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noch mehr Ende:
Am 26.01.2001 schickt mir Petra die neue Adresse von Andrea Jackson und bittet mich darum, den Vermerk auf das Spendenkonto zu löschen (daran hätte ich auch selbst denken können ...)Das Ende:
Am 21.06.2000 erreichte mich die Mail von Petra Gelhar:
Die Todesstrafe wurde in lebenslänglich umgewandelt.
Andrea Jackson befindet sich nicht mehr in der Todeszelle.
Yesterday, Chief Circuit Judge Donald R. Moran -- who maintained for more than
15 years that Jackson should die for killing Officer Gary Bevel -- stunned a
Jacksonville courtroom when he changed his sentence and ordered that she
instead spend the rest of her life in prison.Jackson could be released from prison by 2009 because the law in 1984, when
Jackson was sentenced, said killers sentenced to life are eligible for parole in 25
years. Assistant State Attorney Bernie de la Rionda said it would be up to
Jackson's lawyers to decide if they want to make sure that law is applied.
nicht mehr aktuell, aber immer noch lesenswert:
Andrea Jackson lebt seit 17 Jahren in der Todeszelle
neue Infos auf folgender Seiten
:High court hears arguments over fourth death sentence given to Andrea Jackson
Info vom 22.07.1999
Am 6. Oktober 1999 beginnt ihr Habeas-Corpus-Verfahren - dieses Urteil ist dann das endgültige. Wir haben inzwischen 42.000,-- Dollar zusammen, die sie auch auf ihrem amerikanischem Spendenkonto hat. Es wird ein neuer Richter sein und eine neue Jury.
Worum es hier geht:
Es geht darum, Geld für einen neuen Prozess und die anschliessende Berufung zu sammeln, denn verhandelt wird vor dem Richter, der Andrea Jackson schon einmal zum Tode verurteilt hat und er sagte bereits, daß er sie auf jeden Fall noch einmal zum Tode verurteilt.
Sonderkonto Andrea Jackson
wurde geschlossenWer ihr schreiben möchte:
die Adresse bekam ich am 26.01.01 Andrea Hicks Jackson # 279567 (F-21112)
Dade Correctional Institution
19000 SW 377TN Street, Suite 200
USA-Florida City, Florida 33034
USA
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- Die Vorgeschichte
- Der Tathergang
- Andrea Jackson im Interview ein Artikel der Kirche + Leben vom 24.05.98
- Ein Brief von Amnesty International 03.06.1997
- Die Todeskandidatin ein Bericht aus der Frauenzeitschrift Brigitte 1995
- Das Opfer
- Links zum Thema
Die Vorgeschichte
Mit neun Jahren wird Andrea Jackson erstmals von ihrem Stiefvater vergewaltigt. Mit 16 Jahren entflieht A.J. vor den immer wiederkehrenden Peinigungen zu einem Mann, von dem sie später zwei Söhne bekommt, und den sie nach der Geburt des zweiten Kindes heiratet. Doch schon vor der Heirat wird sie auch von ihm immer wieder geschlagen und vergewaltigt. Mit 25 Jahren trennt A.J. sich von ihrem Mann. Da sie keine eigene Wohnung hat, bleiben die Kinder in der Wohnung des Mannes. Wegen dieser Trennung droht ihr Mann, sie umzubringen. Aus Angst besorgt sich A.J. einen Revolver, und ihr Drogen und Alkoholkonsum verstärkt sich.
Der Tathergang 16.05.1983
A.J. hält sich in der Wohnung ihres Mannes auf. Als sie wieer wegfahren will, spring ihr Auto nicht an. Sie zertrümmert die Scheiben des Autos und reißt die Batterie, Kabel und anderes Zubehör heraus. Einige Teile davon bringt sie in die Wohnung des Mannes. Passanten rufen die Polizei an. Zwei Polizisten erscheinen und fragen A.J., nachdem sie wieder auf die Straße gekommen ist, nach der Zerstörung des Autos. A.J. sagt, daß sie wisse, wer das Auto zerstört hat, verschweigt aber, daß sie es selbst war. Sie holt den Kraftfahrzeugschein aus der Wohnung ihres Mannes, um zu dokumentieren, daß es ihr eigenes Auto ist.
