Nun habe ich mich also als Fan der Weiberfastnacht geoutet und werde prompt mit lustigen Mails eingedeckt,
wo mir versichert wird, daß man nie vermutet hätte, daß ich daran Spaß haben
könnte.
Vorsichtige Nachfragen ergaben die witzigsten Vorurteile.
Die einen meinen, daß Karnevalsjecken tagsüber endlos an der Strasse stehen und von vorbeirollenden,
mehr oder weniger witzig geschmückten Wagen Bonbons fangen, dabei viel trinken um abends dann die
endlosen Büttenreden zu ertragen und noch ausreichend Begeisterung für lauter albern uniformierte
Männer und ein krampfhaft grinsendes Tanzmariechen aufzubringen, die wie eine Puppe durch die Gegend
geschmissen wird, wobei ihr Rüschenhöschen lustig ins Blickfeld gerät.
Nun, mehr als einen Zug tue ich mir nie an - und das ist wie gesagt der Merheimer, der erfreulich kurz
ist. Da es nahezu unmöglich sein dürfte, Karneval einen Babysitter zu bekommen, entgehen
mir auch die Büttenreden.
Die nächste Vermutung ist, daß man Weiberfastnacht mit einer Schere bewaffnet hinter
beschlipsten Männern herjagt, um besagte Schlipse abzuschneiden.
Ja, es stimmt, Weiberfastnacht übernehmen die Frauen das Kommando und früher wurde dies eben
unter anderem dadurch ausgedrückt, daß man Männern ihren Schlips absäbelte.
Ob dies tatsächlich stellvertretend für ein gewisses, männliches Körperteil geschieht,
vermag ich allerdings nicht zu sagen - es könnte ja auch von Frau zu Frau unterschiedlich sein.
Ich selbst, habe in diesem Leben noch keinem Mann den Schlips abgeschnitten, was einfache Gründe hat:
Die Männer, die ausgerechnet Weiberfastnacht mit Schlips herumlaufen, tun dies, damit die
Frauen ihn abschneiden - und dann tu ich es doch erst recht nicht...
Im Büro sah ich dem Spaß immer gerne zu - die Schlipse wurden abgeschnitten und quasi als
Trophäe an die Bürotür gehängt. Ich denke mal, für diesen Spaß bin ich
einfach nicht gutmütig genug. In mir regt sich so ein - das habe ich nicht nötig. So saß
ich lieber lachend dabei, schlürfte Sekt und mampfte Berliner, während die anderen die
männlichen Kollegen entschlipsten.
Besonders widerlichen Kerlen kann es aber durchaus geschehen, daß alle lieber Sekt schlürfen
und Berliner mampfen, was sie sehr verunsichert. Dann rennen sie nervös durch die Büros, bis sich
eine barmherzige, oder bereits satte Angestellte erbarmt und ihn mit Hinblick auf seinen Einfluß
auf ihre Beförderung evtl. den Schlips absäbelt. Einigen Herrschaften unterstelle ich aber auch,
daß sie in die Herrentoiletten verschwinden und die Dinger selbst absäbeln, damit sie nicht die
einzigen sind, die ganz klar ignoriert wurden.
Es ist einfach kein Triumph, einen uralten 70er Jahre Schlips abzuschneiden, ganz besonders dann nicht,
wenn die 70er out sind und der Kollege den netten Spitznamen Schuppi, Schleimi oder einfach
der Arsch trägt.
Viel besser muß sich die Kollegin gefühlt haben, die unseren Abteilungsleiter mit Triumph in der
Stimme von seinem nagelneuen Donald Duck Schlips trennte. Allerdings fühlte sie sich wochenlang blamiert,
nachdem er sie vorsichtig darauf hinwies, daß Weiberfastnacht erst am kommenden Tag wäre.
Müßten wir nicht den Vormittag unkostümiert arbeiten, hätte sie das vermutlich schneller
begriffen...
Ok, genug zu den Schlipsen...
Andere denken bei Karneval mehr an Sex
Ludwig meinte zum Beispiel, Karneval habe mit Sex zu tun. Und ich sagte ihm freundlich, daß man ihn
anhand dieser Einstellung umgehend als Touristen und Nichtkarnevalisten erkennen könnte.
Das klang doch prima und bremst die Nichtkarnevalisten gründlich aus, wenn sie anhand ihrer Vorurteile
prompt als Aussenseiter geoutet werden. Nun muß ich aber gestehen, daß meine Antwort nicht
viel mehr als eine leere Floskel war.
Ginge es im Karneval nicht um Sex, kämen vermutlich deutlich weniger Touristen. Aber sagen wir mal,
es ist ein wenig wie die Hausfrauenseite - glaubt man den Suchmaschinen, erwarten die Surfer hier
gelangweilte, lüsterne Hausfrauen, die dringend ihre getragene Unterwäsche oder ihre schon
reiferen Körper verkaufen möchten. Und wie sage ich es nur?
An meinen Dessous hänge ich,
die verkauf ich nicht und an meinen Luxuskörper lasse ich nur Wasser und CD...
Was natürlich gelogen ist, aber die Wahrheit ist wie so häufig privat.
Nun, was ich meine ist, daß Karneval keine allzu prüde Veranstaltung ist, aber sollte jemand
allein aus diesem Grund zum Karneval kommen, passt er wirklich nur in die Altstadt, wo er hoffentlich
auf ebenfalls aus diesem Grunde angereiste Touristen trifft.
Der Kölner an sich verkrümelt sich eh in andere Stadtteile.
Wobei die Geschmäcker absolut verschieden sind. Die einen feiern lieber in total überfüllten Kneipen
in der Südstadt, oder total überfüllten Kneipen in Ehrenfeld, oder total überfüllten Kneipen...
Will sagen, in der Stadt ist es dann einfach brechend voll. Mit etwas Glück landet man dort, wo ein
wackerer Türsteher die Menge der Gäste im Griff hat und kann dann dort bei Karnevals- und
Schlagermusik, die an anderen Tagen verpönt ist, schunkeln und feiern.
Marianne Rosenberg erlebt zu jeder Karnevalssession ihr triumphales Comeback und auch dem Sultan
dürstet es schon länger. (jon mer in ne andere Kaschemm ... schemm)
Natürlich wird Karneval mehr gebützt als sonst - sonst heißt das ja auch küssen...
Wobei bützen harmloser klingt und sagen wir mal, wenn einer den Fehler macht und sich ausgerechnet
Weiberfastnacht verliebt, ist er selbst schuld, denn Weiberfastnacht ist halt Weiberfastnacht.
Und schon wiederlege ich mich, denn erst im November war ich auf einer Hochzeit, deren Kennenlerngeschichte
an Weiberfastnacht begann. Ich weiß es genau, ich war dabei.
Ich versuche eine letzte, allgemeingültige Aussage zu Weiberfastnacht:
Wer auch sonst nicht gerne ausgelassen feiert, wer auch sonst seinen Mitmenschen lieber aus dem Weg
geht, oder wem auch sonst aus dem Weg gegangen wird - der sollte es so halten, wie es auch viele
Kölner tun und zwar lieber in die Eifel oder ins Oberbergische fahren!