Es soll doch jede Frau tun können, was sie will
Ich melde mich nochmal zum Hausfrauenreport zu Wort - wenn ich darf - da mir
eine Sache aufstösst, die sich wie ein roter Faden durch fast alle Briefe
zieht. Das ist diese Bemerkung: 'Es soll doch jede Frau tun können, was sie
will und ihre individuellen Lösungen finden.' Dies stösst mir besonders
im 'Prominenz-' Beitrag auf, in dem Frauen, die weitergehende Forderungen
an Gesellschaft,
Männer, etc. stellen sogar als frustierte dummquatschende Weiber bezeichnet
werden, die sich in keiner Rolle wohlfühlen und für ihr 'persönliches [!]
Scheitern ... immer nur andere verantwortlich machen'.
Auch auf die Gefahr hin, selbst in diese Sparte eingeordnet zu werden, möchte
ich doch mal Folgendes feststellen:
- 1. Fast niemand von uns kann wirklich machen was er/sie will (gilt für Frauen
und Männer gleichermassen), wir können maximal wählen zwischen ein paar
Möglichkeiten, die unsere Gesellschaft vorsieht. Wir können beispielsweise
kein Kind auf Probe bekommen, wir können nicht (wie z.B. in Frankreich)
einfach bei der zuständigen Behoerde einen Ganztags-Krippenplatz beantragen,
wir können bei unserem Arbeitsgeber keinen Halbtagsjob einfordern
(siehe Carolas 1. Beitrag) und wir können das Kind nicht einfach bei unserem
Partner abliefern ohne ihn vorher zu fragen.
- 2. Momentan können in unserer Gesellschaft nur 2 Gruppen von Frauen in Bezug
auf Kinder und Karriere tun was sie wollen, naemlich (a) diejenigen, die
sowieso am Liebsten bei ihren Kindern zuhause bleiben wollen und bei denen
ausserdem die Kasse stimmt und (b) diejenigen, die erst gar keine Kinder
wollen.
Was tun aber diejenigen, die beides wollen - Kinder und Beruf? Sie jonglieren
herum, bekommen mit Arbeitgeber wie besorgten Schwiegermüttern gleichermassen
Schwierigkeiten, bleiben in ungewollten Lösungen stecken, die sich so
'eingespielt' haben und sollten sie dabei unzufrieden sein, oder die Kindern
einmal Schwierigkeiten machen, so gilt es zu allem Überfluss noch als ihr
persönliches Versagen. Dies hat auch Cristalina (mit der ich inzwischen
natürlich Briefkontakt habe) als Antwort auf meinen 1. Beitrag sehr
anschaulich beschrieben.
Wie schon in meinem 1. Beitrag erwähnt: In Frankreich hatten praktisch alle
meine Bekannten in meinem Alter (36) Kind(er), hier in Deutschland
nur ca. die Hälfte. Und dies nicht, weil sie es nicht wollten, sondern weil es
nicht geht, bzw. für ihren Beruf zu riskant wäre. Bei den nichtberufstätigen
Hausfrauen schätze ich den Freiwilligkeitsgrad ähnlich gering ein.
Die Wahl zwischen Kindern und Beruf ist eine Wahl zwischen 2
schlechten Möglichkeiten und keine freie Entscheidung oder gar ein
'tun können, was ich will'. In der Psychologie gilt die nicht vermeidbare Wahl
zwischen 2 schlechten Möglichkeiten als der klassische Fall eines Konfliktes.
- 3. Zur Akzeptanz zwischen Hausfrauen und Nicht-Hausfrauen: Selbstverständlich
respektiere ich alle Frauen, die sich im gleichen Konflikt anders entscheiden
als ich. Nicht respektieren kann ich allerdings alle Leute, welche abstreiten,
dass ein solcher Konflikt überhaupt besteht. In diesem Sinne: klar soll
jede(r) sich entscheiden können, wie sie oder er es will. Andere haben
das zu akzeptieren. Von gegenseitigen Schuldzuweisungen halte
ich überhaupt nichts. Mir ist auch völlig klar, dass auch bei idealsten
Kindergaertensystemen einige Frauen trotzdem lieber zuhause bleiben und andere
trotzdem keine Kinder haben wollten. Nichts dagegen. Solange aber fast alle
Frauen entweder nur Kinder oder nur Karriere haben koennen ist diese Wahl
aufgezwungen und weit weg von 'machen können, was wir wollen'. Deshalb
benutze ich diesen Ausdruck nur mit grösster Vorsicht.
Ich finde es völlig daneben, die Lebensform Hausfrau etwas als parasitaer zu
bezeichnen, wie es in einem Brief der Fall war. Mit der Antwort eines Mannes,
die Arbeitsteilung zwischen Haushalt und Berufsleben sei die ideale Jobteilung
bin ich allerdings auch nicht einverstanden.
Für mich ist sie die schlechteste aller Möglichkeiten: Weil sie die
Lebenswelten der beiden Partner trennt. Weil sie einen der beiden abhängig vom
anderen hält. Weil Haushalt nicht zur selbständigen Sicherung des
Lebensunterhaltes taugt. Weil es keine freie Berufswahl mehr zulässt, die den
individuellen Neigungen und Begabungen entspricht (da im Extremfall die Hälfte
der Menschheit auf diesen einen Beruf festgelegt waere).
- 4. Ich wünsche mir ein breites Bündnis aller Frauen und möglichst auch aller
Männer mit der Forderung nach Vereinbarkeit von Kindern und Karriere.
Hauptsächlich auf flächendeckende, gute und preiswerte Kinderbetreuungen und
familienfreundliche Arbeitsbedingungen für Frauen und Männer. (Wie schon
gesagt, solange nur Frauen die Halbtagsjobs und den Elternurlaub in Anspruch
nehmen, macht es meiner Meinung nach nicht viel Sinn.) Wuerden erstmal die
Frauen, Haus- sowie Karrierefrauen, ihren zeitweiligen Zwist vergessen und
unisono die gleichen Forderungen aufstellen, dann haetten wir schon viel
gewonnen. Desgleichen, wenn alle, die ihre private Lösung gefunden haben
(wie besagte Prominente in einem der Beiträge) von ihrem hohen Ross herunter
steigen würden und einsehen, dass nicht für alle Frauen eine befriedigende
private Lösung möglich ist (sondern allenfalls ein Hin- und Herwurschteln
zwischen 2 schlechten Lösungen).
Und vergesst nicht: Sowohl das Wort Hausfrau
als auch das Wort Karrierefrau lässt sich bei Bedarf sofort unterschwellig
negativ und sogar als Schimpfwort verwenden. Und zwar in der Nebenbedeutung,
dass jeweils ein wesentlicher Teil der Persönlichkeit nicht entwickelt wurde.
In beiden Fällen!
Die einzig passende Antwort scheint mir darauf: Wir wollen beides. Die
Gesellschaft hat uns das zu garantieren.
Stefanie am 13.08.98
zurück zum Hausfrauenreport oder weiter zur nächsten Reaktion
|
|