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Neues vonder Hausfrau

Lippenstiftlinie

ein fremder Fuß auf meinem Stuhl

Soeben habe ich in der Zeitung gelesen, daß die älteste Frau Kölns gestorben ist. Zwei Tage nach ihrem 105. Geburtstag.
Aber wie das dann so ist, mit den ältesten Frauen, wenn die eine stirbt, gibt es sogleich und ohne großes Getue eine neue, älteste Frau Kölns und ich war arg beruhigt, daß es Johanna aus der Südstadt traf und nicht mich.
Irgendwann wird das passieren - ich schlage die Zeitung auf, lese, daß die älteste Frau Kölns gestorben ist und die neue, älteste Frau Carola Enning heißt. Der Tag ist sicher nicht weit.
Jedenfalls ist es doch gestern schon wieder passiert, daß mir eine Parfümerie-Verkäuferin kein Pröbchen eines hilfreichen Produkts gegen den widerlichen Ölglanz meiner Haut gegeben hat, sondern diesmal:
Time fighting Serum von Christian Dior...
Ich will wieder den Kram gegen den Ölglanz!
Es war arg genug das Gefühl zu haben, mal wieder zu glänzen wie eine schlecht gepuderte Speckschwarte.
Sanfte Hinweise auf meine rasende Vergreisung könnten dazu führen, daß ich meine Entscheidung, mich mit Nagellacken statt mit Schokolade zu trösten, wieder überdenke!
Ja, Nagellacke. Chanel, bitte schön.
Regina fragte gestern spitz, ob ich einen extra Schrank für meine Nagellacke habe (habe ich!), was wohl ein Zeichen dafür sein könnte, daß sie meiner spontanen Nagellack-Kauflust schon öfter beigewohnt hat. Was wiederum daran liegen könnte, daß sie kein Handy hat und dadurch schon öfter besagte Kauflust ausgelöst hat.
Gestern nämlich waren wir verabredet. Mal wieder eine Lesung, diesmal las Frau Else Buschheuer.
Egon hatte sich aus Hamburg zu Besuch angesagt und so verabredeten wir uns auf dem Gleis, wo sein Metropolitan eintreffen sollte um 18.42 Uhr. Leider, leider gab es in seinem Gebraucht-Elefanten-Handel mal wieder Probleme und Egon kam nicht. Dafür rief Egon an und plauderte. Intensiv, ausschweifend, ausführlich - Ihr wißt schon, Männer am Telefon ...
Dafür erschien der andere Mann nicht, der die Kinderlein übernehmen sollte, damit ich gehen konnte.
Als er kam, hatte ich es dann eilig, pünktlich zum Bahnhof zu kommen, an dem Egon nicht ankommen, aber Regina warten würde.
Kaum, vollkommen abgehetzt, am verabredeten Gleis angekommen, brachte ich Regina also davon ab, fremde Männer auf ihre Egonhaftigkeit hin zu checken und schleppte sie mit in eine schöne, große Drogerie, die sich in unserem schönen, großen Bahnhof befindet.
Danach hielt sie mich davon ab, der puppenhaft geschminkten Verkäuferin ein zeitbekämpfendes Serum in die Augen zu sprühen und schleppte mich stattdessen in - Überraschung: eine Sushi-Bar, wo wir große Mengen rohen Fisch zu uns nahmen und ich meine Nägel lackierte.
Anschliessend gingen wir in die Mayersche, ich verschenkte Egons Karte und Regina suchte Plätze aus.
Unauffälliges Mittelfeld, keine Chance zu sehen, ob Frau Buschheuer ähnlich schauderhafte Socken trüge wie Herr Sedaris.
Kaum saßen wir, füllte sich auch die Reihe hinter uns mit einigen Lesben, die sich nicht unterbuttern liessen und den kleinkarierten, kleinherzigen Kleinbürgern den offenen Krieg erklärt hatten.
Ich finde es sehr gut, wenn sogenannte Randgruppen sich nicht unterdrücken lassen. In Köln haben es Homosexuelle damit schon zu einer breiten, allgemeinen Akzeptanz gebracht. Und so stiessen auch die Damen hinter uns auf keinerlei Widerstand, ihre Neigungen offen auszudrücken.
Auch ich, die biedere, hüftgewaltige Reihenhausfrau hatte keinerlei Probleme mit gleichgeschlechtlichem Geschmuse hinter mir, machohaften Sprüchen, was man mit der Else-Schnecke nach der Lesung so anstellen könnte und zotig männerfeindlichen Sprüchen.
