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Neulich im Zug

Ich bin Bahnfahrer - teils aus Überzeugung, teils weil ich kein Auto habe. Eine Strecke, die ich regelmäßig fahre ist Berlin - Düsseldorf bzw. Berlin - Köln. In Berlin lebe ich, im Rheinland besuche ich Familienmitglieder oder habe dort geschäftlich zu tun. Nicht zuletzt wegen dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin wurde die Strecke seitens der Bahn in vielerlei Hinsicht modernisiert und die schnellen ICEs werden von zahlreichen Geschäftsreisenden frequentiert. Arbeiten im Zug ist offenbar Trend. Mit den Jahren haben die Geschäftsreisenden gelernt, leise zu telefonieren. Früher konnte man mancher Vertragsverhandlung, die drei Reihen entfernt über Handy abgewickelt wurde, präzise verfolgen. Das kommt so nicht mehr vor, die Leute tragen jetzt einen dezenten Ohrstöpsel und ein kleines Mikrofon, das sie mit dem Handy in der Jackentasche verbindet - auch der Datenschutz ist damit wieder gesichert. Auch die Klingeltöne wurden dezenter, Vibrationsalarm in Verbindung mit leisen Summtönen setzte sich nach und nach durch. Diese kollektive Arbeitsatmosphäre findet sich auch zu unerwarteten Fahrtzeiten. Neulich Sonntagabend auf dem Rückweg von Dresden nach Berlin traf ich sie auch, die Laptop-Worker. Richtig dachte ich mir, die haben ihren Geschäftstermin in Berlin dann wohl gleich am frühen Montag Morgen.

Leise beschlich mich manchmal die Frage, wo zwischenzeitlich die Privat-Reisenden geblieben sind. Das war doch früher die Mehrheit, früher als die Geschäftsreisende noch das Auto genommen haben. Letzte Woche habe ich die Privatfahrer getroffen:
im Zug Ich fuhr wie immer ohne Platzreservierung und mit ein bisschen Glück finde ich mir dann für einen großen Teil der Fahrt zwei Plätze für mich alleine.
Wir waren noch keine 10 Minuten unterwegs, da führte eine Dame drei Reihen weiter unüberhörbar das zweite Telefonat. Um mir eine ruhige Fahrt zu sichern (Berlin-Köln dauert über 4 Stunden) bekam sie von mir die freundlich bestimmte Frage, ob sie auch leise telefonieren könne. Sie konnte.
Nicht lange später und ich musste wegen der Fahrkartenkontrolle mein Mittagessen (Salat aus der Tupperdose) unterbrechen.
Ich hatte mir die Fahrkarte 10 Tage vorher über das Internet gekauft - rechtzeitig um für die seit längerem geplante Privat- und Geschäftsreise insgesamt 3 verschiedene Rabatte zu bekommen.

Ich händigte dem 'Zugbegleiter' meine selbst gedruckte Fahrkarte zusammen mit meiner Bahncard aus. Meine Kreditkarte wollte er dazu haben. Meine Kreditkarte, grübel, grübel, stecke ich normalerweise nicht ein. Ich habe mir mal eine angeschafft, weil es ein paar wenige Dienste gibt, bei denen man mit einer Kreditkarte über das Internet preiswerter einkaufen kann, als mit anderen Zahlungsmitteln. Einer dieser Dienste ist die Bahn. Entsprechend benutze ich meine Kreditkarte gelegentlich, wenn ich zu Hause an meinem PC über das Internet einkaufe und da liegt sie dann auch:
Zu Hause in meiner Schreibtischschublade. Eine selbst ausgedruckte Fahrkarte ist nur gültig in Verbindung mit einer Bahncard oder der Kreditkarte, mit der sie gekauft wurde. In meinem Profil als Kunde der Bahn ist hinterlegt, dass ich mich im Zug mit der Bahncard ausweise ... das war jedenfalls mal so ...
Die Bahncard hatte ich aber gekündigt, weil selbst die preiswerte Bahncard 25 in bestimmten Situationen von ganz anderen Rabatten der Bahn überholt wird. Zwischenzeitlich hatte ich mir dann auch mal eine Fahrkarte online gekauft, für die ich mich im Zug mit der Kreditkarte ausweisen musste - das wusste ich dann auch und das hat geklappt. Dann habe ich mir eine neue Bahncard geholt und weil das dann erst mal die vorläufige Bahncard war, habe ich zwischenzeitlich den Weg unternommen, mir Fahrkarten mit Bahncard-Rabatt persönlich in sogenannten 'Reisezentren' zu kaufen. Das alles ging mir durch den Kopf, als der Zugbegleiter mich nach der Kreditkarte fragte, die ich jetzt nicht dabei hatte. Als ich endlich wieder die richtige Bahncard hatte und meine Fahrkarte für eben die jetzige Reise von meinem Rechner aus kaufte, da habe ich auch die Daten der neuen Bahncard in mein Profil eingetippt. Ich muss etwas übersehen habe - vergessen hatte ich es nicht:
Da muss ein Häkchen sein, mit dem man bestimmt, mit was man sich dann später im Zug ausweist.

