Das Thema kannten wir schon zur Genüge, wieder einmal sassen wir Anfang
1993 mit Freunden beim Essen zusammen und debattierten darüber, in welche
Schule wir unseren bald schulfähigen Kinder einschulen werden. Wir leben in
Lusaka in Sambia und 1993 gab es in der Stadt zwei Schulen, die
internationalen Standards genügten: Eine grosse International School, die
1000 Kinder hat und eine kleine aber feine amerikanische Schule, an deren
amerikanischem Schulsystem wir jedoch wenig Interesse hatten. Die
International School hatten wir mehrfach angeschaut, aber da gab es eben
auch viele Dinge, die uns nicht passten. So waren fast alle Lehrer in der
Grundschule Leute, deren Muttersprache nicht Englisch ist und die daher
einen mehr oder weniger ausgeprägten Akzent sprachen. Für unsere Kinder
ist Englisch erste Fremdsprache und es ist uns wichtig, dass sie die so gut
wie möglich lernen. Wenn wir schon Englisch als Umgangs- und
Unterrichtssprache haben, dann Englisch ohne regionale Einfärbungen.
Wir wollen eine Schule mit kleinen Klassen, 20 ist das Limit, wir wollen
eine Schule, die die Kinder fordert und fördert, wir wollen eine Schule,
die.... Plötzlich war es soweit: Wenn wir in den hier existierenden Schulen nicht das finden, was wir wollen, warum gründen wir nicht eine Schule, die unseren Vorstellungen entspricht - ja WARUM eigentlich nicht!!! Die wichtigste Entscheidung, nämlich die, WAS für eine Schule wir wollen, war schnell gefällt, nämlich die, ob wir eine Deutsche Schule oder eine Internationale Schule für unsere Kinder wollen. Eine Deutsche Schule - nein, eigentlich nicht, deutsche Schulen als solche gibt es nämlich gar nicht und wenn man dann doch eine sog. Deutsche Schule gründen will, muss man sich gleich mal für den Lehrplan EINES BUNDESLANDES entscheiden, also Bayern, oder vielleicht besser Hessen, oder NRW oder was??? - In unserem Fall kam das nicht in Frage, wir wollten es gern international, auch, weil es zu wenig deutsche Familien in Lusaka gibt, als dass es sich lohnte, eine deutsche Schule aufzubauen. Nachdem diese Entscheidung gefallen war, gesellten sich schnell weitere Eltern zu uns, bald waren wir 10 Familien, deren Mitglieder neben ihrer normalen Arbeit all ihre Kenntnisse und Zeit aufwandten, um unseren Plan zu verwirklichen. Da Lusaka relativ klein ist, verbreitete sich die Nachricht, dass wir eine Schule gründen wollen recht schnell, und so bildete sich bald ein grösserer Kreis von Interessenten. Ein Vater arbeitete als pädagogischer Berater für die sambische Regierung und er brachte uns sofort in Kontakt mit dem Europaean Council for International Schools, denn für internationale Schulen gibt es nämlich auch Standards die man tunlichst einhalten sollte, wenn man eine Schule aufbauen will, die dann später auch mal als 'International School' akkreditiert werden will. Der Europaean Council of International Schools (ECIS) ist eine Organisation, die mehr als 100 Internationale Schulen weltweit betreut. Sie veranstaltet z.B. mehrfach im Jahr Job-Börsen für Lehrer und Schulleiter, die im Ausland arbeiten wollen, und sie hat ein kiloschweres Handbuch erarbeitet, indem alle Richtlinien fuer eine Akkreditierung, d.h. eine Anerkennung, enthalten sind.
