
Abenteuer, Ökoladen

Letzte Woche war mein Käsehändler auf dem Markt im Urlaub. Statt seines Standes war ein großer,
freier Platz am Markt, der einen großen, freien Blick auf einen gelangweilten Fleischstandbesitzer zuließ.
Nach dem Marktbesuch verbrachte ich also einige Zeit an der Käsetheke eines Supermarktes und las die
kleinen Schildchen auf dem verschweißten Käse an der Frischtheke.
Nach einer Weile fragte mich die Verkäuferin, was ich denn suchen würde.
Ja, wie sollte ich es ihr erklären?
Einen Käse ohne Aroma und E-werweißwiewieviel.
aber das sind doch nur Kräuter und harmlose gelbe Farbe, beruhigte sie mich.
Es sind keine Kräuter und die Farbe mag harmlos sein, aber was hat sie in meinem Käse zu suchen?
Die gelbe Farbe soll zu der Annahme verlocken, daß man ein Stück lecker gereiften Käse
erwirbt - wenn die Farbe aber durch irgendein E hineingeschummelt wird, ist der Käse wohl nicht
lecker gereift - aber was ist er dann?
und da ist keine Rinder-Gelantine drin! sagte sie. Gelantine? Im Käse? Hey, das wußte ich
ja noch gar nicht. Nach dieser ausführlichen Beratung fand ich ein Stück dänischen, ungefärbten
Butterkäse und verkrümelte mich an die Kasse.
Der Butterkäse verschwand in Sekundenschnelle beim Abendbrot. Haps!
Wie sollte ich der noch immer hungrigen Familie erklären, daß das Einkaufen derzeit eine mühevolle
Angelegenheit ist, weil Muttern beim Lesen der Inhaltstoffe das Fürchten lernt?
Nun, es gibt einen Ausweg - man muß nur die Einkaufs-Routine ändern und nicht zu den herkömmlichen
Supermärkten fahren, sondern einen Ökoladen aufsuchen. Ganz einfach!
eigentlich ...
Ich bin nie jemand gewesen, der viel mit dem Auto in der Stadt herumfährt. Ostern werde ich uns von
hier nach Wales bringen. Es wird mich nicht im mindesten irritieren, mittendrin plötzlich spiegelverkehrt
zu fahren, klitzekleine Strässchen und Schilder auf denen grundsätzlich alle Orte mit Lll beginnen,
können mich nicht schrecken. Auch fremde Städte in Deutschland sind kein Problem - aber Köln
ist ein sehr weißer Fleck auf meiner inneren Landkarte. Wenn ich irgendwohin möchte, lande ich
grundsätzlich auf der falschen Rheinseite und meine Methode, Köln aussen zu umkreisen, statt
quer hindurch zu fahren, ist nicht unbedingt zeitsparend.
Egal, wir waren bereits einmal bei diesem Markt gewesen und so sollte ich die Strecke problemlos wiederfinden.
Um einen richtigen Strich unter mein bisheriges Einkaufsverhalten zu ziehen, fuhren wir kurz bei dem alten
Supermarkt vorbei um die Pfandflaschen abzugeben. Vor meinem inneren Auge sah ich, wie die Verkäuferin
mir das Geld auszahlte und sich leise wunderte, weshalb ich nichts kaufte. Diesem Blick wollte ich mit einem
überlegenen
weil wir uns künftig gesund ernähren-Blick begegnen.
Nun, dazu kam es nicht, weil Oliver meine Ansicht, daß man keine Produkte, auf denen
Kinder-
steht, kaufen sollte nicht teilt und aus dem Kühlregal einen Viererpack Kinder-Extra-Verarsche anschleppte.
So zum Abschied gönnte ich es ihm. Der Pfand überstieg diesen Betrag noch immer ...
Das Tschibo-Regal bremste mich dann aus. Nein, nein - nicht der Kaffee -
natürlich nicht ...
sondern eine gigantische Mehrfachsteckdose mit Platz für drei dicke und 6 dünne Stecker.
Es sind diese Artikel, die mich gelegentlich magisch zu Tschibo und in den Aldi locken. Die Kinderkleidung
von Tschibo dürfte mittlerweile einen besseren Ruf haben als der Kaffee und um nichts in der Welt
würde ich mir den Spaß verderben wollen, im Kindergarten unter 60 identischen Tschibo-Gummistiefel-Paaren
das meines Sohnes wiederzufinden. Nervenschonend ist es, in solchen Moment einen schwarzen Edding mitzuführen
und sich Stiefel von Neueltern zu krallen, die diese unvorsichtiger Weise noch nicht markiert haben ...
Oh, das ist putzig - also, es heißt natürlich Tchibo und nicht Tschibo - aber Tchibo scheint so
Ignoranten wie mich gewohnt zu sein, denn man gelangt auch über
www.tschibo.de
zu Tchibo ...
Oh, meine Güte, das hätte ich nicht tun sollen - ich fühle gerade die Gier in mir aufsteigen -
ein Fußmassage-Gerät! Oh, und ein Wellness-Shirt - NEIN - das ist es - ein Solarium mit
Lüftungssystem!
Ich habe die Seite wieder geschlossen, sonst kommen wir nie beim Ökoladen an ...
Vingster Ring - oben rechts - das war einfach - und dann die erste Abfahrt wieder runter. An der ersten
Abfahrt steht aber Poll, also wohl doch die zweite Abfahrt?
