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Wenn ich die, mir vererbte, Kladde meiner Mutter ansehe und darin nach den guten alten Familienrezepten suche, entdecke ich neben diesen Rezepten noch viel mehr ...
Benutzt und vollgestopft mit allerhand Brauchbaren und schlichtweg Nutzlosen: Tipps aus einer Zeitschrift herausgerissen ... oder sorgfältig ausgeschnitten ... "so senken sie ihren Cholesterinspiegel" oder"kleine Geschenke hübsch verpackt" waren Dinge, die meine Mutter scheinbar für wichtig befunden hatte. Sie landeten in der Kladde und wurden dort bewahrt, vielleicht vergessen? Die Kladde lag in einer wüsten Schublade zwischen Einweckgummis, Kulis und anderem Krims Krams. Sie war der erste "Ort" an dem gesucht wurde, wenn meine Mutter nicht auf Anhieb finden konnte, was sie suchte. Und sie suchte oft. Ich sehe sie vor mir, mit der Brille auf der Nasenspitze, in ihrer Kladde blätternd, mal hektisch,mal die Ruhe selbst, um dann erleichtert den gesuchten Lottoschein in die Luft zu halten. Sie hatte ihre Kladde sorgfältig begonnen. Die ersten Rezepte sind ordentlich aufgeschreiben. Und im Laufe der Zeit verwandelte sich dieses Heft dann in das, was ich zu beschreiben versuche: Ein Sammelsurium. Ich fand darin Rezepte von Freundinnen und Bekannten schnell aufgeschrieben, handschriftlich oder sogar mit der Maschine getippt, schlecht kopiert. Fotos sind darin aufbewahrt, ein nie vollendeter Brief ans Enkelkind. Todesanzeigen, Bons und Busfahrkarten ... und immer wieder Ausschnitte aus den geliebten Zeitschriften. Horoskope und andere Lebensweisheiten. Sogar (m)einen "blauen Brief" aus der sechsten Klasse: "müssen wir ihnen leider mitteilen, dass wir ihre Tochter in der Schultoilette beim Rauchen erwischt haben", hat sie darin aufbewahrt, zwischen Sauerbraten und Creme al la Oma Else, war er sicher vor meinem Vater versteckt. Fleckig, besprenkelt, leicht gelblich vom Liegen und tausendmal geblättert ... Diese Kladde liebe ich. Sie ist Erinnerung und Andenken. Ich habe auch so eine Kladde. Scout am 02.02.10 |