Einer der Polizisten fährt davon. Der Polizist Bevel bleibt am Ort und vernimmt Zeugen. Nach Angaben einer weiteren Zeugin soll A.J. noch einmal in das Appartment gegangen sein und ihren Revolver geholt haben (den sie nach Zeugenaussagen in letzter Zeit immer mit sich geführt hat). Danach sieht eine andere Zeugin, daß A.J. sich in das Polizeiauto setzt und Papiere durchblättert und machte den Polizisten Bevel drauf aufmerksam. Dieser kehrt deshalb zu seinem Auto zurück. Er erklärt ihr, daß er sie arrestieren müsse, weil sie bei der Vernehmung verschwiegen habe, daß sie selber ihr Auto zerstört habe. Draufhin schlägt A.J. den Polizisten. Es kommt zu einem Handgemenge. Der Polizist drückt sie auf den Hintersitz des Polizeiautos. A.J. ziehtden Revolver und feuert sechs Schüsse auf den Polizisten Bevel.
Danach entflieht sie und kann als Anhalterin mit einem LKW entkommen. Nach kurzer Wegstrecke sieht sie eine Freundin und verläßt den LKW. Sie erzählt der Freundin, daß sie auf den Polizisten Bevel geschossen habe. Eine zweite Freundin ruft im Krankenhaus an und teilt A.J. mit, daß Polizist Bevel tot ist. Am nächsten Morgen kehrt A.J. in das Appartment ihres Mannes zurück und wird sofort verhaftet.
Im ersten Prozeß 1983 wird A.J. zum Tode verurteil. Es wird argumentiert, daß die Todesschüsse geplanter, kaltblütiger Mord waren mit dem Ziel, sich einer Verhaftung zu entziehen. Eine verminderte Zurechnungsfähigkeit wird verneint, obwohl drei Gutachter diese bestätigen und insbesondere ein flashback (beim Handgemenge mit Polizist Bevel Erinnerung an früher erfolgte Vergewaltigungen) diagnostiziert wird. Ein Appell an den Supreme Court von Florida ist 1986 erfolglos; 1989 unterzeichnet der Gouverneur Bob Martinez das Todesurteil.
wegen Nichtberücksichtigung wichtiger Fakten wird auf Initiative einer Rechtsanwältin das Todesurteil vom Supreme Court wenige Tage vor der geplanten Vollstreckung aufgehoben. 1992 verurteilt das Bezirksgericht A.J. erneut zum Tode. Diese Todesurteil wird 1994 wieder vom Supreme Court aufgehoben, wil die Jury nur unzureichend über die Merkmale eines kaltblütigen, vorbereiteten Mordes aufgeklärt wurde. Danach verurteilt das Bezirksgericht A.J. zum dritten Mal zum Tode.
Im November 1997 ist der Supreme Court Floridas wieder mit A.J. befaßt. Wie sich aus dem Schriftsatz ergibt, ist die Mehrheit der Mitglieder des Supreme Court der Ansicht, daß die Todesschüsse geplanter kaltblütiger Mord gewesen seien mit dem Ziel, daß A.J. sich der Verhaftung entziehen wollte; eine Minderheit der Mitglieder macht u.a. geltend, daß A.J ja ohne Bewachung zum zweiten Mal in die Wohnung ihres Mannes gehen konnte und sie sich somit viel einfacher einer Verhaftung hätte entziehen können; überdies konnte sie gar nicht vorher wissen, daß eine Verhaftung geplant war.