Auch die nächste grosse Entscheidung war schnell gefällt:
Der Kreis der 10 Familien bildete ein 'Steering Committee', eine Art
ständigen Rat, der jedermann offen stand, der tatkräftig bei den vielen
anstehenden Aufgaben mithelfen wollten, und dieser Rat kam in den Wochen vor
der Eröffnung der Schule manchmal fast jeden Abend zusammen, um die Arbeit
für den oder die nächsten Tage zu verteilen. Für jeden von uns stand
fest, dass wir unsere Kinder am 1. September auf 'unsere' Schule einschulen
werden, und so waren wir enorm motiviert. In unserem ständigen Rat kümmerten sich Väter und Mütter um die Renovierung des Schulgebäudes, es gab Experten, die die ersten Computer installierten und die Telefonleitungen verlegten, Buchhaltungskriterien festlegten und am Wochenende Belege verbuchten und die Abrechnungen machten, die Importe organisierten und überwachten, Möbel entwarfen und bei Tischlern bestellten, - manchmal kam uns die Arbeitsmenge einfach überwältigend vor und das Thema Finanzen war ständig im Gespräch, denn alles musste von uns vorfinanziert werden, und niemand hätte sagen können, ob wir tatsächlich erfolgreich sein würden. Daher war es besonders wichtig, möglichst viele Familien davon zu überzeugen, dass unsere Schule das Beste sei, was sie ihren Kindern mitgeben könnten.
Mit einer Freundin teilte ich mir die Arbeit und wir besuchten zunächst die
Botschaften aller europäischen Länder und die Japans, um unser Projekt
vorzustellen. Aus dem Telefonbuch erstellten wir eine Liste mit den 25
grössten internationalen Firmen und besuchten die Geschäftsführer. An
vier Abenden stellten wir unser Projekt der Öffentlichkeit vor, und bei
diesen Präsentationen stellte sich heraus, dass es für die eingeladenen
Eltern mindestens zwei völlig verschiedene Vorstellungen von der idealen
Schule in Lusaka gab:
Nachdem wir ein Gebäude hatten wurde es dringend Zeit für die Einstellung
der ersten Lehrer. Auch da hatten wir Glück, denn es gab einige
Lehrerinnen, die als mitausreisende Ehefrauen ihrer hier arbeitenden
Männer keine Anstellung angenommen hatten, meist nur deshalb, weil die
ortsüblichen Gehälter kaum ausreichen, die Benzinrechnungen für das hier
dringend benötigte Auto zu begleichen. Wir beschlossen im Rat, in Anlehnung
an andere Internationalen Schulen die dort übliche Gehälter auf US Dollar
Basis zu zahlen. So konnten wir schnell die ersten drei Lehrer einstellen,
die sich sofort an die Arbeit machten, die ersten Bestellungen für
Lernmaterialien zusammenzustellen. Und tatsächlich, am 1. September 1993 eröffnete die Lusaka International Community School, versehen mit einem noch feuchten Stempel der Anerkennung seitens der sambischen Schulbehörde, mit 21 Kindern in 4 Klassen die Pforten. Als wir Anfang Dezember die Weihnachtsferien begannen waren es 76, zu Beginn im Januar 1994 hatten wir schon über einhundert Kinder in einer Vorschulklasse und den Klassen 1 bis 4, und nach Ostern kamen die Klassen 5 und 6 dazu, als wir die Gebäude der amerikanischen Schule nach deren Auszug übernehmen konnten.
Jetzt sind wir 5 Jahre alt, haben 250 Kinder und von der Vorschulklasse bis
Klasse 6 einschliesslich jeweils 2 Parallelklassen, sowie je 1 x 7, 8, und
9. Weiter als bis Klasse 9 wollen wir nicht aufbauen, denn für die
Sekundarstufe II gibts hier eine gute Schule, die neuerdings IB als
anerkanntes Programm anbietet (International Bacchalaureat = das ist ein
weltweit anerkanntes Abitur). Einen Teil der Gebäude unserer Schule konnten wir mittlerweile kaufen und in den Sommerferien 1998 werden wir ein neues Schulgebäude bauen, das die Middle School Klassen (7-9) aufnehmen wird, dazu Labors für Naturwissenschaften und Computer. Der ständige Rat ist längst durch einen erfahrenen Schulleiter, einen Wirtschaftsleiter und 2 Sekretärinnen ersetzt worden und für alle Fächer gibt es in allen Klassenstufen ständig erweiterte Handbücher mit den Lehrplänen, um den hohen Standard der Schule zu sichern. Aktive Elternbeteiligung ist nach wie vor ein wichtiger Teil für die Entwicklung der Schule, die von einem aus Eltern gebildeten Vorstand geführt wird, und natürlich gibt es einen sehr aktiven Elternbeirat. ECIS ist auch weiterhin ein wichtiger Partner für uns, denn wir wollen unbedingt in den nächsten Jahren unsere 'offizielle Anerkennung' erreichen. Auch bei der Suche nach unserem neuen Schulleiter, der Sep. 98 anfangen wird, war ECIS sehr hilfreich, und sie haben viel inoffiziell geholfen, denn ein offizielles Headhunting durch ECIS kostet etwa 20.000 US Dollar, das können wir uns nicht leisten.
