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Oh selig, kein Kind mehr zu sein

mit einem Kommentar von Iris
und einem von Stefanie
noch einer von Sabine

Ich hasse meine Eltern nicht. Bereits diese Einstellung scheint für mich eine Leistung, auf die ich stolz sein kann.
Ich hasse meine Eltern nicht. Das war nicht immer so.

Damit wir einander recht verstehen: ich bin als Kind weder mißbraucht noch schwer mißhandelt worden. Ohrfeigen von meinem Vater setzte es nur zu "besonderen" Anlässen, bei meiner Mutter war die Hand schon lockerer. Das hing aber sicher damit zusammen, daß sie mit ihren Kindern wesentlich mehr Zeit verbrachte als mein Vater. Ich erinnere mich daran, wie sie einen hölzernen Kochlöffel an meiner Schwester und mir zerbrach, weil wir mit Topfdeckeln geklappert hatten und ihr damit auf die Nerven gegangen waren.

Wer trägt nicht schwer an den seelischen Verwundungen, die ihm in der Kindheit zugefügt wurden? Ich kenne nur eine einzige Person, die von sich sagt, daß sie eine glückliche Kindheit verbracht hat. Und selbst sie war mit zwanzig reif für eine psychiatrische Behandlung. Wenn ich auf meine Kindheit und Jugend zurückblicke, dann wundere ich mich noch immer, daß ich damals meinem Leben nicht ein Ende gesetzt habe. Vermutlich liegt das daran, daß es gar nicht so einfach ist, sich ins Jenseits zu befördern. Jedenfalls begleitete mich der Gedanke an Selbstmord meine ganze Jugend hindurch. Aus irgendeinem Grund, der mir bis heute unklar ist (denn ich hatte nie auch nur irgendetwas angedeutet), befürchtete mein Vater, daß eines seiner Kinder sich das Leben nehmen könnte, denn er betonte immer wieder, daß Selbstmord kein Ausweg sei. Möglicherweise befürchtete er aber auch nur den Verlust der mit einem Kind verbundenen Investitionen.

Nach außen hin stellen wir eine ganz normale Familie dar (wie normal wir waren, erfuhr ich erst später im Gespräch mit anderen Menschen). Wir hatten keinen Überfluß, aber auch keine drückenden materiellen Sorgen. Die Kinder waren nicht auffällig, aus allen ist "etwas geworden". Wie desaströs die Ehe meiner Eltern war, drang nicht nach außen. Meine Mutter habe ich stets als schwach, unterlegen und abhängig erlebt, ich wollte alles mögliche werden, aber nur nicht so wie sie. Mein Vater war die übermächtige Figur in der Familie, seinem Willen mußten sich alle unterwerfen. Bis jetzt habe ich keinen Menschen kennengelernt, der so grenzenlos egoistisch ist wie er, dabei völlig unfähig, sich in einen anderen Menschen hineinzufühlen oder eine andere Meinung außer der seinen gelten zu lassen. Natürlich ist sein Bild von sich von keinerlei Selbsterkenntnis getrübt, denn dieses Wissen wäre mehr, als ein Mensch ertragen könnte. Die Umstände in seiner Kindheit, die seine Persönlichkeit so geformt haben, habe ich bis heute nicht ausmachen können. Vielleicht war es eine krankheitsbedingte Trennung von seiner Mutter, die über ein Jahr dauerte, als er ungefähr fünf Jahre alt war.

Die Kindheit meiner Mutter war sicherlich die Hölle. Ihr Vater war Alkoholiker und hat sie mit einer Peitsche geschlagen. Ihre Mutter war unfähig, diesem Mann etwas entgegen zu setzen. Als mein Großvater an den Folgen des Suffs starb — meine Mutter war damals sechzehn Jahre alt — muß dieses Ereignis den beiden Frauen wie eine Erlösung vorgekommen sein. Im Vergleich dazu war meine Kindheit geradezu paradiesisch. Mein Vater ist bis heute fest davon überzeugt, daß ich (und damit auch meine Geschwister) eine glückliche Kindheit hatte. In der Tat — glücklich hätte sie sein können, wenn ich auch nur einen Bruchteil der Liebe, des Verständnisses und der Geborgenheit bekommen hätte, die ich gebraucht hätte. Meine ganze Kindheit und Jugend hindurch hatte ich den dringenden Wunsch, so schnell wie möglich erwachsen zu werden.

Alles, was ich hier schreibe, ist höchst subjektiv und stellt mein Erleben aus damaliger Sicht dar. Ich behaupte nicht einmal, daß meine Geschwister notwendigerweise in allen Punkten mit mir übereinstimmen werden. Wenn meine Eltern diese Zeilen lesen könnten, würden sie sich nicht betroffen fühlen und gar nicht bemerken, daß von ihnen die Rede ist.

Meine Mutter hat das Feingefühl eines Elefanten im Porzellanladen. Trotzdem hat sie es oft verstanden, meine wunden Punkte zu treffen. Wenn es mir schlecht gegangen ist, hat sie mit einer treffsicheren Bemerkungen meinen Schmerz noch vergrößert und dabei nicht einmal bemerkt, daß sie mich verletzt hat.