Die Kreditkarte bitte ...Die habe ich nicht dabei, sagte ich und ich war leicht unruhig, wie das jetzt wohl weitergeht, aber doch insgesamt gelassen. Ich bin schließlich erfahrener Bahnkunde, mit denen kann man doch reden - oder doch nicht?
Begann mein Gegenüber zu lächeln oder war das eine Täuschung? Jedenfalls fühlte ich mich im folgenden behandelt wie ein Schwarzfahrer. Kein Bedauern wegen Vorschriften, kein Verständnis für meine Situation. Ich hatte immerhin die Bahncard dabei, ohne die ich den Rabatt auf dem Ticket gar nicht hätte bekommen können. Ich sollte also nachzahlen, den vollen Fahrpreis für die einfache Fahrt, in Zahlen:
Das Ticket Berlin-Köln-Berlin hatte ich für EUR 66,50 gekauft. Die Nachzahlung für die einfache Fahrt betrug jetzt (mit Bahncard25 -Rabatt, die hatte ich ja dabei - EUR 77,20! Meine Rückfrage, ich könne nachweisen, dass ich im ganzen letzten Jahr regelmäßig Fahrkarten gekauft und mich immer mit der Bahncard ausgewiesen hätte - brachte mir nur freundlich-heitere Gelassenheit von meinem Gegenüber. Ich will nicht leugnen, dass ich etwas lauter wurde.
Im ZugDie Nachzahlung:
Bargeld hatte ich nicht ausreichend dabei. Meine EC-Karte habe ich angeboten, nein, die kann der Zugbegleiter nicht akzeptieren. Ob ich eine Kreditkarte dabei hätte? Häh, was wie? Wenn ich meine Kreditkarte dabei gehabt hätte, hätten wir das Problem nicht gehabt. Also gegen Rechnung. Er hat sich meinen Personalausweis geben lassen und wollte mir später die Rechnung bringen. Während er weiter ging hatte ich eine letzte Frage:
Wenn ich in ein paar Tagen meine Fahrkarte zusammen mit meiner Kreditkarte an einem Bundesbahnschalter vorzeige, ob ich die 70 Euro dann wiederkriege?
Die Bundesbahn gibt es seit soundsoviel Jahre nicht mehr, war die Antwort. Das müssen Sie wissen, aber ich doch nicht meinte ich, bekomme ich das Geld wieder? - Die Bundespost gibt es auch schon lange nicht mehr, sagte er und auch diesmal trotz meiner Rückfragen keine inhaltliche Antwort. Da habe ich ihm das A-Wort gesagt ... ist mir seit Jahren nicht passiert. Er konterte gleich mit einer Drohung, dass das Folgen haben könne und fuhr dann fort mit seinen Fahrkartenkontrollen - mit ganz besonderer Höflichkeit gegenüber allen Fahrgästen, ist ja klar.

Ich rief erst mal über Handy meine Tochter an und bat sie, mir sofort meine Kreditkarte an meinen Zielort nachzusenden, damit ich sie bei der Rückfahrt dabei hätte.
Es gibt schlimmeres im Leben als wegen Schusseligkeit 70 Euro zu verlieren, ich bin gesund, das Leben geht weiter und vielleicht kann man ja doch umtauschen.
Es kam Schlimmer: Eine halbe Stunde später kam der Zugbegleiter zurück und auf dem Weg zu mir machte er Halt bei der Dame, die am Anfang der Fahrt so laut telefoniert hatte. Ob sie ihm ihre Kontaktdaten überlassen würde, damit er jemanden habe, an den er sich wenden kann, falls die Dame da hinten (ich war gemeint) sich tatsächlich über ihn beschweren würde. Diesen Triumph hat die sich nicht entgehen lassen. Mit gestellter Gleichmut nahm ich anschließend meine Rechnung (zur späteren Überweisung), meinen Personalausweis und meine Fahrkarte entgegen.
im Zug Meine Fahrkarte: Hinfahrt ohne Ausweis war jetzt drauf geschrieben, mit Unterschrift. Die Rechnung war spannender, ich las das Kleingedruckte:
Der erhöhte Fahrpreis ermäßigt sich, wenn Sie innerhalb der Zahlungsfrist bei einem DB-Reisezentrum (so heißen die also) nachweisen, dass Sie um Zeitpunkt der Feststellung Inhaber einer gültigen Fahrkarte waren.
War ich doch, kann ich doch nachweisen. Na also. Aber ich war noch lange nicht in Köln ;-)