Was mich nun überhaupt dazu bringt, die demonstrativen Damen hinter mir zu erwähnen ist, daß eine von ihnen zur Demonstration ihres Selbstbewusstseins ihren Fuß mit auf den von meinem Hintern umfassend belegten Stuhl stellen mußte.
Ich mag das nicht. Meine Privatsphäre, insbesondere die meines Gesässes, ist mir heilig.
Und so war ich bei der Lesung abgelenkt.
Ich versuchte mein Gesäß zu befreien, indem ich meinen Stuhl ein wenig nach vorne zog und einen Seitenblick anwandte, der meine Kinder zum sofortigen Wegräumen ihrer Schuhe / Ausräumen der Spüle / Genuschel einiger Entschuldigungen treibt.
Die Dame hinter mir unterstellte aber sofort und geübt, lesbenfeindliche Tendenzen, die sie mir keinesfalls durchgehen liesse. So wurde hinter mir kurz getuschelt und im nächsten Moment befand sich der Fuß wieder auf meinem Stuhl.
Ich gab auf, denn ich weiß, wann ich geschlagen bin. Lieber ein Fremdfuß auf meinem Stuhl, als auf so eine zwanghafte Selbstdarstellerin einzugehen, die einen mit irgendwas provozieren, um sich dann hinter ihrer Randgruppenangehörigkeit zu verstecken. Kurz überlegte ich, Regina vertraulich meine Zunge ins Ohr zu stecken und dann meine Nagelschere in den Fremdfuß zu rammen, aber Frau Buschheuer näherte sich in ihrer Lesung dem 11. September und angesichts der drohenden Emotionen wäre eine blutige Prügelei im Zuschauerraum unangenehm aufgefallen.
Über Frau Buschheuers Strümpfe kann ich wie gesagt nichts sagen, aber dafür könnte ich von einer ziemlich schauderhaften Brille berichten. Die Damen hinter mir registrierten eher lautstark die Frisur. Lauter kleine Zöpfe, die zu einem zwiebeligen Dutt zusammengefaßt waren und die dazu führten, daß die Else-Schnecke als Lustobjekt des späteren Abends nicht mehr in Betracht gezogen wurde. Ein (über die gesamte Lesung hin) fürchterlich hustendes Wesen schlug das sofortige Verlassen der Veranstaltung vor, konnte diesen Punkt aber leider nicht weiter ausführen, da ein weiterer Hustenkrampf sie unterbrach. Ich bedaure aufrichtig, keinerlei Hustenbonbons bei mir gehabt zu haben.
Nein, so berichtet man nicht über eine Lesung.
Frau Buschheuer las nicht aus Ruf! mich! an! sondern aus www.else-buschheuer.com.
Nein, sie hatte keinen Laptop vor sich stehen und las aus ihrer Webseite vor, sondern das Buch heißt so und die in diesem Buch veröffentlichten Tagebuchpassagen sind auch nicht mehr online. Aber, Frau Buschheuer betonte, daß ihr New-Yorker Tagebuch nicht nach den Geschehnissen um den 11.09. herum schnell auf den Markt geworfen wurde, sondern der Buchvertrag schon lange vorher bestand.
Ich wette, daß auch zum derzeit anwachsenden Tagebuch schon ein Buchvertrag besteht und Frau Buschheuer an ihren Problemen, für Bücher einen guten Anfang und ein noch besseres Ende zu finden, gearbeitet hat.
Sie las auf der Lesung (übrigens ist sie die erste Autorin, die ich nun erlebt habe, die auf einer Lesung las. Bisher haben alle Autoren auf ihren Lesungen eigentlich eher erzählt, denn gelesen, aber Frau Buschheuer las.) eine entsprechende Passage vor, daß sie in Sachen Schluß bisher eher ratlos war. Beim nächsten Buch wird das anders sein, da bin ich ganz zuversichtlich.
Beginnen wird ihr nächstes Buch mit dem eher skeptischen Interesse an den Krishnas, der Mittelteil wird eingenommen von ihrer derzeitigen Begeisterung und das Ende dürfte dann die Ernüchterung und Abkehr einnehmen.
