Stiefmütter die Wesen vom anderen Stern
Hi Carola,
Ich habe gerade im Netz Deine Hausfrauenseite entdeckt und lese mit
Wonne alle Deine Rubriken. Bei meiner Stöberei bin ich auf den
Hausfrauenreport gestossen und möchte nun auch gerne meinen Senf dazu
abgeben. Hier (ich sitzte in England) ist es ein wahnsinnig heisser
Freitagnachmittag. Ich hocke im Büro bis 17.30 (35-Stundenwoche "gibbet
hier nich") und hier fängt meine Story auch schon an:
Ich habe mit grossen Interesse die Geschichten der "Nur
Hausfrauen","Berufstätigen Mütter" in den verschiedensten Facetten
verschlungen und irgendwie fühle ich mich langsam wie ein Wesen von
einem anderen Planeten, wie ein aussenstehender Betrachter, obwohl ich
doch eigentlich wirklich "mittendrin" stecke. Ich habe nämlich noch
keine Frau von "Meiner Gattung" auf all diesen Seiten entdeckt. Jetzt
fragst Du Dich sicherlich - Wovon redet die da eigentlich ??? Vielleicht
interessiert es Dich ja: Nun vor knapp einem Jahr hat sich mein Leben
komplett, aber komplett verändert. Ich komme ursprünglich aus
Düsseldorf und habe dort vor einigen Jahren meinen "Mann für's Leben"
kennengelernt. Er ist Engländer, seine erste Ehe ist zerbrochen und er
hat drei Kinder......hmmm! Klingt romantisch - gell!?!?
Trotz einiger Hürden die wir überspringen mussten, bin ich mit ihm
zusammen vor einem Jahr nach England gezogen. Habe meine Familie, meine
Freunde, meinen (heissgeliebten) Job, "Mein" Düsseldorf samt
pflegeleichter 1-Zimmer-Wohnung zurückgelassen und wir haben hier
komplett von vorne angefangen. Wir haben ein Haus gekauft, das gross
genug für drei Kinder ist und nun eifrig hergerichtet wird. Wir
versuchen uns die Betreuung der Kinder mit der Mutter und ihrem neuen
Lebensgefährten "aufzuteilen" -blödes Wort, beschreibt auch wirklich
nur die technische Seite ( die kids sollen schliesslich nicht darunter
leiden, wenn wir Erwachsenen unser Leben vermurksen und bösartige
Rangeleien um die Kinder gibt es bei uns "Vieren" nicht). Wir wohnen in
der Nähe der Mutter und machen nun so eine Art "Wechseldienst",was mich
also über Nacht zur Teilzeitmutter gemacht hat (Ich hasse das Wort
Stiefmutter, welches in England durchaus gebraucht wird - bei uns in
Deutschland ist das ja nur so wenn ein Elternteil verstorben ist, aber
hier haben die Kinder nun offiziell tatsächlich eine Mutter und eine
Stiefmutter (mich, wie hässlich). D. h. ganz offiziell wird das
eigentlich erst wenn wir nächstes Jahr heiraten, dann bin ich also noch
obendrein die "Zweite Frau".
Anstatt wie ich es immer gewohnt war für mich alleine zu wurschteln und
mich um meinen Lebensgefährten zu kümmern, habe ich jetzt im
wöchentlichem Wechsel die Verantwortung für drei Kinder
Zwillingsmädchen im wunderbaren Alter von 13 Jahren, und
fussballbesessenem 9-jähriger Junge. Anstatt einer 1-Zimmer-Wohnung
habe ich jetzt ein 5-Zimmer-Haus, was neben Umbau auch noch irgendwie
sauber gehalten werden will. Anstatt der Freunde die mit der Flasche
Rotwein unter dem Arm abends bei Dir aufkreuzen, traben nun Heerscharen
von Nachbarskindern durch unser Haus. Anstatt mal "Rasch in die
Reinigung" zu springen schaufele ich jetzt Wäscheberge für 5 Personen.