Binnen 120 Tagen sollte nach den Anweisungen des Supreme Courts vom 6.11.97 das Bezirksgericht in Jacksonville zum vierten Mal ein Urteil über Andrea Jackson fällen. Dieser Termin konnte nicht eingehalten werden; jetzt soll der Prozeß im Laufe des Juni 98 stattfinden.
Wie der Mordprozeß gegen den Footballstar O. J. Simpson zeigte, hängt der Ausgang eines Prozesses ganz entscheidend von den finanziellen Mitteln ab, die für die Verteidigung zur Verfügung stehen. Es läßt sich darüber hinaus statistisch nachweisen, daß mittellose Amerikaner erheblich schlechtere Chancen bei einem Mordprozeß haben als ihre vermögenden Mitbürger. Nach Informationen von Amnesty International muß man für eine qualifizierte Verteidigung in einem Wiederaufnahmeverfahren bei Todesurteilen in den USA 100.000,-- Dollar veranschlagen. Aufgrund von Spenden aus Deutschland, der SChweiz und Österreich konnten bis heute 32.000,- Dollar auf ein Treuhandkonto für Andrea Jackson überwiesen werden. Weitere Spenden sind somit noch notwendig.
Wunsch: Briefe und Gebete
Frau Jackson, Sie haben einen Menschen getötet. Glauben Sie, daß Gott Ihnen vergibt?
Ja. Ich habe eine Beziehung zu Gott entwickelt. Ein Teil meines Lebens besteht aus Gebet und Meditation.Was empfinden Sie, wenn Sie an die Angehörigen Ihres Opfers denken?
Mir tut es um den mann, den ich erschossen habe, sehr leid. Auch seine Frau und seinen Sohn bedaure ich sehr. In meiner letzten Gerichtsverhandlung bin ich mit der Ehefrau des toten Polizisten zusammengetroffen. Da hat sie mir gesagt, daß sie mir vergeben hat.Kann es aus Ihrer Sicht eine gerechte Strafe für den Mord an einem Menschen geben?
Darüber wage ich nicht zu urteilen. Das ist Gottes Sache. Was es für den Tod an einem Menschen auf Erden geben soll, kann ich nicht sagen. Darüber darf kein Mensch richten. Gott allein richtet über mich.Welche Visionen haben Sie für Ihr Leben?
Alles was ich tue, wie ich lebe, was ich sage, soll der Ehre Gottes dienen. Mein Leben im Gefängnis soll Zeugnis von Gott geben.Was belastet Ihren Alltag im Todestrakt am meisten?
Daß ich meine zwei Kinder fast nie sehen kann und keine Chance habe, je bei meiner Familie sein zu können.Welche Beziehung kann es zwischen Ihnen und den Menschen in Deutschland geben?
Zu einigen wenigen Menschen besteht schon eine Beziehung. Ich kann sie als Christin so lieben, wie ich von ihnen geliebt und verstanden werde. Ich hoffe, daß einige Christen auch in Deutschland mich auf ihre Weise in ihr Herz schließen werden.Was können diese Menschen, neben der finanziellen Unterstützung, für Sie tun?
Sie können für mich beten und mir schreiben. In Gedanken bin ich ihnen im Gebet verbunden, wie sie dann bei mir sind. Natürlich freue ich mich auch, wenn sie dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, den Vereinten Nationen oder dem obersten Gerichtshof von Florida schreiben, damit mein Todesurteil umgewandelt wird.
