das Mitleid war auf meiner Seite
Der Beitrag von Stefanie spricht mir wirklich aus dem Herzen. Was uns
unterscheidet, ist die Tatsache, daß ich Kinder habe und sie offenbar
nicht. Und ich wünschte mir, Mütter zu kennen, die ähnlich denken oder
schreiben wie sie.
Früher war ich so radikal, daß ich es schlichtweg für gelogen hielt,
wenn Frauen behaupteten, glücklich als Hausfrau zu sein. Inzwischen
hat sich meine Meinung etwas geändert, aber dennoch nehme ich es den
meisten Frauen nicht ab, wirklich ausgefüllt zu sein. Dazu kenne ich
einfach viel zu viele Frauen, die depressiv und unzufrieden sind, und
bei denen ein ständiger Streitpunkt in der Beziehung der ist, daß der
Mann zuwenig auf die Kinder aufpaßt.
Ich war mit meinem ersten Kind längere Zeit alleinerziehend. Mein
damaliger Freund machte sofort Schluß, als er von meiner
Schwangerschaft erfuhr und als meine Tochter 2 1/2 Jahre alt wurde,
traf ich meinen jetzigen Freund und Vater meines zweiten Kindes.
Für mich war immer klar, daß ich weiterarbeiten würde. Ich mußte es
zwar schon aus finanziellen Gründen, aber ich wollte es auch. Als
meine Tochter noch nicht geboren war, wurde ich oft bedauert. Zum
einen, weil ich alleinerziehend sein würde, zum anderen, weil ich
arbeiten müßte. Aber damals hat man es mir nicht so übel genommen wir
heute, daß ich arbeite. Immerhin mußte ich ja. Das Mitleid war also
auf meiner Seite. Zumindest solange, bis ich rundheraus erklärte: Aber
ich will auch arbeiten. Ich würde es auch tun, wenn ich einen
gutverdienenden Partner hätte!
Und wie ging es mir? Ich hatte mit der alleinigen Erziehung keine
Probleme, denn mir griffen oft Freunde unter die Arme und insbesondere
unterstützte mich meine Mutter. Das Glück hat natürlich nicht jede
Frau. Aber niemals wurde ich beneidet, dabei schien es mir, daß ich
tausendmal glücklicher war, als die vielen Frauen, die ich in 2
Geburtsvorbereitungskursen, die ich machte, kennengelernt hatte.
Denn auch sie waren alleinerziehend - der Praxis nach, nicht dem
Status nach. Und das schien mir viel schlimmer. Ich wußte immer, daß
ich auf mich alleine gestellt war, meine Freunde wußten es auch. Und
so halfen sie ganz selbstverständlich mit, und zwar Männer ebenso wie
Frauen. Selbst mein ehemaliger Chef hat so manche Windel gewechselt.
Aber bei vielen anderen Paaren stellte ich fest, daß die Männer sich
im Büro herumdrückten, bis die Kinder totsicher schliefen und die
Frauen fühlten sich physisch überfordert und psychisch unterfordert.
Außer meiner - ich nenne sie mal Schwiegermutter (ich lebe seit 6
Jahren wieder mit einem Freund zusammen), obwohl ich nicht
verheiratet bin - kenne ich keine einzige Frau, die mir glaubhaft
vorgelebt hat, eine zufriedene Hausfrau zu sein.
Für meine Tochter bekam ich erst einen Platz im Kinderladen, als sie
schon 3 Jahre alt war. Bis dahin paßte meine eigene Mutter täglich auf
sie auf. Unseren Sohn brachten wir schon mit einem Jahr in einen
Kinderladen. Zur gleichen Zeit haben wir - mein Freund und ich - eine
Softwarefirma gegründet, hatten also verdammt viel Arbeit. Haben sie
immer noch. Auch er wurde nach einer kurzen Pause von 6 Wochen täglich
von meiner Mutter betreut, bis er - wie schon gesagt - mit einem Jahr
in einen Kinderladen kam.
