Vater zu werden, wie ist das eigentlich?

Schatz, wir bekommen ein Baby
So oder so ähnlich dürfte der Satz lauten, mit dem viele Männer vor relativ vollendete Tatsachen gestellt werden. Auch wenn das Kind von beiden gewünscht wurde, teilt sie ihm die frohe Botschaft mit und nicht umgekehrt. Sie wird dicker und sie sagt irgendwann, daß es höchste Zeit ist, ins Krankenhaus zu fahren. Und dort geht es dann auch um sie. Sie hat eine Hebamme, die ihr beisteht und sie ist mit Wehen und Kind bekommen vollauf beschäftigt.
Ich habe oft gedacht, daß die Geburten für Felix viel härter waren als für mich, weil er zwar direkt, hilfsbereit und doch eher zur Nutzlosigkeit verurteilt dabei stand, da ein Abwechseln in Sachen Wehen eben nicht möglich ist.
früher haben Hebammen immer Unmengen kochendes Wasser verlangt, um die werdenden Väter zu beschäftigen ...
Im Normalfall geht der frischgebackene Vater dann irgendwann nach hause und lässt nun nicht seine Frau im Krankenhaus, sondern seine Familie.
Fühlen Männer sich dabei ausgeschlossen?
Was bedeutet es, Vater zu sein?
Und, wollen eigentlich wirklich alle Männer mit in den Kreisssaal?
Wie wirken Schwangerschaftsstreifen, Schlabberbäuchlein, Still-BHs und schwer wieder abzubauende Pfunde auf die Beziehung?
Und was, wenn es gar keine Beziehung (mehr) gibt - wie ist man dann Vater?

Ich würde mich freuen, wenn (auch werdende) Väter einmal schildern würden, was ihnen zum Thema Vaterschaft so in den Sinn kommt!

Das ist Steffen, 2 Jahre...mit Kirschen an den Ohren.

 

Das ist Steffen, 2 Jahre ... mit Kirschen an den Ohren.

Olav:

Hey,
ich bin Olav (34), zum 2. Mal Hausmann (vollberuflicher,... nicht so bissle do... bissle det...) seit gut einem Jahr. Die Hausfrauenseite besuche ich regelmäßig seit 2 Jahren. Unsere Buben sind sieben, fünf und zwei Jahre alt. Ich habe mir lange überlegt, was es denn wirklich wissenswertes über das Vaterwerden zu schreiben gibt, und dachte mir lange ich schreibe nichts. Aber ganz so will ich es nun doch nicht stehen lassen. An dieser Stelle vielen Dank an die HFS'ler. Männer sind gefragter denn je.... : -)

Bei uns waren alle Kinder geplant, und sie sind bis auf Nummer 3 alle pünktlich in Mamas Bauch ''empfangen'' worden. Ich finde gerade das Vaterwerden vor der Geburt war schön (ich meine jetzt nicht nur das Machen). Es gab auch keinerlei Probleme in den Schwangerschaften, was ja auch nicht selbstverständlich ist. Frauenarztermine nahmen wir gemeinsam wahr (fast alle !!!), und die wunderbaren Erlebnisse die Kinder im Bauch von außen zu fühlen kann ich nie vergessen. Die Herztöne mithören, und am schönsten waren immer die Fotos. Einmal hatte einer sogar des öfteren den Hicks (Schluckauf), was uns immer besonders amüsierte. Interessant ist auch, daß das Verhalten im Bauch oft sehr dem draußen gleich kommt.

Geburtsvorbereitungskurse besuchten wir nie, denn wir dachten immer wir managen das auf unsere Art. Wobei ich sagen muß, daß ich mit so einer langen Geburt beim ersten Kind nicht gerechnet habe, und als es mal brenzlig wurde, weil irgendwelche Herztöne nicht mehr, oder nur schwach zu hören waren, lagen die Nerven sehr schnell blank. Ich glaube irgendwann hat uns die Hebamme einen Kaffee verabreicht, der Beruhigungsmittel enthielt, denn wir schliefen eine Stunde vor der Geburt mal kurz ein (nach der 16. Stunde kam er dann). An dieser Stelle möchte ich sagen, daß das zweite Baby nach 45 Minuten da war und das Dritte nach 90 Minuten..... Nicht um hier werdende Väter unnötig zu schockieren .....