03.Juni.1997Sehr geehrte Frau Gehlhar,
vielen Dank für die Zusendung der Unterlagen zu Andrea Hicks Jackson. Leider muß
ich Sie wegen der Möglichkeiten der Unterstützung durch amnesty international
enttäuschen. amnesty international bemüht sich auf die Abschaffung der Todesstrafe
hinzuwirken - in den USA bisher leider ohne Erfolg. Zugunsten einzelner Menschen,
die zu Tode verurteilt sind, werden erst dann tätig, wenn ein konkreter Hinrichtungs-
termin festgelegt wurde. Wir können leider keine finanziellen Beiträge zur Bezahlung
eines qulifizierten Rechtsbeistandes leisten, da dies unsere finanziellen Möglich-
keiten übersteigen würde. Für eine qualifizierte Rechtvertretung in einem
Todesstrafenverfahren muß man etwa 100 000 US$ veranschlagen. Von staatlicher
Seite ist auch keine Hilfe zu erwarten. Bei den letztjährigen Haushaltsberatungen
wurden die Bundeszuschüsse zu den Resource Centern - Anwaltsteams, die
Todeskandidaten im habeas corpus-Verfahren vertraten - gestrichen. Das Ressource
Center zu Florida stand im Februar 1997 kurz vor seiner Schließung.
Bitte pflegen Sie Ihren Briefkontakt weiter. Sie helfen Andrea Hicks Jackson damit
mehr, als es derzeit amnesty international könnte.
Mit freundlichen Grüßen
USA-Kogruppe
Klaus Naßhan - klaus.nasshan@metronet.de
Ich danke der Brigitte Redaktion für die Erlaubnis die Texte und Fotos von Andrea Jackson auf der Hausfrauenseite verwenden zu dürfen
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Frau Jacksons Adresse, falls ihr jemand schreiben möchte:
Andrea Hicks Jackson #279567
Broward County Correctional Institute
P.O. Box
8540, Pembroke Pines,
Florida 33024
USADer Bericht aus der Brigitte Heft 18/95
Die Todeskandidatin
Seit zwölf Jahren lebt die Mörderin Andrea Jackson im Frauengefängnis von Florida in Angst vor ihrer Hinrichtung. Brigitte-Mitarbeiterin Susanne v. Paczensky besuchte die 37 jährige im Todestrakt
Der 9. Mai 1989 sollte Andrea Jacksons Todestag sein. Der Gouverneur von Florida hatte ihr Gnadengesuch verworfen, den Hinrichtungsbefehl unterschrieben. Vier Wochen vor dem Termin begannen die Vorbereitungen im Frauengefängnis Broward Correctional, wo Andrea bereits seit sechs Jahren in Einzelhaft saß. Nun wurde sie in eine besonders gesicherte Zelle gebracht, in Ketten gelegt und von allen Vergünstigungen wie Duschen oder Freistunde ausgeschlossen. Der Pastor kam, um ihre Reue festzustellen, der Gefängnisarzt, um die notwendige Stromstärke des elektrischen Stuhls zu ermitteln. Slle waren aufgeregt, denn seit 20 jahren war in Amerika keine Frau hingerichtet worden. Über die Lautsprecheranlage mußte Andrea mithören, wie die Beamtinnen sich auf ihre grausige Aufgabe vorbereiteten. "Sie waren ganz durcheinander", erinnert sie sich, "aber ich war wie betäubt. Ich konnte gar nicht glauben, daß es wirklich um mich, um mein Leben ging." am 6. Mai kam die Nachricht vom Supreme Court: Das Todesurteil war aufgehoben.
"Ich wußte ja, daß ich mich auf Jesus und auf Susan Cary verlassen kann." In letzter Minute hatte die Anwältin Susan Cary dem Obersten Gericht Material vorgelegt, das die Hinrichtung verzögerte. Seitdem pendelt der Fall Jackson zwischen den Gerichten hin und her: Zweimal wurde ein neues Todesurteil verkündet, zweimal wieder aufgehoben.
