Suche!
Impressum
Datenschutz

home - zum Eingang
zum Club - tritt ein
zur Forenübersicht
zum Chat

Kleinanzeigen
Eltern
Rezepte
Handarbeiten
Küchentipps
Haushaltstipps
Körperpflege
Heirat
Liebe
Diät
Buchtipps
Schreibstube

-Weiberecke
-Hausfrauenreport
--Neues von der Hausfrau
-Männerecke
-Wühltisch
-Umfragen

 

Link zur Schreibstube

Ehrlich währt am längsten

Im vorweihnachtlichen Kuhdorf, das zwar eine Stadt ist, dessen Namen aber mit gutem Grund auf "dorf" und nicht auf "stadt" endet, liegt unbeachtet auf dem Gehsteig ein goldfarbenes Kettchen. Talmi, denke ich, trotzdem siegt die Neugier und ich hebe den Schmuck auf. Das ungewöhnlich hohe Gewicht des Gegenstandes überrascht mich, es handelt sich offensichtlich um echtes Gold. Eine Punze bestätigt diese Annahme.
Der nächste Gendarmerieposten ist nicht weit, also nichts wie hin. Der diensthabende Beamte, dessen Aussehen mich frappant an einen Schimpansen erinnert, zieht ein langes Gesicht und will mich an das Fundamt im Rathaus verweisen. Als ich bezweifle, daß dort an einem Freitag um halb vier Uhr nachmittags noch jemand anzutreffen ist, bestätigt ein Telefonanruf meine Vermutung – niemand hebt ab. Der Beamte beginnt zu überlegen, ob ich nicht am nächsten Montag dort vorbeischauen könnte, ab 8 Uhr versteht sich, während meiner Dienstzeit. Ich hingegen denke darüber nach, ob ich nicht einfach das Kettchen wieder an mich nehmen und abhauen soll.
Ein anderer, sichtlich intelligenterer Beamte, nimmt die Sache in die Hand. Natürlich übernehmen wir die Fundsache und leiten sie am Montag weiter. Formular soundso ist für Fundsachen auszufüllen.
Tatsächlich, im Revier steht ein PC. Tatsächlich, er funktioniert und tatsächlich, es ist Windows95 darauf installiert, obwohl das eine das andere normalerweise ausschließt.
Name, Vorname, Geburtsdatum. Geburtsdatum? Wozu brauchen die mein Geburtsdatum? Weil es so im Formular steht. Dieser erhellenden Antwort des Schimpansen kann ich nichts entgegensetzen, und so gebe ich zögernd dieses hochgeheime Datum preis. Einer der Anwesenden freut sich, ein guter Jahrgang, meint er, woraus ich messerscharf schließe, daß er im gleichen Jahr geboren ist. Seine Frau hat ihm bereits mehrere solcher Kettchen zu Weihnachten geschenkt, vertraut er mir an, aber er hat sie alle verloren. Leider hat sie niemand gefunden, das heißt, gefunden hat sie schon jemand… In einem Jahr könne ich Anspruch auf die Kette anmelden, falls sich bis dahin der rechtmäßige Eigentümer nicht gemeldet hat, dann könne ich sie ja ihm schenken… Er werde mich jedenfalls persönlich verständigen, falls der Besitzer nicht auftaucht, verspricht er mir.
In der Zwischenzeit erscheint eine Frau und bezahlt ein Strafmandat. Anschließend wünscht sie den Beamten frohe Weihnachten. Die drücken ihre Verwunderung darüber erst aus, als sie den Raum bereits verlassen hat.
Der mit meiner Causa befaßte Geistesblitz ringt inzwischen um eine Bezeichnung für das Schmuckstück, das Formular will schließlich vollständig ausgefüllt werden. Goldkette, schlage ich vor. Die Anregung wird dankbar angenommen und vom Kollegen gutgeheißen. Die Länge des guten Stückes wird zuerst geschätzt, dann gemessen, wobei ich mit meiner Schätzung der Wahrheit am nächsten komme. Meine Vermutung, daß der Verschluß defekt sein müsse, bestätigt sich nicht. Sicherheitsverschluß, meint der Fachmann, der mit den vielen verlorenen Kettchen. Seine Frau schenkt ihm mittlerweile keine Armbänder mehr.
Schließlich ist das Formular vollständig ausgefüllt – auf Finderlohn verzichte ich –, es wird ausgedruckt und mir zur Unterzeichnung vorgelegt. Bevor ich es unterschreibe, mache ich den Beamten darauf aufmerksam, daß man "punziert" und nicht "bunziert" schreibt. Winword besitzt zwar eine Rechtschreibprüfung, die aber zu nichts nütze ist, wenn sie nicht angewendet wird. Der Beamte spart der Republik Österreich die Auslagen für ein Blatt Papier plus Druckertoner, indem er auf eine Korrektur mit anschließendem Neuausdruck verzichtet.
Vergiß den Stempel nicht, wirft ein Gendarmenkollege ein. Nein, nein, ich bezahle aber jetzt keine Stempelgebühr, protestiere ich nur halb im Scherz. Man beruhigt mich, natürlich ist keine Gebühr für das Abgeben von Wertgegenständen fällig, das wäre ja noch schöner.
Ich unterschreibe, der Wisch wird abgestempelt und kopiert, ich darf eine Kopie nach Hause nehmen und muß nicht einmal dafür bezahlen. Eine gute Dreiviertelstunde habe ich in Gesellschaft unserer wackeren Freunde und Helfer verbracht. Erst im Auto bemerke ich bei nochmaliger Durchsicht des Protokolls, daß aus dem Kuhdorfer Exnerplatz ein "Echsnerplatz" geworden ist.

Und die Moral von der Gschicht'? Gibt es nicht. Wenn nach einem Jahr niemand Anspruch auf das Kettchen erhoben hat, darf ich es nach Hause nehmen, nach drei Jahren geht es in meinen Besitz über. Und dabei mache ich mir gar nichts aus Schmuck, und der Goldpreis fällt auch ständig.

Aber wie ich mein Glück kenne, wird die Kette abgeholt werden und der Eigentümer bedankt sich nicht einmal bei mir.

© Manuela Gößnitzer, 7.1.1998

wunderschöne Stiefmutterlinie

Hausfrauenseite