Ich glaube nicht, daß ein Mann aus irgendeinem Grund an der Geburt unbeteiligt sein soll. Ich kam mir bei allen 3 Geburten sehr hilflos vor, aber von meiner Frau weiß ich, daß die bloße Anwesenheit schon sehr hilft. Und wenn es "nur" die Hand halten ist. Das ist doch auch schon was. Ich weiß nicht, was Männer da immer so viel erwarten. Auf die Welt bringen können sie nun mal keine Kinder. Aber nur das fertige Baby mit der Mama abzuholen, wäre doch auch nicht fair. Wegen einer Narkoseformalität beim ersten (Frauen ihr kennt das ja!) war meine Frau auch sehr für meine Anwesenheit dankbar, denn was Annestesist da alles wissen wollte, inmitten der 100sten Wehe hätte sie eh nicht mehr zusammengebracht. Geschweigedem einer Unterschrift.

Die Zeit nach der Geburt gehört der Mama und dem Baby! Was liebe Männer soll daran soooo schlimm sein? Es kommt danach wieder eine umso schönere Zeit. Ich hatte deshalb nicht das Gefühl vernachlässigt zu werden. Vielleicht rechnete ich damit, und habe es nie so wahrgenommen. Was allerdings stimmt ist, daß sich das darauffolgende Leben fast nur um den Nachwuchs dreht und die Partnerschaft total auf den Kopf gestellt ist. Es ist auch nicht unbedingt leicht immer damit umzugehen, und man muß aufpassen sich nicht auseinanderzuleben.

MÄNNER UND FRAUEN! MACHT KINDER, DENN SIE SIND WUNDERBAR!

NICHT NUR UMTOPFEN; FORTPFLANZEN!!!

In diesem Sinne...Danke für's zuhören! Und liebe HFS'ler: WEITER SO.!!!

Liebe Grüße aus dem schönen Allgäu!

Olav 22.07.2000

Jürgen:

Hier meine Anmerkungen zum Thema Vater werden und sein:
Der einleitende Text hat mich sehr angesprochen. Alles dreht sich um "Sie". Ist ja auch richtig so, will ich gar nicht in Frage stellen. Im nachhinein frage ich mich aber schon, was wir Männer eigentlich dabei sollen. Bei der Geburt meine ich. Die Dinge im Vorfeld (Kurse etc.) sind in Ordnung. Das gehört dazu. Ich will ja auch wissn, wie ich mit dem Kind richtig umgehe.
Nur die Geburt...
Noch nie in meinem Leben bin ich mir so überflüssig vorgekommen wie bei der Geburt unserer Kinder. Alle hatten etwas zu tun: Meine Frau, die Hebamme, der Arzt. Ich konnte nur Händchen halten (und hoffen, daß es bald vorbei ist).
Meine Frau betont zwar heute noch, daß es ihr wichtig war, daß ich anwesend war, für mich persönlich ist das nur ein schwacher Trost. Ich verstehe inzwischen gut, warum die Männer früher rausgeschmissen wurden: Gebären ist "echte Frauensache" und die Männer dabei nur im Wege. Aber das ist nur meine Erfahrung.
Glücklicherweise ist das nur ein kurzer Abschnitt. Jetzt wo die Kinder da sind, sieht es ganz anders aus. Jetzt habe auch ich meinen aktiven Teil und kann etwas dazu beitragen. Jetzt bin ich Vater und nicht nur Anhängsel und unangenehme Erinnerungen verblassen auch langsam....