Mein Besuch bei Andrea Jackson führt durch sechs Gittertore. jedes wird einzeln auf- und zugeschlossen, jedes fällt mit schepperndem Lärm ins Schloß. Irgendwo schreit eine Frau, hoch und monoton. Schließlich rollt ein letztes Gitter beiseit: Wir sind auf der Death Row, der Sonderabteilung für Todeskandidaten im Frauengefängnis von Florida. Zwei Autostunden von Miami, inmitten einer baumlosen Sumpflandschaft, werden 600 Frauen bewacht, mit denen die Gesellschaft nichts anfangen kann. Sechs von ihnen warten auf ihren Tod. "Man darf es nicht an sich rankommen lassen", sagt mir die wachhabende Beamtin zur Begrüßung. "Ich achte nur darauf, daß Ordnung und gute Stimmung herrschen." Im Todestrakt ist alles babyrosa angestrichen: Wände, Türen, sogar die Trennwand des fensterlosen Besucherraums.
Andrea Jackson sitzt mir in frischgebügelter Gefängnisuniform gegenüber. Ihre runden Backen, ihr Krauskopf, ihre kleine Zahnlücke lassen sie fast kindlich wirken, jünger alsi ihre 37 Jahre. Sie lächelt mir entgegen: "Seit Monaten der erste Besuch", sagt sie. "Wie schön, daß ich nicht ganz vergessen bin." Sie will wissen, auf welcher Straße ich gekommen bin, ob die Blätter von den Bäumen gefallen sind, ob ich unterwegs was gegessen habe.
Zwischen uns ist eine Glasscheibe mit ein paar Löchern und um uns herum die Lärmglocke aus Lautsprecherdurchsagen, Türenscheppern, undeutlichem Geschrei. Wir brauchen viel Geduld, Gestik, Mimik, um uns zu verständigen. "Ist es immer so laut?" frage ich, und Andrea beschreibt, wie sie auf ihrer Pritsche liegt und sich die Decke über die Ohren zieht. Sie spricht zögernd, sucht oft lange nach einem Wort, als hätte sie es verlernt, mit Menschen zu sprechen, als sei sie es nicht gewöhnt, daß ihr jemand zuhört.
Ihre Zelle ist zwei mal drei Meter groß, sie hat Waschtisch, Klo, Spind und ein Wandbett, das tagsüber hochgeklappt wird. Durch das schießschartenschmale Fenster sieht sei den Beamtenparkplatz und viele Rollen Stacheldraht. Dahinter schimmert der Sumpf, in dessen Mitte die Anstalt liegt.
Das ist Andreas Welt, 23 Stunden am Tag. Eine Freistunde darf sie auf dem umschlossenen Hof verbringen, zusammen mit den fünf anderen Frauen auf Death Row. "Ich laufe meine feste Strecke an der Mauer entlang", sagt Andrea, "das sind genau zwei Meilen." Hat sie nicht Kontakt zu den anderen? "Sie sprechen nicht viel mit mir. Ich bin ja schwarz."
Wegen ihrer Hautfarbe wird sie vom Gefängnispersonal schlecht behandelt: "Dreimal in der Woche dürfen wir duschen. Ich warte den ganzen Tag darauf, weil es hier meistens glutheiß ist und weil ich mich danach sehne, daß ich mal aus der Zelle raus darf. Und dann kommen sie am Abend und sagen: Du bist gestrichen, bei dir macht es doch keinen Unterschied, ob du schmutzig oder sauber bist."
Zwölf Jahre ist es jetzt her, daß Andrea Jackson in Jacksonville, Florida, einen Polizisten erschoß. Sie war volltrunken und voller Drogen, ihr Ehemann hatte ihr Prügel angedroht und ihr klappriger Ford hatte den Geist aufgegeben. In einem Wutanfall begann sie ihr Auto zu zertrümmern. Der Ortspolizist kam hinzu, versuchte, die schreiende Frau zu beruhigen, und wollte sie schließlich zur Ausnüchterung aufs Revier mitnehmen. Als er sie in den Rücksitz des Polizeiwagens drängte, zog sie plötzlich eine Pistole aus dem Hosenbund, schoß und lief davon. "Er wollte mich vergewaltigen", sagte sie nach ihrer Verhaftung. Aber es gab genug Zeugen, die bestätigten, daß der angesehene Familienvater nichts Unsittliches vorhatte.