Es stiegen neue Leute zu. Die junge Frau ganz rechts von mir bekam einen (jungen) Nachbarn. Sie telefonierte - wieder eine, die es dem ganzen Zug sagen wollte und welche Banalitäten erst:
Dass die Brötchenverkäuferin ihr eben beinahe zuviel Wechselgeld herausgegeben hätte, was sie gerne essen würde, wenn sie ankommt - DAS ist Innovation, dafür wurde das Handy erfunden, dass man sich diese bedeutsamen Wichtigkeiten des Alltags über große Entfernungen bequem übermitteln kann. Ein Funkloch hat die vollständigen Absprachen in Sachen Abendessen leider verhindert. Ein Segen für sie, denn das bot ihrem Sitznachbarn Anknüpfungspunkte für die Kontaktaufnahme ... Die lauten Ausführungen einer jungen Frau, die vor vier Wochen wegen Aufnahme des Studiums alleine in eine andere Stadt gezogen ist und wie aufregend das alles sei, so alleine ohne Eltern, musste ich bis kurz vor Köln ertragen. Ich wollte mich auch nicht noch mal unbeliebt machen und war still ;-) Irgendwann stieg ein Polizist in Uniform ein und belegte den Platz neben mir. Nicht weiter erwähnenswert, auch solche Leute machen offenbar Dienstreisen. Weiter drüben sprach die junge Studentin dann irgendwann über Details von Kontrollen an der Polnischen Grenze, in ihrem Redefluss dabei weiterhin durch freundliches Nachfragen gefördert von Ihrem Nachbarn. 'Polnische Grenze' war dann das Stichwort für den Polizisten. Die Details zum Schengener Abkommen wollte er schon gerne richtig stellen. Auch an dieser Front entstand also ein höflich/freundlicher Kontakt. Gegen Köln stand ich auf und sortiere meine sieben Sachen. Der Polizist machte mir dafür Platz und der junge Mann von gegenüber ... fragte tatsächlich den Polizisten, ob er sich dessen Mütze mal aufsetzen dürfte. Ich hatte leider keine Gelegenheit das Gesicht des Polizisten zu sehen. Der junge Mann durfte. Er machte noch einen Kommentar darüber, dass ihm das Teil zu klein sei und fragte danach tatsächlich weiter, ob der Polizist auch eine Dienstmarke dabei hätte. Der Polizist verneinte ... Polizist in Uniform ohne Dienstmarke? Das glaube ich nun wieder überhaupt nicht, aber dass der Polizist keine Lust hatte, auch seine Dienstmarke womöglich aus der Hand zu geben, kann ich nachvollziehen ;-)
Soweit mein plötzliches Zusammentreffen mit den privaten Fahrgästen der Bahn.

Die Rückfahrt verlief vergleichsweise unspektakulär:
Sonntagvormittag, ein gutgelaunter Zugbegleiter. Ich hatte meine Visacard jetzt griffbereit und auf meine Rückfrage, ob ich die Rechnung von der Hinfahrt ... "selbstverständlich bei Vorlage der Dokumente in einem Reisezentrum". Ohne dass ich es erwähnt hatte, sagte er weiter "das würde er verstehen, dass jemand die Scheckkarte nicht immer mit sich führt".
Ach ja, die Welt ist doch noch in Ordnung, auch bei der Bahn. Im Umkreis meines Sitzplatzes fanden sich Zeitungsleser, Genießer mit einem Glas Rotwein, Träumer und sonstige angenehme Zeitgenossen. Vielleicht war einfach Vollmond drei Tage vorher.

Brigitte am 20.12.05


wunderschöne Stiefmutterlinie

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