Gruß
Jürgen Beisert am 05.07.2000

Klaus:

Vollendete Tatsachen? Nein, denn ich bin mir des Tages absolut sicher, an dem wir unseren Sohn gezeugt haben. Nicht, weil nicht viele Gelegenheiten dazu in Frage gekommen wären ;-), sondern weil ich gefühlt habe, dass es "eingeschlagen" hat. Es war für mich selbst unglaublich, aber es hat gestimmt.

Wir wussten glücklicherweise sehr früh von unserem Glück, ansonsten hätten wir unser Kind wahrscheinlich verloren. Auch meine Frau musste sechs Wochen streng liegen.

Die Tage der Geburtsvorbereitung - im Kurs - waren unterhaltsam und lehrreich. Ist ja noch alles so theoretisch. Für den Zeitraum der errechneten Geburt habe ich mir rechtzeitig Autoren-Aufträge besorgt, die ich von Zuhause aus erledigen konnte (ich war zu der Zeit an sich in Sachen Inhouse-Schulungen ständig auf Tour). Ich wollte bei der Geburt unbedingt dabei sein.

Und so kam es denn zu jenem denkwürdigen Abend, an dem ich meine Frau gegen Mitternacht ultimativ aufforderte, sich von mir in die Klinik fahren zu lassen. Sie willigte schließlich ein, meinte aber lachend, sie würde eh gleich wieder nach Hause geschickt werden. Mit wieder heimgehen war's nichts - sechs Stunden später war Sohnemann da. Allerdings nicht ohne sich zwei Stunden vor seinem Erscheinen noch die Nabelschnur um den Hals zu wickeln.

Die Geburt selbst war auch für mich Arbeit - natürlich etwas weniger als für meine Frau -, da ich ihr mit all den Kniffen, die man in der Geburtsvorbereitung lernt, beistehen konnte. Es lief alles glatt - kein Dammschnitt, kein Dammriss und ein gesundes Kind.

Ein irres Gefühl, plötzlich so ein Bündel Leben in den Armen zu halten. Die Nacht hatte ich schon durchgemacht, aber an Schlafen war auch danach nicht zu denken. Ich war völlig aufgekratzt und habe - wieder Zuhause - meine Gefühle in ein Lied fließen lassen (müssen), das in vier Stunden getextet und komponiert und am Abend dann auch schon abgemischt war.

Ich hab ein kleines Bündel auf dem Arm,
das schmiegt sich fest an mich und hält mich warm,
das kann mich noch nicht anseh'n und hat doch schon so viel
Charme.
Ich halt' es fest, es ist mein Kind.

Ich kann so hart sein, doch du machst mich weich,
ich bin nicht arm, doch du erst machst mich reich,
ich such' erst gar nicht, denn für dich gibt's kein'n Vergleich.
Ich halt dich fest, du bist mein Kind.

Ich hab' schon viel erlebt, doch das ist neu,
wenn ich je untreu war, dir bleib' ich treu,
schlaf' ruhig und fest, ich halt' dich sorgenfrei.
Ich halt' dich fest, du bist mein Kind.

Du brauchst noch nicht zu wissen,
daß diese Welt zerschellt,
an jenen, denen deine Tränen gleich sind.
Du wirst es lernen müssen,
das ist ein hartes Feld.
So viele rennen durch das Land wie blind.
Du sollst erst mal genießen
all das, was dir gefällt,
das Kuscheltier, die Pfütze und den Hund.
Wir werden Blumen gießen
in deiner neuen Welt.
Denn ihre Seelen machen dein kleines Leben bunt.

Ich hab' ein kleines bißchen Mensch im Arm,
und jede Regung schlägt bei mir Alarm,
mit mir als Vater, hoff' ich, bist auch du nicht arm.
Ich halt' dich fest, du bist mein Kind.

Du brauchst dich nicht zu eilen
in dieser schnellen Welt,
wo alles immer ständig unterwegs ist.
Wer Zeit hat, dem verheilen
die Schrammen, wenn er fällt,
sehr schnell, wenn er erst aufgestanden ist.