Andreas Prozeß dauerte nur wenige Tage: Der Pflichtverteidiger, der aus der Gerichtskasse spärlich bezahlt war, hatte keine Erfahrung im Strafrecht, die Angeklagte hatte keinerlei Erinnerung an den Vorfall, niemand setzte sich für sie ein. So konnte das Gericht rasch zum Urteil kommen: schuldig wegen Mordes. Und da das Opfer ein Polizist war, stand Todesstrafe darauf. Mildernde Umstände konnten Richter und Geschworene - die sämtlich weiß waren - nicht entdecken; Zeugen über ihre Kindheit, ihre Vorgeschichte waren nicht geladen.Die Rassenvorurteile sind in den Südstaaten noch immer tief verwurzelt. Schwarze Angeklagte kriegen schlechtere Anwälte, werden vor Gericht schlechter behandelt und sehr viel häufiger zum Tode verurteil als Weiße. Obwohl Afroamerikaner nur 12 Prozent der US-Bevölkerung ausmachen, stellen sie über 40 Prozent der Death-Row-Insassen. Das gleiche Verbrechen, das in vielen nördlichen Bundesstaaten zehn Jahre Haft einbringt, wird - wie Amnesty International ermittelt hat - im Süden mit dem Tod bestraft. Am gefährlichsten ist es für Täter, wenn sie schwarz sind, arm und in einer Kleinstadt in Texas oder Florida leben. Andrea Jackson erfüllt alle Bedingungen.
Sie kann sich an ihren Prozeß kaum erinnern. "Ich war ja voll unter Drogen. Als ich merkte, daß ich im Gefängnis war, als alle sagten, ich hätte einen Menschen umgebracht, war ich so geschockt, daß ich mir die Adern aufschnitt. Aber sie lassen dich nicht sterben. Sie flicken dich gleich zusammen. Dann habe ich mich einfach zugeschüttet. Im Bezirksgefängnis von Jacksonville saßen lauter Dealer, da konnte man starken Stoff kriegen. Meinen Anwalt habe ich nicht oft gesehen; ich konnte ihm auch nicht viel erzählen, weil ich gar nicht wußte, wie alles zusammenhing." Nur mühsam bringt Andrea diese wenigen Sätze hervor, zupft sich an den Haaren und zerknittert den Saum ihrer frisch gebügleten Gefängnisbluse. Es fällt ihr so schwer, von sich selbst zu sprechen, als hätte sie nie die Worte gelernt, mit denen man Gefühle beschreibt. Auch vor dem Richter blieb sie sprachlos.Nach dem Todesurteil wurde sie auf Death Row verlegt, ins Hochsicherheitsgefängnis im Sumpf. Da gab es keine Drogen mehr. "aber es hat noch lange gedauert, bis ich gemerkt habe, daß ich nicht sterben will, sondern leben."
Lange Zeit war sie mit ihrer Verzweiflung allein. Zwar dürfen die Death-Row-Insassen alle 14 Tage Besuch kriegen, aber Andrea wartete vergeblich. Ihre Eltern, ihre drei Geschwister hatten sich schon vor dem Prozeß von ihr abgewandt; ein einziges Mal kam ihr Bruder mit ihren beiden kleinen Söhnen zu Besuch. Das Foto von diesem Tag trägt sie immer bei sich.
Nach langer Zeit trat einmal ein Priester in ihre Zelle, sprach ihr Mut zu und sagte: "Jesus liebt dich." Wenn Andrea von dieser Begegnung spricht, leuchtet ihr rundes Gesicht voll Ergriffenheit. "Das hat noch nie jemand zu mir gesagt. Aber ich wußte plötzlich, daß es wahr ist und daß ich keine Angst haben muß. Danach habe ich angefangen, die Bibel zu lesen, und Jesus hat bald darauf einen Engel zu mir geschickt."