Das Schulgeld ist leider immernoch sehr hoch, allerdings brauchen ca. 2
Drittel der Eltern das Schulgeld nicht selbst zu bezahlen, weil es durch die
Arbeitgeber abgedeckt wird. Eine Senkung des Schulgeldes ist jedoch
unmöglich, da wir nur so den Standard mit 'importierten' Lehrern und
Lernmitteln halten können, und lokal gibt es nichts vergleichbares. Dafür
haben wir z.B. eine Leselernmethode, (GINN und Oxford Reading Tree), die ich
zu gern jedem deutschen Kind gönnen wuerde, denn es erzieht Leseratten. Ab
dem Vorschulalter bekommt jedes Kind jeden Tag ein Buch mit nach Hause, das
es liest, im Vorschulalter sind es zunächst mal ca. 100 verschiedene
Bildgeschichten, die die Kinder mit den Eltern zusammen anschauen und die
Kinder lernen sofort, die Geschichte zu den Bildern zu erzählen. Wenn dann
in den nächsten 100 Büchern plötzlich bis zu 20 verschiedene Wörter in
den Geschichten vorkommen ist das Lesen schon fast automatisiert. Die
Geschichten sind allesamt wunderschön bebildert und die meisten sind auch
richtig spannend. Da gibts Serien über die Familie mit Kipper, dem
naseweisen Sohn, Serien über Hunde, Katzen, Ponies, Dinos, Raumschiffe, ein
Tierheim, eine indische Familie. Und jede Lesestufe hat wieder 100 bis 200
neue Bücher parat.
Ausserdem ist die Schule Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens vieler
Kinder, es gibt Rollerdiskos, Kinovorstellungen, Folkdance Abende, Proben
für Theateraufführungen etc. denn vor allem für grössere Kinder gibt es
in Lusaka kaum öffentliches Leben und Angebote. So verlagert sich das in
die Schule, sehr zum Vorteil der Schule. Für die Zukunft hoffen wir ausserdem, dass wir auch für die Middle School Parallelklassen einrichten können und dass wir den wichtigsten Meilenstein, die Anerkennung durch ECIS, bewältigen. Das ist ein langer Prozess, der viel Arbeit beinhaltet und sehr teuer ist, aber wenn wir uns weiterhin ranhalten, koennten wir bis zum Jahr 2000 die Anerkennung schaffen. Wenn wir 1993 gewusst haette was es bedeutet eine Schule zu gründen, dann wäre es wahrscheinlich nie dazu gekommen. Manchmal gab es Abende, da wussten wir nicht, woher wir das Geld für die ankommenden Bücher nehmen sollten, und machten uns grosse Sorgen um unsere eigene wirtschaftliche Existenz, denn es gab Zeiten, da mussten wir unsere ganze verfügbare Arbeitszeit in die Schule investieren und unsere eigene kleine Firma kam fast zum Erliegen.
Wer heut nach Lusaka kommt, der sieht LICS als eine der drei etablierten
Internationalen Schulen und ist beeindruckt von der fröhlich-emsigen
Atmosphäre und den liebenswürdig freundlichen Kindern, vom
offensichtlichen Engagement der Lehrer und den wunderschönen Bildern aus
dem Kunstunterricht, die die Kinder überall in der Schule aufgehängt haben.
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