Ich bin dein Hafen, draußen tobt das Meer,
ich zeig' dir, wie man schwimmt - es ist nicht schwer -,
zeig' dir den Weg und schwimm noch eine zeitlang nebenher.
Ich halt' dich fest. Du bist mein Kind.

Viele Grüße
Klaus am 30.06.2000

Mathias:

Also, wir haben nur eine Tochter, die inzwischen 9 Jahre alt ist, aber eins wollte ich zu diesem Thema auch mal los werden:
KOMPLIMENT an alle Mütter und die die es noch werden!
Bei uns waren die 9 Monate Wartezeit kein Zuckerschlecken, denn meine Frau musste ab der 28. Woche fest liegen, denn sie hatte inzwischen 25 kg WASSER !!!! im Körper.
Da habe ich zwar nicht gelitten, aber die SORGE um Mutter und Kind haben mich fast verrückt gemacht.
Dann kam die Geburt, die Mutter und Kind auch nur mit knapper Mühe und Not lebend überstanden haben. Und das auch nur danke des sofortigen Eingreifens des Chefarztes des Vinzenzkrankenhauses hier in Hannover, Dr. Geldmacher, dem wir auch heute noch unendlich dankbar sind.
Auch wenn es bei anderen nicht so dramatisch abläuft, eines ist sicher:
Ohne die MÜTTER wäre doch unsere Welt nicht.
Daher sollte doch jeder Mann seine Frau auf Händen tragen und während der Schwangerschaft, wenn es wirklich mal zu Launen der Frau kommt, einfach darüber hinwegsehen.
Denn so einfach, stelle ich es mir wirklich nicht vor, wie manche andere Männer behaupten.
Mathias am 27.06.2000

Horst:

Also, jetzt fühle ich mich ja richtig gebauchpinselt, als Vater auf einer ...frauenseite auch mal zu Wort kommen zu dürfen ...

Wir haben drei Kinder, einen Sohn und zwei Mädchen (Zwillinge), alle über künstliche Befruchtung ins Leben gerufen.
Eine Überraschung war die Mitteilung der Schwangerschaft somit nicht.
Und härter als für meine Frau war die Schwangerschaft für mich ganz gewiss nicht.
Insgesamt war die Betreuung durch Ärzte und Hebammen in der Uni-Klinik Berlin-Steglitz schon sehr gut.
Und bei der Geburt dabei sein wollte ich wirklich.

Zwei Dinge fallen mir trotzdem ein:

1.So nützlich die Geburtsvorbereitungskurse für künftige Mamas und Papas sind - die Übungen zur Atmung nach dem Motto "stellen Sie sich vor, die ersten Wehen kommen, atmen Sie tief durch, ..." würde ich heute nicht mehr mit trainieren wollen. Es ist einfach zu doof, sich als Mann Wehen vorstellen zu müssen.

2.Wir haben zwar viel über die Zeit vor der Geburt erfahren, aber nur wenig über die unmittelbare Zeit danach.
Die Geburt unseres ersten Kindes war ziemlich problemlos - abgesehen davon, dass ich sie fast verpasst hätte, weil die Anmeldeformalitäten über eine halbe Stunde in Anspruch nahmen. (Die Geburt dauerte knapp eine Stunde. Schließlich hatten wir ja gelernt, dass die Fahrt ins Krankenhaus erst bei regelmäßigen Wehen im Abstand von weniger als 5 Minuten angebracht ist, woraus ein logisch denkender Vater schließt, dass Wehen im Abstand von 6 Minuten noch keine Hektik angezeigt erscheinen lassen...)
Die Geburt der Zwillinge war natürlich eine Risikogeburt. Das wussten wir auch. Die erste Zeit im Kreißsaal verlief ruhig. Dann - als die Hebamme sagte "Es geht los." - stürzten plötzlich zwei Anästhesisten ans Bettende, zwei Gynäkologen nahmen neben dem Bett Aufstellung, zwei Kinderärzte standen an der Tür Spalier, und jede Menge Hebammen und Kinderkrankenschwestern traten sich im Kreiß"saal" auf die Füße.
Ich war nahe dran, mindestens die Hälfte davon wieder rauszuschmeißen. Und kurz nach der Geburt zögerte dann die Schwester, mir das Kind auf den Arm zu geben, nur weil es unter 2kg wog!
In all den Vorbereitungen war hiervon nie die Rede gewesen - alles drehte sich immer nur um den "Normalfall".

