
die Hausfrau und der Alltag

Das faszinierende am Alltag ist, daß er ca 10 Minuten nach dem erstmaligen und lang ersehnten
Eintreten eines Phänomens beginnt. Was den Alltag vom Paradies unterscheidet, sind die
Schattenseiten
oder eher das elterliche Erkennen dieser Schattenseiten.
Es ist so rührend, herzergreifend, aufregend, faszinierend etc, wenn Baby das erste Mal auf
seinen wackligen Beinchen steht. Verwandte, Freunde und Paten werden informiert, Fotos gemacht,
der Akku der Videokamera gesucht. Baby steht, reckt sich, streckt sich zielstrebig und erreicht mit
diesem süßen Zeigefingerchen den on/off Kippschalter des Computers. Fump, schwarzer
Bildschirm, die Fehlermeldungen, daß nicht alle Dateien ordnungsgemäß
geschlossen wurden sind künftig der Alltag.
Eltern bejubeln, wie ihre Kinderlein die Welt erobern, wünschten nur, sie würden auf
dem Weg nicht ständig alle Regal- und Schrankfächer ausräumen.
Wir freuen uns auf die ersten Schritte, bis wir begreifen, daß wir für 100 m künftig
durchaus eine Stunde brauchen können, ausser es geht um die 100 m zur nächsten Schnellstrasse,
die Kinder in rekordverdächtigen Zeiten schaffen können - geschlagen nur von Müttern,
die beladen mit Einkaufsbeuteln und Bobbycar immer noch einen Tick schneller sind und ihren
Nachwuchs immer noch in der letzten Sekunde zu packen bekommen. Laufen, das bedeutet matschige
Kinderschuhe an müden Kinderlein, die rotköpfig nölend "Arm, Arm!" fordern und ihre
Schuhchen dann an der mütterlichen Hüfte säubern. Allerliebster Alltag.
Nun, ich trauer gerade leise meinem letzten Alltag hinterher, der mit der Einschulung Michaelas und
dem Kindergartenbeginn Olivers begann. Gerade ignoriere ich verbissen die regenschweren Wolken,
denn noch einmal habe ich meinen Laptop in den Garten geschleppt und tippe nun hier vor mich hin,
während die Kaninchen meine Frage, ob sie Astern mögen bejahen. Gestern habe ich eine
Probeaster gepflanzt - Geschmacksrichtung lila. Entweder die Schildkröten mögen sie nicht,
oder haben sie noch nicht entdeckt.
Für wenige Wochen hatte ich einen "ruhiger Vormittag"-Alltag. Traumhaft.
Verbunden allerdings auch mit dem jähen Begreifen, wie kurz ein Vormittag eigentlich ist. Die
letzten Jahre, in denen ich sehnsüchtig auf den Mittagsschlaf des einen oder anderen Kindes
wartete, hat mein Zeitgefühl Vormittagen gegenüber verfälscht. Mittlerweile weiß
ich, daß man vormittags nicht putzen, einkaufen,
aerobicen, lesen, arbeiten, im Garten werkeln
und ein schmackhaftes Mittagsmahl vorbereiten kann.
Die Gartenarbeit haben mir unsere beiden Kaninchen dann ungemein erleichtert, indem sie alles
auffrassen, was ich pflanzte. Glockenblumen sind ihr liebstes.
Dahingegen mögen sie keine
Nachtkerzen und Lavendel. Karg ist der Garten dennoch nicht, da
erstens noch einige Plastikostereier im Apfelbaum hängen und ich, angeregt durch diese
Farbtupfer, hängende Gärten kopiere und nun im Kirschbaum Petunien und Gänseblümchen
blühen, während im Birnbaum ...
Eingeschult habe ich ein kleines Mädchen - zwei Tage später war sie ein Girlie.
Während ich beim Kleider-Einkauf noch nach roten Pullis mit Teddy-Applikationen greife,
wählt sie grellbunte Shirts mit engen Ärmeln und im Drogenrausch entstandenen Mustern.
Zum Schein steige ich drauf ein, wähle aber alles einige Grössen zu groß, womit
nabelfreie Shirts locker bis zu ihrer Hüfte reichen. Schon klar, das wird sie merken - irgendwann.
Auch die Ohrringe habe ich genehmigt - ich habe schliesslich auch welche und konnte ihr so sehr
anschaulich schildern, wie diese Löcher in die Ohrläppchen geschossen werden. Ok, was
den dabei auftretenden Blutverlust angeht, habe ich eventuell ein wenig übertrieben. Dass sie
sich nun bis auf weiteres gegen Ohrringe entschieden hat, ist reiner Zufall.