Dieser Engel heißt Susan Cary und ist Rechtsanwältin, Spezialistin für Berufungsverfahren. Sie war gekommen, weil Andreas Hinrichtungstermin nahe bevorstand und weil es höchste zeit war, einen Aufschub beim Supreme Court von Florida zu beantragen. Damals wurde Andrea zum ersten Mal über ihre Rechtslage aufgeklärt, zum ersten Mal fragte sie jemand nach ihrer Kindheit, nach ihren Lebensumständen zur Zeit der Tat.
Die Anwältin erinnert sich an viele tränenreiche Gespräche im Gefängnis, geduldige Nachforschungen in der Nachbarschaft in Jacksonville, bis sie schließlich den tragischen Hintergrund aufgeklärt hatte: Andrea Jackson war ein unerwünschtes, vielgeprügeltes Kind aus bitterarmen Verhältnissen, das mit neune Jahren von ihrem Stiefvater vergewaltigt und jahrelang mißbraucht wurde, bis sie schließlich mit 16 weglief, in die Arme eines älteren Trinkers, der sie genauso schlug und vergewaltigte und den sie trotzdem heiratete, nachdem das zweite Kind geboren war.
Als sie sich schliesslich, mit 25 von ihm trennte, drohte er sie zu töten. Andrea kannte seine Gewalttätigkeit und besorgte sich eine Pistole. An dem Tag, an dem der Mord geschah, hatte sie einen Streit mit ihrem Ehemann, in dem es um Geld, um die Kinder, um die Scheidung ging und in dessen Verlauf heftig getrunken wurde. Andrea hatte schon als Kind gelernt, alle Schwierigkeiten mit Alkohol herunterzuspülen. Später kamen noch Drogen aller Art hinzu. Zur Zeit der Tat befand sie sich in einem Dauerzustand von Rausch und Verzweiflung.
"Ich habe nicht gern darüber gesprochen ich habe mich ja geschämt", sagt sie ganz leise und blickt auf ihre Hände, die rastlos herumstreichen. "Jedenfalls hat Susann mir klargemacht, daß es Zeit für mich ist, über mein Leben nachzudenken. Man kann auch auf Death Row wachsen, hat sie gesagt. Es ist gerecht, daß ich im Gefängnis sitze, denn ich habe ja getötet; aber es wird auch gerecht sein, daß sie mich eines Tages entlassen."Manchmal stellst sie sich vor, wie es sein wird, wenn sie aus der Haft kommt: Sie wird ihre Söhne wiedersehen, sie wird ihre Lieblingsspeise essen - Brotpudding mit Rosinen - und sie wird seich eine Arbeit suchen - am liebsten in einem Frauenhaus. Doch während sie diese Pläne erzählt, wird ihre Stimme ganz tonlos.
Das Rechtssystem der amerikanischen Todesstrafe ist so kompliziert, daß es sogar den meisten Juristen unverständlich ist, wie rasch die Gerichte oft zum Todesurteil kommen und wie langsam sich der Weg durch die verschiedenen Berufungsinstanzen windet. In seinem Bestseller "Die Kammer" braucht der Erfolgsautor John Grisham 500 Seiten, um alle Stufen des Kampfes zu beschreiben, den ein engagierter Anwalt um das Leben eines vielfachen Mörders führt - und verliert. Solche Anwälte sind selten, sie werden schlecht bezahlt und von ihren Kollegen wenig respektiert. Der Oberste Gerichtshof hat das Verfahren vorgeschrieben, in dem Todesurteile vor der Vollstreckung überprüft werden müssen, doch die öffentliche Meinung hält es für unnütze Zeit- und Geldverschwendung.
