Die durchschnittliche deutsche Frau bekommt 1,7 (natürlich eheliche !!!) Kinder mit einem Altersabstand
von 2,5 Jahren, gemischtem Geschlechts (den Jungen zuerst) und wenn Kind Nummer 2 dann 3 Jahre alt ist, geht frau
halbtags arbeiten um nicht zuhause als Hausmütterchen zu verblöden - soweit das Ideal.
Nun zu mir :
Mein erstes Kind bekam ich mit 19 Jahren, unehelich und ein Mädchen war es noch dazu.
5 ½ Jahre später hatte ich es dann endlich geschafft mich gesellschaftlich einigermaßen hochzuarbeiten:
ich war verheiratet (sogar mit dem Vater des Kindes !!!!), hatte eine Lehre abgeschlossen, arbeitete
halbtags und war schwanger mit Kind Nummer 2 und das war dann quasi als Belohnung auch ein Junge, so dass
ich ein Pärchen hatte und rund um glücklich sein durfte.
Menschen aus meinem gesellschaftlichen Umfeld, die es gut mit mir meinten, beglückwünschten mich zu meinen
Pärchen-Kindern und flüsterten mir verstohlen zu, dass es jetzt aber genug sei, gell, zwei Kinder reichten?!
Als mein Sohn etwa 6 Monate alt war, da regten sich meine Hormone plötzlich wieder, meine stark
ausgeprägten Mütter-Hormone. Es bedurfte langer Gespräche mit meinem Mann um mich davon zu überzeugen,
dass es völliger Wahnsinn ist, mehr als zwei Kinder zu haben:
· die finanzielle Belastung
· mangelnder Wohnraum
· Eltern, die keine Nerven für noch ein Kind und seine Macken haben
· die gesellschaftliche Ächtung
· und das moralische Abseits, in das wir unsere Kinder stellen würden
Ich gab nach, trug meinen Kinderwunsch zu Grabe, bis ......
...... bis ich weitere 6 Monate später bei meinem Frauenarzt zur Kontrolle war, es sollte der korrekte
Sitz meiner Spirale überprüft werden.
Der Arzt taste mich ab, sein Gesicht verzog sich und er sagte : ohohhhhh (damals gab es noch keine
Teletubbies, aber der Gesichtsausdruck, der Ausspruch - Leute, ich hätte Millionen scheffeln können...).
Ohohhhhhh - was ??? fragte ich.
Ohoooooohhhhh - ihre Spirale ist nicht mehr da, wo sie sein soll, runtergerutscht ! klärte er mich auf.
Ich mach es kurz - er zog die Spirale dann ganz raus, ich machte eine Woche später einen
Schwangerschaftstest und der war positiv und mein gesellschaftlicher Ruf dahin, ruiniert, unten durch
*seufz*
Es begann ein Spießrutenlauf wie ich es mir kaum vorgestellt hätte: egal wem ich erzählte, dass wir
noch ein Kind bekommen würden, derjenige wurde im Nullkommanix zum Komiker, ließ einen flotten Spruch vom
Stapel oder überschüttete mich mit witzigen Kommentaren, ich konnte oftmals das Lachen kaum unterdrücken:
· "Habt ihr keinen Fernseher ??"
· "MUSSTE das denn sein ?"
· "Das war ein Unfall, gelle ???"
· "Zu blöd zum Verhüten ??"
· "Wirst du es auch noch bekommen ???"
· "Was sagen denn die anderen dazu ???"
Es kam soweit, dass ich mich mit der Ankündigung auf mein drittes Kind gleich dafür entschuldigt habe
"..., aber es war ein Unfall, Spirale war verrutsch !"
Es war irgendwann im 6.ten Monat meiner gesellschaftlich untragbaren Schwangerschaft, als ich in mich
ging und darüber nachdachte, was es eigentlich die Kassiererin im Supermarkt angeht, wie ich versucht habe
zu verhüten. Ich dachte darüber nach, was es alle anderen Leute in meiner Umgebung angeht, wie viele
Kinder ich bekomme - wer steht denn in der Nacht auf? Und dann wurde ich richtig wütend, wütend auf
mich, weil ich mich in die Versager-Rolle gefügt hatte und wütend auf all die anderen, die mich da gern
gesehen haben; wütend auf die 2-Kind-Mütter, die verachtend auf meinen dicken Bauch geschaut haben und
wütend auf meinen Körper, der mich erst in diese missliche Lage gebracht hat.
Nur auf einen Menschen war ich niemals wütend : auf mein Baby
Meine kleine Tochter wurde am 4. Januar 1999 geboren, sie hat einen ausgeprägten Dickkopf, setzt ihre
Interessen lautstark durch und für ein gesellschaftliches Fiasko sieht sie mit ihren blonden Löckchen
ziemlich niedlich aus.
Zum blanken Entsetzen meiner Umgebung haben weder mein Mann noch ich uns postwendend sterilisieren lassen
(sicher ist schließlich sicher). Wir haben ein größeres Auto gekauft (wir fahren jetzt VW Bus), wir sind
in eine größere Wohnung umgezogen und haben uns markige Antworten an alle Lästerbacken zugelegt
("Wir machen das wie die Bieber, wir bauen unser Haus mit dem Schwanz !!!").
Um dem finanziellen Kollaps entgegenzuwirken und weil ich ja schon gerne noch mehr Kinder hätte, arbeite
ich als Tagesmutter - ich gebs zu, das beeindruckt den Kollaps kaum, aber mir macht es Spaß.
Seitdem ich selbstbewusster bin, hat sich auch die Haltung der Anderen geändert - ich werde jetzt
bestaunt, weil ich trotz der ständig wechselnden Anzahl Kinder um mich herum (aber viele sind es immer)
nicht zum kettenrauchenden Nervenbündel mutiert bin.
Auf die aufmunternde Frage, wann denn das nächste Kind käme (wer drei Kinder hat, der ist auch für 27
Kinder gut...), antworte ich mit einem Lächeln auf den Lippen: Mal sehen, vielleicht schon bald ??!!
und sie nehmen es hin......
Und siehe da, in meiner Krabbelgruppe outen sich plötzlich immer mehr Mütter als potentielle
3-Kinder-oder-noch-mehr-Wünscherinnen, wir rotten uns zusammen !
Jetzt fragt ihr euch vielleicht, ob ich wirklich noch ein 4.tes Kind bekommen werde, womöglich schon
schwanger bin ????
Schaun mer mal ......
Tin@ am 20.06.01
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