
Die Hausfrau und das Telefon

Was Telefone angeht, macht man einige Entwicklungsphasen durch.
Damit meine ich gar nicht die Zeit, in der man noch niedlich und klein war und geduldig erklärt bekam,
daß man die Wählscheibe bis ganz durch drehen muß. Übrigens mochte ich die Wählscheiben
lieber, insbesondere das Wählen mit dem Bleistift, um sich die Nägel nicht zu ruinieren. Irgendwie
hatte das was, was die Tasten nicht haben ...
Ich meinte mehr den Schritt, der zwischen dem nervlichen Wrack liegt, welches hektisch in seiner Tasche
kramt, oder hilflose Babies allein in der Badewanne lässt, um
rechtzeitig an das klingelnde
Telefon zu hechten, nur um zu erfahren, daß ...
- ... sagt doch Holger ernsthaft ... aber da habe ich ihm gesagt ... und dann meinte er doch tatsächlich ...
- ist da nicht Schmidthuber? Ja, aber ich wollte doch Schmidthubers sprechen ...
- wir machen eine Umfrage zum Thema Dosenbier. Welches Dosenbier ...
und dem abgebrühten Eisklotz, der ungerührt Miss Marple zuende sieht, oder mit Schlammpackung in der
Badewanne bleibt und danach ganz in Ruhe den Anrufbeantworter abhört, oder mal einen Blick auf das
ISDN-Display wirft und dann entspannt zurückruft.
Früher dachte ich, gute Menschen oder gute Freunde sind jene, die erreichbar sind, bis ich auf jemanden
stiess, der darauf beharrt, zumindest ein guter Freund zu sein und dennoch klingelnde Telefone ganz
hervorragend ignorieren kann.
Einmal traf ihn die ganze Ladung
berechtigter Vorwürfe, die dieser Frevel verdiente, aber
insgeheim begann der Gedanke bei mir selbst zu keimen, wobei ich ihn aber, da ich eine Frau bin,
gleich perfektionierte. Statt unter anhaltendem Gebimmel zu leiden, welches vielleicht doch mein Gewissen
prügeln könnte, begrenzte ich die Anzahl der Klingeltöne meines Telefons, bevor es
auf mein Handy und somit den Anrufbeantworter umspringt.
Ganz ganz selten mal geschieht es, daß ich gerade mit dem letzten Klingeln das Telefon erreiche,
es an mein Ohr reisse und dann in einer anderen Ferne mein Handy klingelt - aber auch das ist kein
Argument, verglichen mit der Konditionssteigerung, die ich hinsichtlich eines Sprintes aus dem Keller an
das Telefon erreicht habe. Wer braucht Susan Powter, wenn er eine Treppe im Haus hat?
Überhaupt ist die Befreiung von der
Dran-geh-Verpflichtung ähm, befreiend ...
Das Telefon klingelt, ich schaue ins Display, denn eigentlich muß ich genau jetzt los, Michaela
abholen. Je nach Nummer, die erscheint, kann man es riskieren, kann es sogar sinnvoll sein, noch abzuheben.
Je nach Nummer kann es sehr sinnvoll sein, nicht abzuheben, um jemandem, der garantiert viel
Zeit und Aufmerksamkeit braucht, nicht noch den Rest des Selbstbewusstseins zu zertreten, indem man
ihn abwimmelt. Man ist halt schon weg gewesen, ruft aber doch jetzt an und hat Zeit. Ja, so ein Rückruf
kann viel netter sein, als ein
trotzdem-drangehen.
Andererseits - persönlich mag ich den Gedanken noch immer nicht, daß jemand nicht drangeht,
wenn ich anrufe. Dass jemand nicht patschnass aus dem Badezimmer stürmt, um den glockenhellen Klang
meiner lieblichen Stimme zu hören,
sich nicht aus der Konzentration reissen lassen möchte um
zu erfahren, was Holger gesagt hat und was ich ihm dann gesagt habe, oder zumindest gerne gesagt hätte ...
Daher bin ich selbst mittlerweile dazu übergegangen, daß Telefon bei
nicht-drangeh-Verdächtigen
nur noch dreimal klingeln zu lassen. Das Resultat ist verblüffend. Einerseits (ver)schone ich ihre Nerven,
wenn sie gerade nicht telefonieren können/möchten, aber andererseits heben sie blitzschnell ab, sobald
sie meine Nummer erkennen - ja, und dann weiß ich, daß ich etwas ganz besonderes bin und brauche
noch nicht einmal ein goldglitzrig eingepacktes, kalorienreiches Bonbon dazu ...