Ein schlechtes Gewissen hatte ich trotzdem nie. Im Kinderladen von den
1-3jährigen wurden z.B. 8 Kinder von 2 Frauen ganztags betreut, dazu
kam noch eine Praktikantin und ein Zivi. Die Kinder gingen täglich auf
den Spielplatz, sie machten sehr oft Ausflüge und diese kleine
Kindergruppe ist mittlerweile sehr fest zusammengewachsen. Ich kenne
keine Hausfrau und Mutter, die ihren Kindern sowas bieten kann.
Früher trafen die Kinder andere Kinder täglich auf der Straße oder
auf dem Bauernhof. Aber heutzutage sind sie doch darauf angewiesen,
daß die Mutter (meistens die Mutter) irgendwas organisiert. Im
Kinderladen war es, wie früher in der Großfamilie, auf dem Bauernhof.
Nur, daß eben weniger gearbeitet und stattdessen mehr gespielt wurde.
Ich selbst war übrigens nie im Kindergarten, weil meine Mutter -
Hausfrau- keinen Platz für mich bekam. Und ich erinnere mich noch
daran, wie ich es oft langweilig fand, weil ich keine anderen Kinder
zum Spielen hatte.
Aber meine Mutter ist auch täglich mit mir auf den Spielplatz
gegangen. Da wollte ich aber erst recht nicht hin, denn dort kamen
immer andere Kinder zum spielen. Die waren mir fremd und ich war sehr
schüchtern.
Erst in der Schule fand ich sowas wie eine feste Kindergemeinschaft.
Meinen Kindern konnte ich sowas zum Glück schon viel früher
ermöglichen.
Ich kenne viele Hausfrauen. Teilweise arbeiten sie als Tagesmutter,
teilweise bleiben sie aus Überzeugung zu Hause, teilweise (die meisten
Fälle) hat sich das so eingeschliffen. Sie wollten eigentlich nur kurz
aussetzen, verpaßten dann aber den Anschluß ans Berufsleben.
Mittlerweile ist der Mann beruflich und finanziell aufgestiegen und
daß er mal kürzertritt, steht überhaupt nicht mehr zur Debatte. Und
nun, wo er ja schon so viel arbeitet, kann sie nicht mehr. Schließlich
muß sich ja auch noch eine um den Haushalt kümmern.
Ich habe unterschiedliche Frauen aufgezählt, die aus ganz
unterschiedlichen Motiven heraus Haufrau geworden sind. Aber sie alle
erledigen nebenbei ihren Haushalt. Sie gehen zwar auch alle täglich
mal mit den Kindern raus, aber keine macht so häufig ein aufwendiges,
kindgerechtes Programm mit den Kindern, wie ich es im Kinderladen so
oft erlebt habe.
Hinzu kommt, daß ein Kinderladen in der Regel über wirklich tolles
Spielzeug verfuegt. Letztes Jahr zu Weihnachten wurde fuer die
Kindergruppe z.B. ein "Zauberwald" gekauft, eine kleine
Phantasiewelt, die man auf dem Fußboden aufbauen kann (sofern Platz
genug ist!). Die Kinder sind begeistert. Der Zauberwalt hat - glaube
ich - 200 DM oder 300 DM gekostet, viel zu viel jedenfalls fuer die
allermeisten Familien. Auch sowas geht nur in einem Kinderladen.
Genau das gleiche gilt fuer die Musikinstrumente, die der Kinderladen
sich angeschafft hat. Ich mache selbst gerne Musik und erblasse
jedesmal vor Neid, wenn ich die Sammlung aus dem Kinderladen
betrachte.
Daraus geht auch schon hervor, dass die Kinder auch sowas wie
Musikunterricht (bei uns nennt sich das musikalische Frueherziehung)
bekommen. Das findet immer in kleinen Gruppen, mit nur 6 Kindern
statt und dafuer kommt ein extra Pädagoge.
Ebenfalls in kleinen Gruppen wird regelmäßig zum Schwimmen und Turnen
gegangen.
