
Minka

Man nimmt mich nicht ernst - oder eher gesagt,
Hund nimmt mich nicht ernst.
Ich mag keine Hunde!
Möchte ich mich wirklich negativ über jemanden äussern, werfe ich ihm
hündisches
Verhalten vor - ganz egal, ob es nun passt oder nicht. Wenn man jemanden eine
blöde Kuh nennt,
will man damit auch nur Unmut kundtun und spielt nicht auf die Anzahl der
gegnerischen Mägen an...
Wobei ich Hunde mag, die eine Aufgabe haben, die die Würde eines Hofhundes ausstrahlen - aber
ansonsten bin ich ein Katzentyp. Ich mag unabhängige, stolze Tiere - und das sind die meisten
Hunde halt nicht. Wenn ich schon sehe, welch unwürdiges Verhalten ein Hund an den Tag legt, um
Frauchen zu überreden, mit ihm Kacken zu gehen, was ich dann noch viel unwürdiger finde.
Ich brauche keine Comedy-Serien - an den Hundekackiwiesen vorbeizukommen und zu sehen, wie die Hundehalter
einerseits darauf lauern, daß
Wuffi endlich sein Geschäftchen macht und andererseits
aber genau dabei nicht zuschauen wollen, ist schon komisch genug. Oder dann dieses
Bello, komm sofort
hierher Gerufe. Machtloses
Aus, Pfui, bei Fuss Gezeter...
Mir reicht vollkommen, daß Oliver meine Bitten, nun endlich mit mir zu kommen, weil ich kalte
Füße habe und wirklich keine Lust mehr habe, dem Bagger beim Baggern zuzuschauen, ignoriert.
Ich weiß, daß er irgendwann größer wird und dann nicht mehr wütend seine
Mütze auf den Boden schleudert, statt brav mit mir zu kommen.
Aber natürlich droht mir ein Hund.
Vater, Mutter, eine Tochter, ein Sohn, ein Reihenhäuschen - na?
Genau...
Ausserdem,
der Feind in meinem Bett, dieser elende Verräter! Sank er doch tatsächlich
beim letzten Besuch der allerbesten und allerschlanksten Freundin zu ihren Füßen und
sagte mit honigsüßer Gutzi-Dutzi-Stimme,
weißt du, was mein Hundi überhaupt nie mochte?
und dann pustete er Sammy auf die Nase und siehe da, Sammy mochte das auch nicht.
Statt aber nun kräftig und stolz zurückzupusten oder zu beißen, fing er an sich affig
zu drehen und mit seiner Schlabberzunge seine Nase abzulecken. Ich fühlte mich ausgegrenzt,
weil ich das nun gar nicht putzig fand, sondern eher mit Entsetzen den Gutzi-Dutzi-Tonfall registriert
hatte, den der beste aller Göttergatten sonst gelegentlich bei den Schmusebalgereien mit unserem
Nachwuchs anschaltet.
Auch wird mir fälschlich unterstellt, Hunde sehr wohl zu mögen.
So hat meine Schwester einen Hund auf dem Hof - ich rede absichtlich nicht von einem Hofhund. Sie hatte
davor richtige, stolze Hofhunde. Schäferhunde, die wussten, daß der Hof ohne sie kein
richtiger Hof sei. Hunde, die nicht affig kläfften, sondern einmal, aber dann mit Nachdruck
zu Bellen wussten. Seit 7 Jahren haben sie nun Minka als Nachfolgerin.
Minka, oder wie ich sie immer nenne
Hau ab du blöder Hund!
Minka freut sich jedesmal wahnsinnig, wenn ich komme, denn seit ca. 14 Jahren gehe ich mit meiner
Schwester dann eine schöne Runde spazieren. Anfangs mit dem einen oder anderen Kinderwagen von
ihr, später dann mit dem einen oder anderen Kinderwagen oder Tragesack von mir und mittlerweile
ganz ohne Kinder. Es ist wunderschön, wenn meine Nichten und meine Kinder es vorziehen uns nicht
zu begleiten und ich es auskosten kann, mit normaler Schrittgeschwindigkeit weite Strecken laufen
zu dürfen.
Wer uns aber immer begleitet, ist Minka. Und deshalb liebt sie mich und kommt leider auch dem
Bedürfnis nach, dies zum Ausdruck zu bringen.
Biege ich mit dem Auto auf den Hof, kommt sie angeschossen und schmeisst sich todesmutig auf den
Weg. Kaum öffne ich die Tür, kommen Pfoten und eine Schlabberschnautze.
Hau ab du
blöder Hund, rufe ich und Minka freut sich.
Wenn es einmal vorkommt, daß Minka unsere Ankunft verpasst, kann ich sicher sein, daß
ich von meiner Schwester mit
ach, ich habe euch gar nicht kommen hören! begrüsst
werde.
Sobald ich einen Schritt nach draussen setze, schiebt sich eine Schlabberschnautze in meine Hand,
bleibe ich stehen, schiebt sie unverzüglich ihren Kopf durch meine Beine, um mir ganz nah zu
sein, oder mich zu Fall zu bringen. Damit das dumme Vieh einfach mal stehenbleibt und mich nicht auch
noch dauernd vor Freude anspringt, habe ich begonnen, ihren Kopf zu tätscheln, aber ich weise
ausdrücklich daraufhin, daß dies keine Zuneigungsbekundungen sind!
So war ich im Wald immer froh, wenn sie ihrer eigenen Wege geht.
Bis gestern, so etwa.
Seit gestern rufe ich Minka, sobald ich sie aus den Augen verliere, tätschle ihren Hundeschädel
und erlaube ihr, ihre Schnauze in meine Hand zu stecken, während wir durch den Wald gehen.
Das ist aber auch keine Zuneigung, sondern nur ein Abwehren der Konsequenzen, die es hätte,
sie nicht zu verhätscheln.
Der alberne Hund kann nämlich etwas Neues:
Sie läuft in eine Lichtung hinein und plötzlich raschelt es wie wild und schwupps steht
man einer Rotte Wildschweine im Weg, die sich auf der Flucht vor einem dummen Hundetier befinden.
Minka?!
Statt dessen kommt ein kapitaler Keiler aus der Lichtung, schaut kurz in unsere Richtung und beschliesst
dann netter Weise, doch einen anderen Weg zu nehmen.
Sie hat gewonnen - so schlimm ist es nicht, wenn man einen Waldweg entlanggeht und einem hin und wieder ein
Hund die Pfoten auf die Schultern legt, oder seine Schlabberschnautze in die Hand steckt...