30.04.1997
Gestern im Chat traf ich auf eine lustige "Ansicht". Ich denke unter den Männern ist sie weit verbreitet
und es scheint mir an der Zeit, mit diesem Irrtum aufzuräumen!
Also, es wurde tatsächlich der höchst absurde Gedanke geäußert, Dessous hätten irgendwas mit
Männern zu tun oder würden aufgrund ihrer Wirkung auf Männer gekauft und getragen.
Falsch, ganz falsch...
Kaum jemals gibt eine Frau derartig viel Geld für Dessous aus, wie kurz nach einer Trennung.
Es gibt Dinge, die man schlicht als Champagner für die Seele bezeichnen kann. Teure Düfte,
neue Klamotten, Badeöle und Make-up - nichts was man wirklich braucht, aber doch Dinge, die
ein gebrochenes Herz zur Heilung treiben. (und weniger folgenlos für den Körper, als Schokolade,
Chips, Eclairs und Pralinen...)
Nein, liebe Männer, Dessous kaufen wir nicht wegen Euch -
Attraktivität ist für die meisten von uns ein nettes Hobby, kein Männerlockmittel.
Die Zeit, in denen Frauen versuchen für Euch attraktiv zu sein, verpassen die meisten von Euch total.
Wann die gewesen ist?
Versucht Euch mal zu erinnern - oder wühlt in alten Fotos aus der Schulzeit.
Fünftes, sechstes Schuljahr, die Mädels haben gesunde Haare und adrette Kleidung an -
siebtes, achtes Schuljahr und es ging los...
Wir entdeckten die Dauerwelle und diverse Angebote aus dem Supermarkt, mit denen wir die Haare
selber und sehr natürlich blondieren, rabenschwarz oder feuerrot färben konnten.
Wir entdeckten den Kajalstift, der uns zu einer hocherotischen Leichenausstrahlung verhalf, wir
entdeckten Rouge, daß uns eine ganz natürliche Frische verlieh.
Wir verklebten uns die Lippen mit Lippgloss und stanken nach synthetischer Erdbeere,
trugen aufregende, indische Tücher und nähten unsere Hosen enger, bleichten sie in einer Domestoslauge
oder schnitten sie so, daß sie cool franselten. Unsere Nägel wurden lang und bunt -
und Ihr?
Wußtet Ihr all das zu würdigen?
Ist es Euch überhaupt aufgefallen?
Eure Themen - Autos, Mopeds, Fußball, Stereoanlagen und (gab es die da schon?) Computer!
Nun, wir ließen uns nicht beirren, verbrachten die Schulpausen mit sehnsüchtigen Blicken, wobei
es gar nicht so einfach war, etwas Schwärmenswertes zu entdecken. Mädchen sind zäh
und deshalb kamen wir darauf, von "schönen Augen" zu sprechen.
Hat er nicht schöne Augen???
Geheiligter Selbstbetrug - Ihr habt ja nicht mal im entferntesten daran gedacht, Euch unseretwegen mal
etwas Mühe zu geben... Pures Glück, wenn das Objekt unserer Begierde sich täglich wusch -
Gewohnheit, Erziehung, aber Euer Aussehen war Euch in Hinsicht auf uns ziemlich schnuppe.
Richard Gere ging in seiner strahlend weißen Uniform in die Papierfabrik und trug Debra Winger
auf seinen starken Armen in eine verheißungsvolle Zukunft - Ihr habt in der Pause mit Tennisbällen
gekickt oder im Fahrradständer mit wackeliger Stimme über 10Gangschaltungen gefachsimpelt.
Plötzlich, ein zwei Jahre nach uns, kamt Ihr dann endlich auf das Thema Mädchen
aber auch das war wieder eine unsagbare Enttäuschung.
Es ging dabei nicht wirklich um uns, sondern wir waren für Euch nur Thema, um den anderen Jungs
zu imponieren. Mädchen wurden für Euch keine verführerischen Wesen, sondern schlicht Trophäen.