Soweit erstmal - viele Grüße

Horst am 26.06.2000

Wolfgang:

Hallo, vorab ein Disclaimer, wie sich das für das Internet gehört:
Die folgenden Ausführungen geben nur meine eigene Wahrnehmung wieder. Es kann durchaus sein, dass andere Menschen - und hier sei insbesondere meine Frau Cora erwähnt - das alles ganz anders wahrgenommen und abgespeichert haben.

Ohne jetzt einen weiteren Vorspann liefern zu wollen, muss ich erwähnen, dass Cora und ich schon fast 15 Jahre kinderlos zusammen lebten, als der Test aus der Apotheke uns mit der harten Realität konfrontierte. Nicht dass wir Julia richtig geplant hätten. Wir wussten beide nicht mal, ob das wirklich klappt, so oft wie es aufgrund vergessener Pillen hätte klappen können. Aber Cora setzte eben nach langen Diskussionen eines Tages die tägliche Hormonration ab und wir wollten mal sehen, was passiert.

Und, man wird es kaum glauben, es passierte was. Ein paar Wochen nach Weihnachten wollten wir am Wochenende spazieren gehen, als Cora wohl eine Ahnung bekam. Beim Notdienst der Apotheke kauften wir noch einen dieser Tests, der uns nach dem Spaziergang die letzte Sicherheit gab.

Das war aber schon fast nicht mehr notwendig, denn schon während des Spaziergangs hatten wir beschlossen, dass Cora schwanger sein muss. So sehr, wie sie sich als werdende Mutter und ich mich als werdender Vater fühlte, konnten wir gar nicht daneben liegen.

Danach passierte erstmal Monate lang gar nichts.
Cora wurde dicker, okay. Und es stellten sich einige der angenehmen bzw. unangenehmen Begleiterscheinungen der Schwangerschaft ein. Ich erinnere an den Disclaimer und halte mich mit weiteren Beschreibungen zurück.
Schade, gell?

Aber im Grunde änderte sich praktisch nichts. Cora ging weiterhin arbeiten und ich ebenfalls. Der einzige Unterschied war, dass sie mich öfters rief, wenn es etwas Schweres zu tragen gab. Und insgeheim hatte ich den Eindruck, dass es gar nicht immer notwendig war, dass ich ihr half.
Aber okay, in meiner duldsamen Rolle als Baldpapa akzeptierte ich das und schluckte die bösen Verdächtigungen hinunter.
Ansonsten akzeptierte ich einfach alles, was mir die Schwangerschaft an Erfreulichem und Unerfreulichem bot. Ich muss bis zur Geburt noch alle möglichen Renovierungen hier im Haus vornehmen?
"Kein Problem"
einer der vielen Aerzte hält uns einen viertelstündigen Vortrag, dass unser Kind behindert sein könnte und beendet ihn mit der ebenso kurzen wie lapidaren Aussage, das dem nicht so ist?
"Kein Problem".

Alles was nach der Zeit des grossen Bauches kommen sollte, war ja noch so weit weg. Und in den Hechelkurs musste _ich_ auch nicht. Wozu denn?
Das war Zeit, die man sich sparen konnte. Warten wir erstmal ab, bis das ganze Thema spruchreif wird. Und das kann ja noch einige Zeit dauern, denn Julia - so nennen wir das drohende Unheil jetzt schon - soll ja erst Mitte September kommen.

Am Morgen des 25. August teilte mir Cora mit, dass irgendein Lackmusdings sich in ungebührlicher Weise verfärbt habe. Unsicherheit! Gegen 12:00 bin ich endlich richtig wach und einer Tatsache bin ich mir gewiss:
In 24 Stunden bin ich Vater.