"Die Gerichte behandeln uns ungefähr so, wie sie auch unsere Klienten behandeln: mir Verachtung." Erst als ich Susan Cary in ihrem kleinen Büro in Gainesville besuchte, verstand ich an welch dünnem Faden Andrea Jacksons Leben hängt. "Es gibt viele Instanzen, aber nur ganz wenige zulässige Gründe für eine Berufung", erklärt sie. "Wir müssen die ganze Vorgeschichte des Falles durchkämmen, ob es irgendwelche mildernden Umstände gibt. Ihre Lebensumstände, die wir nachträglich herausgefunden haben, waren dem Gericht nicht bekannt", sagt Susan Cary, "sie sind eindeutig nachweisbar und hätten verhindert, daß man Andrea wegen Vorsatz und kaltblütigem Mord zum Tod verurteilt." Doch in den bisherigen Berufungsverhandlungen wurden diese "neuen Tatsachen" als " verspätet" abgelehnt. Abgewiesen wurde auch ein Gutachten der bekannten Gerichtspsychologin Lenore Walker, die erläutert, daß Andrea ein "Flashback" ihrer früheren Vergewaltigungserfahrungen erlebt haben muß, als der große fremde Mann sie auf den Rücksitz des Polizeiwagens drängte. Beim nächsten Termin kann nicht mehr über den Schuldspruch, sondern nur über das Strafmaß entschieden werden. Das heißt: Im glücklichsten Fall wird Andrea zu lebenslanger Haft "begnadigt". "Es ist eine Schande", sagt Susan Cary, "daß wir Amerikaner einen Apparat haben, der von Staats wegen Menschen tötet; nicht etwa von einer Diktatur aufgezwungen, sondern ganz demokratisch, von der Mehrheit, beschlossen."
Die großen Kirchen und einige Menschenrechtsorganisationen, vorneweg Amnesty International, verurteilen das Töten. Es gibt auch ein paar tapfere Politiker, die für die Abschaffung der Todesstrafe eintreten, doch ihr Eifer hat deutlich nachgelassen. Sie müssen befürchten, daß sie wie der New Yorker Gouverneuer Mario Cuomo nicht wiedergewählt werden, weil sie "soft on crime" sind, also nicht scharf genug gegen Verbrecher auftreten. So kommt es, daß selbst begründete Gnadengesuche, etwa wegen erwiesener Unschuld, vom Gouverneur nicht unterschrieben werden, weil es sich in der nächsten Wahl als ungünstig erweisen könnte. "Früher gab es mal eine Diskussion, ob die Todesstrafe wirklich abschreckend wirkt, ob sie nicht zur allgemeinen Gewalttätigkeit beiträgt", erinnert sich Susan Cary, "statt dessen diskutiert man heute über Tötungstechnik: ob die Giftspritze oder die Gaskammer vielleicht menschlicher ist als der elektrische Stuhl."
Immer wenn eine Hinrichtung stattfindet, versammeln sich Menschenmengen vor dem Gefängnis: nur wenige aus Protest, die meisten, um mit Bier und Sprechchören die "gerechte Strafe" zu feiern. Werden sie bald auch Andrea Jacksons Tod bejubeln?
Das Opfer
Officer Gary Bevel 28 years old Jacksonville Sheriff's Office Jacksonville, FL Died in the line of duty on 05/16/1983 Officer Bevel was fatally shot on May 16, 1983. Gary Bevel May 16, 1983 Officer Bevel had been a police officer for 20 months when he was dispatched to a vandalism call at 26th and Boulevard. While he was questioning the victim in the front seat of his patrol car, he suspected her of filing a false police report. When he attempted to put her in the back seat of his car she shot him three times in the head, once in the shoulder, and once in the back. She is currently on death row at Florida State Prison awaiting electrocution.
Das Opfer soll nicht vergessen werden. Es geht nicht darum, die Tat von Frau Jackson zu schönen, sondern darum, einen weiteren Mord, nämlich den an ihr, zu verhindern.