Wie sagte Anna Freud: "Es ist der Verdienst der Psychoanalyse, das im Erwachsenen beinahe unverändert fortlebende Kind¼". Und wie recht hat Alice Miller. Ich kann tatsächlich nur existieren, indem ich die Erinnerungen an meine Kindheit massiv zurückdränge. Ein ständiges Bewußtmachen meiner damaligen Gefühle und Empfindungen könnte ich nicht ertragen, aber ich habe gelernt, damit zu leben. Ein Einarmiger oder Einbeiniger kann lernen, mit seinem Verlust umzugehen und damit zurechtzukommen. Er kann das Fehlende so gut wie möglich ersetzen, aber alle ärztliche Kunst wird ihm die fehlende Gliedmaße nicht wieder zurückbringen. So ähnlich ist es bei mir. Selbst hunderte Jahre (guter) Therapie könnten meine seelischen Verstümmelungen weder heilen noch die dadurch erlittenen Verluste ausgleichen. Ich kann nur darüber trauern und Mutmaßungen darüber anstellen, wie sich meine Persönlichkeit hätte entwickeln können, wenn die dringendsten Bedürfnisse meiner damaligen Kinderseele wenigstens einigermaßen befriedigt worden wären.

Doch wem kann ich einen Vorwurf machen? Meine Eltern wußten es damals nicht besser, sie wissen es auch heute nicht anders. Selbst wenn – es ließe sich jetzt nichts mehr ändern. Sie haben ihre Kinder weder geplant noch gewollt, zumindest haben sie ihnen dieses Gefühl vermittelt. Mit meiner Schwester habe ich mindestens einmal darüber gerätselt, warum uns unsere Eltern in die Welt gesetzt haben. Wir konnten keine Erklärung finden (damals waren wir noch Kinder, wohlgemerkt).

Ungeplant, ungewollt, ungeliebt – das waren die prägenden Eindrücke meiner Kindheit. Wenn sie Gelegenheit dazu gehabt hätte, hätte sie mich abgetrieben. Das teilte mir meine Mutter einmal mit, ich war damals vielleicht vierzehn oder sechzehn Jahre alt. Damals konnte ich ihrer anschließend geäußerten Meinung, daß ich in diesem Fall nichts versäumt hätte, nur beipflichten.

Vor allem in meiner frühen Kindheit war die Angst übermächtig, von meinen Eltern irgendwo in der Fremde ausgesetzt und verlassen zu werden. Ich war sieben Jahre alt, als wir den ersten bescheidenen Urlaub verbrachten. An einem Abend sperrten uns die Eltern im Hotelzimmer ein, um tanzen zu gehen oder sich sonstwie zu unterhalten. Ständig beobachtete ich den hoteleigenen Parkplatz, der von unserem Zimmerfenster aus zu sehen war. Bei jedem wegfahrenden Auto ergriff mich Panik, es könnten meine Eltern sein, die uns im Hotel zurückließen.

Wenn ich als kleines Kind weinte, weil ich unglücklich war und getröstet werden wollte, wurde ich mit Androhungen von Ohrfeigen zum Schweigen gebracht. Später wurde jeder Versuch, Gefühle zu zeigen und Verständnis zu finden, mit Hohn und Spott bedacht, auf jeder Schwäche wurde gnadenlos herumgehackt. Möglicherweise war das die Ursache dafür, daß ich mich als junge Erwachsene jahrelang innerlich leer fühlte und glaubte, ich sei prinzipiell unfähig, tiefere Gefühle zu empfinden. Wenn ich in mich hineinhorchte und festzustellen versuchte, was da vorhanden war, so entdeckte ich – nichts. Ich konnte keine Empfindungen orten, ich kam mir vor wie eine Hülle ohne Inhalt.

Natürlich kann ich diese Zeilen nicht ohne tiefgreifende Emotionen schreiben. Ich sollte mir diese Erinnerungen nicht zu deutlich ins Gedächtnis rufen, es tut einfach zu weh. Immer wieder muß ich innehalten, weil mein inneres Kind weint.

Ich hasse meine Eltern nicht, ich stehe ihnen neutral gegenüber. Für diejenigen, die ihre Eltern lieben und von ihnen geliebt werden, mag das entsetzlich klingen, aber ich kann mir nicht vorstellen, ob und wie ich um sie trauern würde, wenn sie stürben. Jetzt hätte ich noch die Chance, das Verhältnis mit ihnen zu klären, sie sind noch relativ jung. Aber ich werde es nicht tun, aus verschiedenen Gründen nicht. Erstens würde es an der Vergangenheit nichts ändern, zweitens würde es mich emotional zu sehr belasten. Und drittens bezweifle ich, daß sie mir überhaupt glauben und mich ernst nehmen würden. Selbst wenn, hätte ich vermutlich nichts erreicht, außer daß sie sehr gekränkt und verletzt wären. So halte ich einen ziemlich oberflächlichen Kontakt mit ihnen, mehr aus gewissen Notwendigkeiten heraus denn als aus Bedürfnis.