Praktisch über Nacht musste ich mich an In-Frühstücksflocken,
nörgelnde Kinder am Esstisch, Hausaufgaben und tausend andere Sachen
gewöhnen. Wobei mir nicht die Chance gegeben wurde "über die Jahre da
reinzuwachsen" es musste fluppen und zwar gleich, Kinder lassen sich da
nicht gerne mit blöden Spruechen vertrösten. Ja und so ganz nebenbei
gehe ich auch noch Vollzeit arbeiten.
Ich glaube ich nehmen meinen Job als "Stiefmutter" ziemlich genau, bin
ständing auf Trab und machmal frage ich mich wie ich es geschafft habe
innerhalb eines kurzen Jahres soviel dazuzulernen. Lieblingsessen,
Sachen die der Kleine im Fernsehen besser nicht sehen sollte, weil er
dann wieder nicht einschlafen kann, wie ich eingequetschte Daumen aus
der Türe befreie, ans Zähneputzen, Halswaschen und Sockenwechseln zu
erinnern, usw. usw. usw. Meine Wochenenden im Biergarten sind vorbei,
weil ich zum Kuchenbacken fuer's Schulfest eingeteilt wurde, oder
verzweifelt versuche unter den 30 schlammverkrusteten Jungs auf dem
Fussbalfeld "meinen" zu finden und irgendwie nach Hause zu zerren.
Trotzdem kommt man sich irgendwie immer so "über den Kopf gestreichelt
vor", weil ich bin ja nicht die Mutter. Komisch eigentlich...! Die
Mutter der Kinder kann z.B. nur ein paar Stunden die Woche arbeiten,
.....weil mit den Kindern......., dabei habe ich die Kinder genauso oft
und lange und würde doch gerne mal die Gesichter der anderen Leute
sehen wenn ich auf Teilzeit switchen würde, ....weil..... wegen der
Kinder. Komisch obwohl es nicht "meine Kinder" sind fühle ich mich
gerade jetzt in den Sommerferien ganz lausig, wenn ich morgens zur
Arbeit gehe anstatt mit den Kids ins Freibad zu ziehen.
Ich frage mich manchmal warum man dauernd das Gefühl vermittelt
bekommt, dass man nur wenn man "so richtig schwanger war" und "so
richtig ein Kind bekommen hat" voll akzeptiert wird und mitreden darf.
Ich verfalle zwar nicht auf irgendwelche Mutterphantasien, die Kids
haben EINE Mutter, IHRE Mutter und das bin nunmal nicht ich. Aber
trotzdem verändert man sich selber so sehr und so langsam und
allmählich merkt man wie diese Wesen so ganz klammheimlich ihre Wurzeln
in Deinem Leben schlagen und Dir ganz tief ihren Stempel
aufdrücken.....und irgendwie hat man so gar niemanden mit dem man sich
darüber austauschen kann, die meisten "Richtigen Mütter" nehmen einen
da meistens nicht ganz für voll - ist irgendwie eine andere Ebenen.
Ich sag's ja: "Stiefmütter die Wesen vom anderen Stern"
Aber vielleicht findet sich ja doch die eine oder andere "Stiefmutter",
die ein paar passende Erfahrung hat und die heute beim Anblick von
Krümeln auf dem guten Teppich, Süssigkeitenbergen die in "No Time"
verschwinden, Ballabdrücken auf der neuen Tapete und Schokospuren auf
der Ledercouch cool bleiben. Macht mir heute nix mehr aus und jetzt gehe
ich gleich nach Hause, denn ich habe Feierabend........ahhh
Fei-er-a-bend....das Wort muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.
Nach einer ganzen langen Woche im Büro und heute abend mach ich ganz
was tolles............schleppe meine Einkäufe nach Hause und brate ein
Wagenladung Frikadellen und mache eine Riesenschüssel Kartoffelsalat,
denn morgen fahren wir mit "unseren" Kindern ans Meer.
Viele liebe Gruesse and Dich und alle anderen berufstätigen/ nicht -
beruefstätigen Muetter, Stiefmütter, Nicht-Mütter in der ganzen Welt
im Prinzip ist es doch piepegal wer was ist oder macht Hauptsache ist doch
wir sind so glücklich wie wir sind........ich bin's (ausser wenn's bei
uns Gemüse gibt)!
Iris am 09.08.98
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