Statt uns verliebte kleine Briefchen zuzustecken, wurde wir im Unterricht mit Radiergummis beschossen
oder fanden obskure "willst du mit mir gehen?" Zettel. Die netteren Jungs ignorierten uns weiterhin,
die anderen übten sich in der Meisterschaft, einem in Sekundenschnelle von hinten durch den Pullover
den meist relativ überflüssigen BH zu öffnen.
Zu der Zeit fingen wir an, schon ziemlich abgenervt zu reagieren. Wir begriffen, daß nicht die
wahnsinnige erotische Ausstrahlung die netten Männer anlockt, sondern List, Tücke und Ausdauer -
viel, viel Ausdauer.
Wir sahen höchst langweilige Fußballspiele und feuerten Euch begeistert an.
Eine Freundin lernte eifrig absolut alles über Mopeds und Motorräder auswendig und
langsam wurden wir belohnt. Sie jedenfalls durfte aufgrund ihres umfangreichen Wissens einen
ganzen Winter hinten auf einer MTX mitfahren, während wir ihr neidvoll aus dem Bus nachsahen.
Zwar war sie ständig erkältet, aber doch der Romantik schon sehr nahe.
Ich erinnere mich daran, mit einer anderen Feundin ständig im Schwimmbad gewesen zu sein,
weil der Aushilfsbademeister ihr sehr gefiel. Wir schmiedeten wilde Pläne, die ihn in die
Lage bringen sollten, sie zu retten und sich unsterblich in sie zu verlieben - leider stellte sich heraus,
daß sie sehr viel besser schwimmen konnte. Nie kam der Tag, an dem er mit seiner weißen
Bademeisteruniform ins Wasser hechtete um sie mit seinen starken Armen zu retten...
Schwimmbäder überhaupt... Im Sommer zählte nur eines, um Eure Aufmerksamkeit zu erregen -
nicht etwa der gewagte knappe Bikini - sondern die Trockenheit.
Begehrt waren die Mädels, die rein zufällig noch knochentrocken am Becken vorbei gingen
und dabei überhaupt nicht merkten, daß eine Horde Jungs auf der Lauer lag, um sie ins Wasser
zu schubsen und zu döppen.
Wie elendig frustrierend, wenn man vom falschen Jungen reingeschubst wurde - du meine Güte,
bis man endlich wieder trocken genug war, um das nächste Mal zufällig am Beckenrand
entlang zu gehen...
Und dann eines Tages dann das endgültige Erwachen. Man wird von einem schwer erröteten
Jungen zu irgendwas eingeladen, und hofft nun pochenden Herzens auf einige romantische
Worte, das Geständnis, wie lange er sich schon nach einem verzehrt, vielleicht einem scheuen Kuss
auf die Wange - und dann... Am nächsten Tag erzählt man seinen Freundinnen entsetzt:" stellt euch
vor, er hat mir seine Zunge in den Mund - so ein Widerling - meint der ich sei eine von diesen... !!!"
Ich denke, danach vergeht noch einige Zeit, bis sich unsere Ideen und Vorstellungen ein wenig
angleichen, obwohl sie vermutlich nie ganz übereinstimmen...
Nein, liebe Männer - wir lernten langsam einen eigenen Stil zu finden. Nicht dadurch, daß Ihr
positiv oder negativ auf uns reagiert habt, sondern durch kritische, stundenlange Konsultationen
des Spiegels und dem Studium diverser Zeitschriften.
Dessous kommen eh erst später - wessen Eltern sehen schon die Notwendigkeit ein, dem Töchterlein
Träume in Seide und Spitze zu spendieren? Ein Date mit einem von Euch ist nur einer von vielen
Anlässen, in einen Hauch aus Nichts und Luxus zu schlüpfen. Zahnarztbesuche, Prüfungen,
Vorstellungsgespräche und Gehaltsverhandlungen (bei denen der Gegenüber nichts davon zu sehen bekommt)
sind ebenso gute Anlässe.
Nö, nö, liebe Männer. Schön, wenn unser Wäschespleen Euch gefällt, aber bildet Euch darauf mal
lieber nicht zu viel ein -
oder meint Ihr auch, daß die Sonne morgens aufgeht, damit Ihr Licht habt?