Und wenn Du, lieber Leserin, lieber Leser, bis hierher gelesen hast und Dich jetzt fragst, was Du denn tun mußt, um zu verhindern, daß es Deinen Kindern ähnlich geht wie mir, so kann ich Dir folgendes sagen: Nimm sie als Personen und Persönlichkeiten ernst. Kinder können denken und fühlen, sie sind zu allen Empfindungen fähig, genau wie Erwachsene. Sie verstehen viel mehr, als manche Eltern glauben, und sie lassen sich nicht leicht täuschen. Sie nehmen alles, was ihnen gesagt wird, umso ernster, je kleiner sie sind, auch leichtfertig von Erwachsenen dahingesagte Drohungen.

Du wirst sicher dafür Verständnis haben, daß ich diese Zeilen anonym veröffentliche. Ich habe bei weitem noch nicht alles gesagt, was ich zu sagen hätte, aber irgendwann muß ich einen Schlußstrich ziehen.

 

Iris:

Hallo Unbekannte(r),
mir geht es mit meinen Eltern ähnlich. Habe zwar andere unangenehme Erinnerungen, mehr die, als Kind hiflos dem kindlich-peinlichem Auftreten der Erwachsenen (vor allem meiner Mutter) zuzusehen und von ihnen keine Geborgenheit zu erhalten da sie zu stark mit sich beschäftigt waren. Da ich inzwischen selbst Kinder habe, weiß ich, wie schwierig es sein kann, dem Anspruch eine gute Mutter zu sein, gerecht zu werden.
Ich hoffe sehr, es einigermaßen zu packen, so daß meine Kinder nicht zu unglücklichen Menschen werden. Ich denke auch, daß man vor allem auf die Gefühle der Kinder achten soll, sie nicht bewußt verletzen, oder wenn man es getan hat, sich dafür zu entschuldigen. Sie einfach ernstnehmen und nicht verarschen, wie es viele Erwachsene machen. Oder bewahrt ihnen so etwas vielleicht auch ein Stück Kindheit in unserer doch recht aufgeklärten Zeit?

Leider werden noch immer viele Kinder mit Grobheiten "erzogen" - und ganz kann auch ich mich nicht davon freisprechen. Ich glaube, daß es schon aufgrund der eigenen Kindheitserfahrungen gar nicht möglich ist. Jedenfalls mache ich mir so manche Stunde des Nachts Gedanken um meine Kinder, denke an Kränkungen, die ich ihnen zugefügt habe, und wie ich zukünftig so etwas verhindere. Mit der Zeit hat es sich auch gebessert, denke ich, vertrage auch kleine "Frechheiten". Hilfe bei der Erziehung der Kinder geben mir auch Bücher und Artikel. Immer wenn ich mich unsicher fühle, kann ich dort nachsehen. Es kommt aber glücklicherweise nicht allzuoft vor.

Viele Grüße Iris am 11.09.2000

 

Stefanie

Hallo Unbekannte,
und machst Du es jetzt viel beeser mit Deinen Kindern? Hast Du immer ein offenes Ohr wenn Deine Kinder schon morgens wegen Kleinigkeiten anfangen zu jammern und nach Schule oder Kindergarten so weitermachen. Ich kann mir kaum vorstellen, daß man dann nicht auch einmal die Nerven verliert und lauter wird oder sogar einmal die Hand ausrutscht. Leider empfinden die Kinder solche Ausrutscher aber oft als viel bedrohlicher als man selber glaubt. Natürlich kann es sein, daß Deine Eltern ein besonders heftiger Fall waren. Aber als wie heftig unsere Kinder uns empfinden sollte man sich einmal genau bewußt machen.
Stefanie am 17.10.2000

 

Sabine

Liebe Iris!
Wie schrecklich frustrierend müßte es doch für unsere Kinder sein mit perfekten Eltern aufzuwachsen. Stell Dir vor, das Kind empfindet sich selber dann nicht als perfekt( wie die Eltern es vorgeben zu sein). Dieses arme Würmchen müsste doch vergehen vor lauter Selbstzweifel!
Also, mein Rat: Zeige deinen Kindern, dass du dein Bestes gibst (wie wahrscheinlich alle vernünftigen Eltern), dass aber auch du nicht in jeder Situation deine optimale Leistung bringen kannst und verstehe die Kinder wenn sie Fehler machen. Wie deine Kinder vielleicht verstehen werden, macht niemand Fehler, weil es so lustig ist sie zu begehen, sondern, weil es manchmal nicht anders geht(Unwissenheit, Unfähigkeit).
Über Fehler zu reden ist in Ordnung. Aber bitte verfalle nicht in Selbstzerfleischung. Ich war laut Aussage einer Lehrerin "so-eine-Art-von überbehütender Mutter", empfand mich jedoch nur als fürsorglich. Jetzt arbeite ich schon einige Zeit sehr intensiv an mir und ich muss sagen es tut uns sehr gut. Also locker lassen. du bist sicher sehr gut, musst aber nicht perfekt sein.
Grüße Sabine am 18.10.2000

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