Ab diesem Zeitpunkt wurde die Situation paradox:
Einerseits überschlugen sich die Ereignisse, während andererseits Ruhe ins Spiel kam.

Wir fahren ins Krankenhaus, der Arzt bestätigt die 24-Stunden-Diagnose, Cora erhält ein wehenfördendes Mittel, wir durchmessen einen Grossteil Wiesbadens im Rahmen der wehenfördenden Spaziergänge, ich fahre zurück, weil was weiss ich, ich komme wieder ins Krankenhaus und bin immer noch nicht Vater. Ich hätte wohl nicht so viele Ami-Spielfilme in meiner Jugend sehen sollen.

Dafür hat sich bei Cora einiges verändert.
Während ich bei ihr bin, hat sie immer wieder Schmerzzustände. Fast ebenso regelmässig, wie sie diese bekommt, frage ich sie "was ist denn?"
Ich bin ja ein besorgter Mann.

Gemein finde ich, dass Cora meint, ich solle jetzt mit der blöden Fragerei aufhören. Muss sie mich ausgerechnet jetzt an den Witz von dem Fliessbandarbeiter erinnern, der bei jedem neuen Werkstück meint:
*nanu, da kommt ja schon wieder so ein Ding?

Aber okay, bald darauf bin ich wieder zu gebrauchen. Coras Schmerzen werden stärker und wir gehen in einen der beiden jetzt freien Kreisssäle. Es herrscht ein bisschen Feierabendstimmung, alle anderen heute Mutter Gewordenen schlafen, die Ärzte sind verschwunden und eigentlich scheint es nur noch Cora, eine Hebamme und mich zu geben.

Dann geht auch noch die Hebamme (die mir nicht _so_ furchtbar sympathisch war).
Statt dessen kommt eine andere Frau, die sich als Hebamme vom Nachtdienst vorstellt. Ab da fühle ich mich wieder besser.

Sie ist ein echter Engel, sie ist lieb, nicht nervig, kümmert sich dabei auf eine Art und Weise um Cora, die ich einfach als "tough" bezeichnen würde. Sie meint zum Beispiel zwischendurch, *Du musst gar nicht schreien*, woraufhin Cora tatsächlich damit aufhört.
Das war gut!
Wie mir Cora später sagte, war das Schreien wirklich nicht notwendig. Sie meinte nur, es gehöre halt dazu, wo es doch schon so weh tut.

Die weiteren Details spare ich jetzt mal aus, bei denen es um Badewannen, nach mir aus Wut geworfene Waschlappen, Probleme bei der Geburt, meine Unbeholfenheit beim Waschen der neugeborenen Schönheit Julia, weitere Komplikationen, eine Operation und all die anderen vielen Ereignisse ging, die sich in dieser Nacht zu einem Puzzle zusammen setzten.

Wirklich gewahr bin ich auch nur einer Szene:
Cora hat Julia auf dem Arm, beide schlafen ein, während Marie-Louise, die Hebamme und ich uns auf einen der Rauchverbots-Balkone zurück ziehen, um nach getaner Arbeit eine Zigarette zu rauchen.

_Das_ war eine wirklich gute Zigarette, die all das hatte, was die Werbung sonst verspricht.

Schade, dass diese Zigaretten heute nicht mehr verkauft werden, auch wenn ich sie nicht mehr haben wollte. Schliesslich rauche ich inzwischen nicht mehr.

Aber das ist noch die geringste Veränderung, die Jule in mein Leben gebracht hat. Alleine in der letzten Wochen waren es schon mehr :o)

Und jetzt ist es Montag abend, Viertel vor elf, Jule ist 10 Monate alt und krabbelt hier bei mir im Büro rum, während Cora schon schläft.

Was genau hat die Kleine eigentlich in meinem Leben verändert?

Keine Ahnung, kann auch nicht mehr drüber nachdenken - stop - Jule will tastatur - stop - schreit - stop - hilfe

Gute Nacht

Wolfgang am 26.06.2000

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