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wunderschöne Stiefmütterchenlinie

Diaries

Zu meiner Überraschung fand ich meine Neues von der Hausfrau Rubrik auf einer Liste über Tagebücher im Internet. Nun, ok, ich habe nichts dagegen, dort aufgeführt zu werden. Die Initiatorin dieser Liste versteht unter einem Tagebuch schlicht etwas ganz anderes, als ich.
Ein Tagebuch würde ich führen, um meine Gedanken zu sammeln oder mit leisem Kichern dort die pikanten Details meines Lebens niederzuschreiben, die ich niemandem anvertrauen möchte oder kann. Und niemals würde ich so etwas der Leserschaft des Interdorfes anvertrauen.
Meine große Schwester führte damals ein Tagebuch. Ich wußte genau, wo sie es versteckte und war entsetzlich neugierig, was wohl drin stände. Als ich das Buch erstmals entdeckte und aufschlug, bekam ich einen Heidenschreck, als ich die Worte:
Tagebuch von...
las. Ich klappte das Buch sofort wieder zu, stopfte es schnell in die Schublade zurück (in der ich Sekunden zuvor noch nach meinem verschollenen Labello gesucht hatte) und verließ schleunigst das Schwesternreich. Seither plagt mich die Neugier, was wohl in diesem Büchlein steht. Das Wissen, daß sie sicher nicht wollte, daß ich es lese und meine Zuneigung zu ihr, bauten eine magische Grenze. Gelegentlich öffnete ich die Schublade und starrte das Büchlein an, aber gelesen habe ich es niemals.
Vor kurzem saß ich mit meiner Schwester auf ihrer Veranda und wir staunten über mein bibliches Alter - ich, die kleine Schwester bin tatsächlich schon 30 und habe 2 Kinder. Meine Schwester blickt todesmutig der 40 ins Auge (allerdings noch auf sichere Entfernung...) und fühlt sich witziger Weise nie durch ihre eigenen Geburtstage alt, sondern nur durch meine. Meine 30 hat sie mehr getroffen, als mich...
Nun, aber wir sprachen über ihre Tochter, die schon 11 ist - was sie wohl so bewegt und was uns in dem Alter bewegte. "Dein Tagebuch", sagte ich zu ihr, ohne zu erwähnen, daß es mich noch heute beeinflusst. Sie hat herzlich gelacht und versprochen, es mir zu vererben. Nun, ich weiß, was ich tun werde, wenn ich es tatsächlich einmal habe. Ich werde es in eine Schublade stecken, sie gelegentlich öffnen, an meine Schwester denken, aber niemals werde ich das Buch lesen.
Tagebücher gehören zu den magischen Dingen, die ihren Zauber leider umgehend einbüßen, wenn man sie liest. Im Moment stehen in diesem Buch abenteuerliche Sachen, wie zum Beispiel ihre Begegnung mit einem ungarischen Prinzen, den sie vermutlich auf dem Weg zum Aldi traf und andere ungeheuerliche Geheimnisse. Sobald ich es öffne und lese, verschwindet der Prinz und ich stehe vor dem wenig aufregenden Alltag einer Spätpubertierenden. Nein, nein, das tu ich dem Buch nicht an :-)
Es reicht, daß ich den Fehler im Internet gemacht habe. Ich klickte mich durch eine ganze Reihe von Tagebüchern und nie traf ich auf ungarische Prinzen, leidenschaftliche Gefühle oder einfach nur ein wenig Glück.
Bestenfalls hin und wieder einmal ein ganz nettes Projekt, eine liebevolle Idee oder ein Gag - aber meistens scheint sich hinter dem Wort Tagebuch nur eine Seite zu verstecken, in die Homepage als Waffe gebraucht wird, die auf andere Bewohner des Interdorfs gerichtet ist. Schmähungen, Halbwahrheiten, Schlammschlachten - kein ungarischer Prinz weit und breit.
Nun, ich kann auch keinen ungarischen Prinzen vorweisen - nur einen Kölner Informatikstudenten (oh, demnächst irrsinnig gut verdienender Diplom Informatiker...) und deshalb ist mein Neues von der Hausfrau auch kein Tagebuch, sondern einfach nur eine Rubrik auf meiner Homepage.
Kölner Informatikstudenten - hm, eigentlich studiert er ja in Bonn, lebt aber in Köln... - nun, besagter Informatikstudent ist nämlich auch ein Zauberwesen! Schreibe ich etwas über ihn und meine Liebe zu ihm, verwandelt er sich nämlich sicherlich ganz schnell in ein schimpfendes Motzmonster :-)
Glaube ich jedenfalls, deshalb probiere ich das lieber nicht aus.
Derzeit versuche ich auch den Internettagebüchern wieder etwas Magie einzuhauchen, indem ich sie nicht lese. Vielleicht füllen sich dann ihre Seiten mit romantischen Abenteuern, wahren Freundschaften - oder einfach nur einem Zipfelchen Glück.
Ich drücke den Schreibern und Schreiberinnen die Daumen.
Natürlich könnte es sein, daß Ihr selbst auf Tagebücher ähnlich entzaubernd wirkt. Wenn Ihr also auf das Tagebuch eines verbittert und einsam wirkenden Menschen kommt, solltet Ihr ganz schnell auf eine andere Seite gehen, um dem Prinzen eine Chance zu geben!!!
Andererseits - sagt mir unbedingt bescheid, wenn Ihr irgendwo in den Weiten der Interwelt ein wahres "Herz-Schmerz-Drama" mit rauschenden Ballnächten, Kutschfahrten durch verschneite Wälder, gläserne Pantoffel und und und findet!!!

 

Hallo!
Habe Deinen Artikel über das Tagebuch bzw. über Deine Distanz oder Ehrfurcht dem Tagebuch Deiner Schwester gegenüber gelesen. Diese Distanz oder Nichtdistanz richtet sich mit Sicherheit immer auch nach der Qualität der Beziehung. Bisweilen kann ein Tagebuch auch Kommunikation ersetzen - eben dann, wenn die Kommunikation zwischen den Beziehungspartnern "gestört" ist. Es ist dann allerdings eine sehr eigentümliche Art der Kommunikation...
Es gibt viele Stellen in der Literatur, die diese Problematik ansprechen. Ingeborg Bachmann und Max Frisch hatten eine Beziehung - sie hat, als er im Krankenhaus lag, eins seiner Tagebücher gefunden, gelesen und es verbrannt (vielleicht kanntest Du die Geschichte schon - es steht in Frischs "Montauk"; ich habs leider gerade nicht zur Hand, kann deshalb auch nicht mit einer genauen Seitenangabe dienen.)

Bin selbst übrigens auch Tagebuchschreiber (mal mehr mal weniger)
Gruß matthias am 17.08.1999

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