Zu Hause sieht das einfach ganz anders aus. Die Möglichkeiten
einer einzigen Frau sind begrenzter, auch wenn diese nur ein Kind
zu betreuen hat. Und wohl kaum eine Hausfrau hat Lust, daß die Kinder
sich mit Fingerfarbe über die gerade frisch geputzten Fensterscheiben
hermachen. Aber im Kinderladen geht sowas. Da werden teilweise sogar
sehr aufwendige Malaktionen veranstaltet. Aber im Gegensatz zur
Hausfrau wissen die ErzieherInnen ja auch, daß sie irgendwann mal,
und zwar zu einem ganz bestimmten Termin, Feierabend haben werden.
Und dann wird eine Putzfrau kommen, oder die Eltern müssen
saubermachen.
Eine Hausfrau dagegen weiß, daß sie nie Feierabend haben wird. Weder
nimmt den meisten von Ihnen zu einer bestimmten Zeit jemand alle
Kinder ab, noch rückt bei den meisten von Ihnen zu einer bestimmten
Zeit die Putzkolonne an.
Beide Kinder von mir sind gerne in ihre Kinderläden gegangen. Ich
selbst meine sogar, meinen Kindern was ganz besonders gutes gegönnt zu
haben, nämlich eine herrliche Spielzeit mit einer ganz festen, kleinen
Kindergruppe!
Wenn ich das so offen sage, ernte ich kaum je Widerspruch. Aber bevor
ich das sage, höre ich oft ein Unbehagen, Kinder schon so früh
wegzugeben. Als einziges Argument kommt dann: So kleine Kinder
brauchen ja doch noch die Mutter.
Wieso? Und wieso eigentlich nicht den Vater? Oder zumindest den Vater
genauso?
Als mein Sohn geboren wurde, war meine Tochter sehr eifersüchtig und
eine zeitlang sehr unkonzentriert und sehr darauf bedacht, im
Mittelpunkt zu stehen. Dasselbe höre ich auch oft von Hausfrauen, die
ein weiteres Kind bekommen. Aber während man zu denen wohl sagt: Na
ja, das war bei meinen eigenen auch nicht anders.... oder: Ach, das
vergeht auch wieder.... bekam ich zu hören: Kannst Du nicht vielleicht
weniger arbeiten? Nie bekam ich sowas wie einen kleinen Trost.
Mein Freund wurde das übrigens nie gefragt. Dabei teilen wir uns die
Arbeiten völlig gleichmäßig. Das gilt für die berufliche Arbeit, wie
auch für die Arbeit mit den Kindern als auch für die Hausarbeit. Er
bringt die Kinder jeden morgen, ich hole abends ab. Bei den
Elternabenden wechseln wir uns genauso ab, wie bei den Elternabeiten,
die von Zeit zu Zeit im Kinderladen anfallen.
Aber er ist nicht auch nur ein einziges Mal gefragt worden, ob er
seine Arbeit nicht vielleicht einschränken wolle.
Genau wie Stefanie denke auch ich, daß in erster Linie Männer von
solcherart Schuldzuweisungen zwischen Frauen profitieren. Eine Frau
soll von mir aus arbeiten können oder zu Hause bleiben können. Ganz,
wie es ihr lieber ist. Aber berufstätige Frauen tuen nichts anderes
als berufstätige Männer, und man sollte ihnen doch auf jeden Fall mit
der gleichen Toleranz gegenübertreten, wie auch den eigenen
Ehemännern.
Ich halte es außerdem für puren Blödsinn, daß Kinder, auch Babys,
unbedingt die Mutter brauchen. Männer können ebenso lieb mit ihnen
umgehen und wenn sie schon nicht stillen können, dann können sie
immerhin auch mal abgepumpte Muttermilch füttern.
Ein langer Kommentar, aber Stefanie hat sich ja auch sehr viele
Gedanken gemacht.
Viele Grüße Cristalina am 14.05.98
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