Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft oder Sillzeit vermehrt Alkohol
konsumieren, können erhebliche Gesundheitsschäden davontragen. Immer mehr
Ärzte fordern deshalb eine 0,0-Promille-Vorschrift. Bei einer Tagung in Franfurt am
Main betonten die Mediziner, daß schon kleine Mengen Alkohol in der Schwangerschaft
die Hirnfunktionen des Embryos "vielseitig, anhaltend und unwiderruflich"
schädigen würden. Es sei das Recht jedes Kindes, vor solchen Schädigungen
geschützt zu werden. Auch oder gerade wenn sie von der Mutter verursacht werden.
Solidarität Nr. 787, Februar 1997 (Zeitschrift des
österreichischen Gewerkschaftsbundes) Als ich diese Notiz
las, blieb mir zunächst einmal vor Empörung die Luft weg. Und je länger ich
darüber nachdachte, desto ungeheuerlicher erschien mir diese Idee. Wieder einmal
maßen sich Mediziner an, den Frauen Vorschriften machen zu wollen. Nicht, daß
ich jetzt dafür plädiere, daß Schwangere (oder Frauen überhaupt)
jetzt Schnaps literweise in sich hineinschütten sollen, aber das geht doch zu weit.
Wie wollen denn die Herren (ich nehme an, es handelt sich um solche, von
Ärztinnen ist jedenfalls nicht die Rede) diese famose Vorschrift kontrollieren?
Tägliche Promilletests für Schwangere? Dann müßten aber alle Frauen
im gebährfähigen Alter einbezogen werden, denn es könnte eine von ihnen
schwanger werden und sich diesen Kontrollen zumindest so lange, bis ihre Schwangerschaft
bekannt wird, hinterrücks entziehen. Die Kontrolle könnte dann auch auf Rauch-
und Eßgewohnheiten ausgeweitet werden, wenn man(n) schon dabei ist.
Schließlich muß das ungeborene Kind vor der bösen Mutter geschützt
werden, die erwiesenermaßen nichts anderes im Sinn hat, als das Kind zu
schädigen. Und welche Strafe will man Frauen aufbrummen, die sich verbotenerweise
ein Glas Wein oder Bier während ihrer Schwangerschaft genehmigt haben? Etwa
Gefängnis nicht unter neun Monaten? Oder eine staatlich verordnete Abtreibung, um die
Geburt eines gehirngeschädigten Kindes zu verhindern? Weitere Diskussionen
erübrigen sich wohl. Für eine Denkweise, der eine solche Forderung entspringt,
fällt mir auf Anhieb nur eine Bezeichnung ein: faschistoid. Was würden wohl
Männer dazu sagen, wenn ihnen vor der Zeugung eines Kindes per Gesetz drei Monate
absolutes Alkoholverbot verordnet würde, um eine optimale Spermienqualität zu
gewährleisten? Den empörten Aufschrei über diese Zumutung kann ich mir
lebhaft vorstellen, aber bei Frauen ist das ja etwas ganz anderes. Das Recht des
Kindes, vor Schädigungen geschützt zu werden, ist doch nur eine billige Ausrede,
um Frauen ein schlechtes Gewissen einreden und sie kontrollieren zu können. Warum
beginnt man mit diesem Schutz nicht bei Auto- und Industrieabgasen, bei Verkehrslärm,
vergiftetem Wasser und vergifteten Böden? Die Antwort liegt auf der Hand - da stehen
andere Interessen dahinter. Wo kämen wir da hin, wenn alle Mütter und solche,
die es werden (wollen), plötzlich bessere Umweltbedingungen für sich und ihre
Kinder fordern könnten und womöglich auch erhielten. Die Formulierung
»auch oder gerade wenn sie von der Mutter verursacht werden« sollte
ehrlicherweise durch »nur wenn sie von der Mutter verursacht werden«
ersetzt werden. Eine kleine Bemerkung am Rande: als in Österreich die Diskussion
um Tempo 80/100 auf Landstraßen/Autobahnen im Gange war, bildete sich eine
Vereinigung »Ärzte gegen Tempo 80/100«, obwohl eine
Geschwindigkeitsreduktion erwiesenermaßen die Zahl der Unfälle und die Schwere
der Folgen senkt. Dies nur, um zu illustrieren, wie sehr Ärzte an der Gesundheit und
am Leben ihrer Mitmenschen interessiert sind. Allen LeserInnen, die sich dafür
interessieren, wie die Männermedizin sonst noch mit Frauen umgeht, empfehle ich
folgende Bücher (ich hoffe, sie sind noch nicht vergriffen): Gena Corea,
MutterMaschine. Fischer Taschenbuch Verlag 1988. Eva Schindele,
Gläserne Gebärmütter. Fischer Taschenbuch Verlag 1990. Und
wem die Sichtweisen dieser beiden Autorinnen zu extrem erscheinen: mir ist eine Frau
persönlich bekannt, deren Brüste amputiert wurden, obwohl den Ärzten
während der Operation klar wurde, daß es sich nicht um Krebs handelte, aber da
sie schon einmal dabei waren ... Das ist zwar schon fast vierzig Jahre her, aber es
empört mich trotzdem. Und zum Abschluß noch eine Frage an alle
Österreicherinnen, die diese Zeilen lesen und ein Kind haben: ist Ihnen aufgefallen,
daß im Mutter-Kind-Paß die Mutter nach der Geburt des Kindes mit keinem
einzigen Wort mehr erwähnt wird?
Manuela
am 03.02.1997
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