ich doch zumindest eine Miniportion ähnlich irgendwelcher Tabletten unauffällig
und ungekaut zu schlucken.
Auf meiner eigenen Hochzeit saß ich zum Beispiel fröhlich lachend vor einem quietschrosa
Stück Hochzeitstorte und wußte, daß einfach kein Weg an ihr vorbei führte.
Mein Vater hatte uns eine Freude bereiten wollen mit diesem dreistöckigen Dings - und es gab leckeren
Sekt dazu. Erst, als ich mein Stück geschafft hatte, fiel mir auf, daß einige der Gäste, die
erst nach uns in den Genuss der Torte kamen, versehentlich ein Stück Satinband mit in den Mund
gesteckt hatten, was ihnen nun beim Kauen auffiel.
Ich denke mal, an meinem Stückchen war kein Band - allerdings war mein Teller der einzige, auf
dem hinterher kein rosa Band zu finden war. Spontan beschloss ich zu behaupten, daß ich es zur
Erinnerung aufbewahren wollte, falls ich gefragt wurde - aber natürlich fragte niemand.
Es gab sogar Gäste, die freiwillig mehrere Stückchen nahmen - lag es daran, daß sie
Torte so mögen, oder daß sie einfach nicht wußten, daß wir das Buffet schon recht
bald danach eröffnen würden?
Zurück zum Aal. In ihm vermutete ich keine harmlosen Satinbänder, sondern Gräten und
die Erfahrung hat mich gelehrt, diese Dinger nicht mehr einfach zu schlucken. Die anschauliche
Beschreibung dieser Erfahrung spare ich mir nun aber lieber.
Es war bestimmt ein netter Anblick für die auf der Binzer Promenade schlendernden Leute, wie
an einem Tisch zwei tapfer lächelnde Menschen an ihrem Aal herumstocherten. Ich versuchte
unauffällig ein kleines Stück an einen verfressen wirkenden Hund zu verfüttern, der
aber beleidigt den Schwanz einklemmte und mit leisem Jaulen an einen anderen Tisch betteln ging.
Selbst die Spatzen ignorierten das
versehentlich heruntergefallene Stück Aal.
Die Rüganer haben den Fisch vermutlich nur deshalb zur Spezialität erklärt, um ihn
an die dummen Touristen verkaufen zu können...
So schön die Woche auf Rügen war - und sie war sehr schön, der Aal war das einschneidende
Erlebnis überhaupt.
Heute berichtete ich einem Bekannten aus Hamburg ganz stolz, daß ich erstmals Aal gegessen habe,
woraufhin er natürlich sofort fragte, ob ich wüßte, wie man in Polen Aale noch heute
fängt.
Ich konnte ihn nur knapp von einer Beschreibung der Pferdekopfmethode abhalten.
Aber ich habe es bereut - ich denke, mir wäre nicht so seltsam geworden, wenn er dies erzählt
hätte, als mir dann wurde, als er fröhlich schwärmte, daß es doch nichts
Besseres gibt, als früh morgens auf dem Hamburger Fischmarkt Aal zu essen und dann
einen
trinken zu gehen.
bah!
Sollte ich je nach Hamburg kommen, werde ich ihn beknien, daß wir erst
einen trinken gehen
oder zwei oder drei. Anders bekommt mich keiner mehr in die Nähe toter Aale!