Mit anderen Worten, ich fühlte mich auf der Lesung leise manipuliert und hatte bis zum Ende nicht das Gefühl, irgendwas über Frau Buschheuer zu erfahren. Anfangs ein wenig sensible Autorin Show, für die das Licht mehrfach gedimmt werden mußte, bis man von der fragilen Gestalt mit tief religiösem Geschmeide kaum noch etwas sah, dann dramaturgisch recht geschickt gesteigerte Spannung, indem sie sich mit ihren Lesepröbchen DEM 11.09. näherte, den sie dann aber nicht weiter vorlas, da er aus vielen Mails und so bestand, die man schwer vorlesen konnte.
Dann las sie recht geschickt, um sich vom verruchten Ruf! mich! an!-Image zu lösen noch einige Mails eines brünftigen Mannes vor, der doch tatsächlich der Meinung war, daß frau, um ein derartiges Buch zu schreiben, eine gewisse Freizügigkeit aufweisen müßte und die in ihm die Sehnsucht, den Platz des rektal getragenen Rettichs einzunehmen, weckte.
Dann durften wir Fragen stellen und es kam zum Zusammenprall zweier Selbstdarstellerinnen, der beide sekundenlang entgleisen ließ.
Frau Buschheuer hatte von dem Besuch ihrer Tochter in New York vorgelesen. Sie hat damals übrigens mein Interesse durch einen Artikel in der Emma geweckt, in dem sie sehr anschaulich und verständlich schilderte, wie es dazu kam, daß ihre Tochter nicht bei ihr, sondern beim Kindsvater aufwuchs und wie neben dem eigenen Unbehagen über diese relative Trennung das Unbehagen Fremder dazu kam. Ja, es ist schon seltsam, was (potentielle) Mütter zu äussern im Stande sind, wenn sie davon hören, daß eine Mutter es über das Herz bringt, ihr eigenes Kind im Stich zu lassen. Wobei dieses im Stich lassen in Frau Buschheusers Fall nicht bedeutete, daß sie ihre Tochter bei Nacht und Nebel am Bahnhof aussetzte, sondern behütet und umsorgt beim eigenen Vater.
Egal, im Stich ist im Stich und so etwas ist unverzeihlich ... wer sich wagt, trotz der Kinder berufstätig zu sein, kann sich evtl. vorstellen, was Mütter um die Ohren gehauen bekommen, die ihre Kinder beim Vater lassen - und sei es nur für wenige Wochen, wie einst Hera Lind, die dafür von Everybodies Darling zum Hakle Feucht der Nation abrutschte.
Und so kam es zum vermutlich allgemein vollkommen unbemerkten Höhepunkt des Abends:
zwei, die vermutlich zu oft schon igendwelche saudummen Kommentare für etwas wegstecken mußten, das andere eigentlich überhaupt nichts anging, kreuzten kurz den Weg und verpaßten vollkommen eine evtl. Leidensverwandschaft.
Ja, nur eine hüftgewaltige Reihenhausfrau bekam ihn mit und weiß doch nicht viel damit anzufangen:
Hinter mir lag, an ihre Freundin gekuschelt, die eine Selbstdarstellerin. (Lag, damit ihr Fuß doch noch mit auf meinen Stuhl reichte, den ich im Verlauf des abends immer weiter weggezogen hatte ...) und nuschelte die erste und einzige Frage des Abends hervor:
Wo lebt' n das Kind?
Frau Buschheuer zuckte kurz und bat um Wiederholung der Frage.
Die mangelnde Privatsphäre meines Hinterns war gerächt. Gibt es etwas unangenehmeres, als eine Frage vor so vielen Menschen noch einmal wiederholen zu dürfen?
So pampte die Dame noch einmal etwas lauter:

Wo lebt' n das Kind?

und erhielt neben kurzem Augenrollen die Antwort: ja, ja, das Kind lebt!
Danach ging hinter mir das empörte Getuschel los und auf der Bühne schaute Frau Buschheuer noch gelassener und noch souveräner drein. Weitere Fragen wurden nicht gestellt, dafür bildeten sich lange Schlangen von Leuten, die gerne ein signiertes Exemplar ihres Buches haben wollten.
Regina und ich aber machten uns auf den Weg, den Nachteil einer jeden Sushi-Bar zu beheben: Tiramisu + Milchkaffee beim nahe gelegenen Italiener zu uns zu nehmen.

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