Ich fahre weiter und komme kichernd an genau der Tankstelle vorbei, wo Udo seinen 40. Geburtstag gefeiert
hatte. Unnötig zu erwähnen, daß ich ganz andere und deutlich längere Wege zu dieser
Party gefunden hatte ...
Kurz vor Deutz gelingt es mir zu wenden. Einmal noch wenden in Poll und schon bin ich in Vingst. Der Weg
ist gut, den merke ich mir ...
Kurz darauf halte ich auf einem ungepflasterten, leeren Parkplatz, locke die Kinderlein aus dem Auto und
stakse über den ungepflasterten Weg zum Ökomarkt. Langsam sehe ich eine drohende Notwendigkeit
für Birkenstocks statt Pumps. An der Tür halte ich eine Sekunde inne um alle Unsicherheit von
mir abzuschütteln, öffne energisch die Tür und schlage sie einer hennagetönten,
nasengepiercten Dame im selbstgestrickten Pulli ins Kreuz. Ich stricke auch, aber meine Werke würde
die Frau wegen der möglichen Vergiftungsgefahr sicher nicht tragen.
Wer weiß, wie weit meine Entwicklung in Sachen ökologisches Bewusstsein noch geht ...
Dass meine Bemühungen, so zu wirken, als würde ich hier schon seit Jahren einkaufen, gescheitert
sind, merke ich daran, daß die Stammkunden bei meinem Anblick unwillkürlich über BSE zu
reden beginnen und wie froh sie sind, daß sie selbst eigentlich unmöglich gefährdet sein
können. (Seitenblicke auf mich und meine Kinderlein - sind wir noch zu retten, oder ist es bereits zu
spät?)
Dermassen durchschaut, verbringe ich die nächsten Stunden damit, mir die Listen mit Inhaltsstoffen
anzusehen. Sieh an - meine Freunde,
Rauch und Aroma gibt es auch hier, aber immer mit rauch- und
aromafreien Alternativen im Regal. Und bei Produkten mit Ei die Versicherung, daß die Eier aus
den Popos glücklicher Hühner stammen.
Seit meinem letzten, eher halbherzigen Anlauf, auf Bio umzuschwenken hat sich einiges getan - so ist die
Produktreihe erstaunlich gewachsen und es gibt sogar Fritten und Tiefkühlpizza. Ich widerstehe beidem,
freue mich nur, daß es also auch Bio-FastFood gibt.
Nach dem Einkauf schickt man uns noch hinter den Hof, Tiere gucken. Mich da mit meinen Pumps rauszuschicken,
ist wohl ein Spaß, dem kein Sandalen-Fan widerstehen kann. Meine eher ländlichen Schwestern
finden auch gerne schlammige Wege von hier nach dort, sobald sie meiner Schuhe ansichtig werden. Sollte ich
einmal
vernünftiges Schuhwerk anlegen, kann ich sicher sein, daß wir im Auto ins dörfliche
Kulturzentrum fahren und ich meinen ehemaligen, heute aufgerüschten und geschminkten Klassenkameradinnen begegne,
während ich selbst meine ehrliche Haut und Turnschuhe aus vergangenen Schultagen präsentiere ...
Meine Kinder sind begeistert von Schweinen, Hühnern und Schafen. Der junge Mann lächelt befriedigt
bei dem Gedanken, meinen armen Kinderlein endlich mal echte Tiere gezeigt zu haben - die Kinder von heute
denken schliesslich alle, Kühe seien lila und wissen ja gar nicht mehr, daß Fritten nicht an
Sträuchern wachsen ...
Auf dem Rückweg triumphiere ich zu früh, fahre dummerweise einmal stadteinwärts, wo ich die
Gegenrichtung hätte wählen sollen, lande in Kalk und begehe den Fehler, rechts abbiegen zu
wollen. Politisch durchaus begrüssenswert, wird man in Köln massiv davon abgehalten, nach
rechts zu geraten. Ich wette, an Kölner Fahrschulen lernt man, sich links einzuordnen, wann immer
man nach rechts möchte und unverdrossen dreimal links abzubiegen. Dies bekomme ich auch noch hin
und so gelangen wir mit der Bio-Beute doch noch nach hause.
Irgendwann wird es mir absurd vorkommen, Schwierigkeiten gehabt zu haben, diesen Weg zu finden, so wie
wir mittlerweile darüber lachen, daß ich anfangs Sorgen hatte, die Grundschule meiner
Tochter nicht wiederzufinden. Ich sah sie einsam und verlassen auf dem Schulhof stehen (inmitten glücklicher
Schafe und Hühner), während ich fluchend über Kölner Brücken irrte.
Die nächsten Monate versprechen spannend zu werden. Gestern machte ich die Erfahrung, daß
die Grenze zwischen "hart" und "matschig" bei Dinkelnudeln sehr dünn ist. Einen Moment lang
überlegte ich, den Passierstab hineinzuhalten und sie als Getreidebrei, statt als Nudeln zu servieren.
Aber die Familie behauptete, es habe geschmeckt.
Um die gelegentlich gestellte Frage zu beantworten, weshalb die Abstände zwischen meinen Beiträgen
so lang sind:
Wenn ich so etwas zusammentippe, komme ich nicht dazu die eingesandten Beiträge einzubauen und
Mails zu beantworten - und das finde ich eher unhöflich.