Heute bin ich endgültig Mami eines Schulkindes, denn heute ist der erste Elternsprechtag und ich
habe leise Bauchschmerzen, was ich wohl zu hören bekomme. Die ersten Wochen sind um, Schule ist
nicht mehr spannend, sondern - Alltag. Die ersten Buchstaben wurden mir von Michaela sehr
ausführlich vorgestellt, mittlerweile begreift sie einen Zusammenhang zwischen den
Buchstaben und praktischen Auswirkungen auf ihren Alltag.
ich muß nur noch das C lernen und das rrrrr und das oooo, dann kann ich denen sagen,
was sie auf den Stein schreiben sollen, denn die 33 ist einfach. Das ist einfach eine 3 und dann
noch eine!
Fast hätte ich
hm gesagt, denn dieser Satz war umrahmt von einem dieser Endlos-Plapper-Schwälle,
die mit dem Abholen von der Schule einsetzen und frühestens beim Mittagessen enden.
was für ein Stein?
Na, wenn du tot bist, tun wir dir doch so einen Stein auf dein Grab! Und dann kann ich
denen sagen, was sie draufschreiben müssen
Carola 33
Kinder sind so ... Ich erfuhr, daß ich einen weißen, herzförmigen Stein bekomme,
daß der Nils echt nett ist, weißt du wie schnell der rennen kann? Dass Krokodile dauernd
neue Zähne bekommen, daß sie die einzige auf der ganzen Schule (eigentlich der ganzen Welt!)
ist, die kein Pokemon-Album hat, daß sie mit dem Flugzeug nach Afrika fliegen möchte
und und und.
Nun, nach morgen ist erst einmal Schluss mit dem Sommeralltag, denn zum ersten Mal bekomme ich
Auswirkungen von Ferien zu spüren. Herbstferien. Und erstmals bedeutet das Wort Ferien
ganz sicher weder Ruhe, Erhohlung, noch ungestörtes Arbeiten, sondern - Schulkind, seine
Klassenkameraden vermissend, gelangweilt.
Andererseits doch ein klitzekleinwenig Ruhepause für meine Nerven.
Ich sollte eine Liste mit
Begrüssungssprüchen erstellen. Sprüche, mit denen
mein Töchterlein mich auf dem Schulhof begrüsst. Vorgestern war DER Hit:
das Unterhemd ist auch total voller Blut!
Die Weste, der Pullover, das Unterhemd - blutig, aber wie - Restkind sauber, Mutter in Panik,
Tochter und aufgeregt empörte Klassenkameradinnen wie gewohnt den Kern einer Story weiträumig
umschwafelnd, bis ich erfuhr, daß ein Junge sie auf den Boden geschleudert hatte und
sie davon Nasenbluten bekam, ihre Zähne nun ALLE wackeln und ach ALLE geblutet haben.
Während ich mein Kind an mich drücke und mir vornehme dafür zu sorgen, daß
dieser asoziale kleine Schläger von der Schule geschmissen wird, erfahre ich weitere Details.
Das Gesamtbild ergab dann einen kleinen Jungen, dem von meiner Tochter der Rucksack geklaut wurde,
die bei seiner Rückholaktion auf der Nase landete, weil sie die Beute nicht loslassen wollte.
Klang irgendwie nach einer gewissen Mitschuld meiner Tochter ...
Daheim klingelte das Telefon - des Täters Mutter signalisierte Bereitschaft, die Kosten
für die Kleidung meiner Tochter zu übernehmen. Nach diesem Telefonat hatte ich dann
eher Mitleid mit dem Täter, denn mittlerweile konnte ich mir die Szene ganz gut vorstellen,
wie er seinen Rucksack zurückerobern wollte und kurz darauf von meinem blutüberströmten
Töchterlein keifend darauf hingewiesen wurde, daß er jetzt
echt Ärger! bekommt
und das angesichts der Blutmengen durchaus glaubt.
Mir dämmert, daß es eine glückliche Fügung des Schicksals war, daß nicht er
gestürzt ist. Und tatsächlich berichtet mein Töchterlein am nächsten Tag
triumphierend, daß Fangen-spielen jetzt viel lustiger ist, weil besagter Knabe sich nicht
mehr wagt, Gegenwehr zu leisten. Und Fangen spielen bedeutet heutzutage scheinbar kein "Du bist!"
mehr, sondern hat immer noch etwas mit "in den Sand schleudern und Jungs verkloppen" zu tun.
Davor führte der Spruch
guck mal, wie hoch ich bin - wie komme ich hier eigentlich wieder
runter?, von ca 2 m über mir ...
Von der Häufigkeit her ist
ich habe xxx vergessen ... holst du das?, dicht gefolgt von
kannst du das tragen? beim Holen der Renner, während beim Bringen
kein Kuss!
und
ich will alleine gehen! führen.
Nö, das trifft mich nicht ...
Schliesslich ist da noch unser
Zweitkind, der Mami-Knutschen noch Klasse findet und auch
am allerliebsten an Mamis-Hand (oder noch lieber auf Mamis Arm) den Heimweg bewältigt.
Ob das in drei Jahren dann auch vorbei ist?
ungeknutschter Alltag?