Mich würde das nicht ausfüllen!
Gratulation zum Hausfrauenreport! Ich kann mir alles genau vorstellen:
Den Druck beim Arbeitgeber, das Bemühen, auf allen Gebieten (Beruf, Kinder,
Partnerschaft, Haushalt) gut zu sein, das schlechte Gewissen, wenn es denn
nicht klappt, das vierblättrige Kleeblatt bei der Suche nach einer
Kinderbetreuung. Ich kenne ja natürlich auch schon von verschiedenen
Freundinnen, die ungefähr das Gleiche sagen.
Das einzige, was ich merkwürdig finde, ist Deine allerletzte
Bemerkung, Du seist eine zufriedene Hausfrau, zwar im Kontext des Internet
als neuen Beruf (finde ich auch völlig logisch), aber doch mit der
Grundtendenz: Hausfrau + ehrenamtliche oder hobbymässige Zusatztätigkeit
könnte ganz ok sein, wenn nur das gesellschaftliche Ansehen besser wäre.
Mit der Rahmensituation (der Unvereinbarkeit von Beruf und Familie)
scheinst Du ja ganz klar unzufrieden zu sein. Da müsste es ja dann viele
Berührungspunkte zwischen uns geben. Allerdings wäre ich als Hausfrau ganz
sicher nicht zufrieden und Deine Zusatztätigkeit scheint mir als Kleeblatt
eher 8-9- als nur 4-blättrig. Gemeinerweise baue ich nun meinen Beitrag auf
dieser Zufriedenheit der Hausfrauen auf (dem Einzigen aus Deinen Beitraegen,
dem ich nicht zustimme) und schreibe Dir mal, was mir dazu so in den Sinn kommt:
(Auch wenn es teilweise vermutlich polemisch klingt: Die Fragen, die ich stelle,
interessieren mich brennend!)
1. Naja, wenn Hausfrauen zufrieden sind, dann sind sie eben zufrieden.
Es soll doch jede machen können, was sie will. Wer bin ich, um anderen
Frauen Unzufriedenheit in ihrem Leben einzureden.
2. Verdammt noch mal, ist das denn möglich? Vorher hatten diese Frauen ein
Spektrum von hunderten von Berufen zur Auswahl: Bankkauffrau, Goldschmiedin,
Mechanikerin, Verkäuferin, Physikerin, Lehrerin, Ärztin, Friseuse,
Kosmetikerin, Arbeiterin, Übersetzerin, .... etc, etc
Koennen die wirklich alle nun zufrieden sein, diese Berufe aufgegeben zu haben
zugunsten des Berufs der Hausfrau, der, so vielfältig er im Tagesablauf
angeblich
auch sein mag (angeblich: sooo vielfältig finde ich ihn nun auch wieder
nicht!), vorbestimmt, unflexibel, ohne Wahlmöglichkeit, ohne Gehalt,
eigene Rente und wirtschaftliche Unabhängigkeit ist? Kann das wirklich sein?
Waren etwa alle vorher mit ihren Berufen unzufrieden? Oder hat Hausfrau und
Mutter etwas Magisches, das ich nicht verstehe? Oder ist es eine
Schutzbehauptung, eine Flucht nach vorne, da eine Wahlmöglichkeit ja doch
nicht besteht?
Und warum kommt der Beruf der Hausfrau für Männer dann so wenig in Frage?
Maenner waeren selten bereit, ihren gewählten Beruf zugunsten von Haushalt
und Kindererziehung aufzugeben, selten bereit, ihre finanzielle
Selbständigkeit, ihre soziale Absicherung aufzugeben, ihr Ansehen und ihr
Selbstvertrauen, welches sie i.A. aus dem Beruf beziehen.
Sind Männer anders? Oder planen sie ihr Leben klüger? Überlegen sich
genauer, welchen Beruf sie wählen? Geben finanzielle Selbständigkeit nicht
auf, weil sie wissen, dass sie damit die Kontrolle über ihr eigenes Leben
verlieren? Mein Freund z.B. ist arbeitslos, aber Hausmann zu werden käme für
ihn nicht in Frage. Ich finde, er hat recht. Aber für mich käme es auch nicht
in Frage. Was also dann?
3. Bin ich also anders geartet, als andere Frauen?
Gut, ich bin Physikerin,
immer noch eher die Ausnahme, aber auch nicht mehr so exotisch wie noch vor
50 Jahren. Ok, ich finde Haushalt furchtbar (abgesehen vom Kochen - vermutlich,
da ich gern esse) und habe die meisten Arbeiten auf das absolute Minimum
reduziert. Ok, Kinder interessieren mich auch nicht unendlich. Ich habe
ja schon öfters auf Kinder von Freundinnen aufgepasst und denke, dass ich das
beurteilen kann: Die erste Zeit sind sie ganz süss und auch interessant, aber
nach einer Stunde werden die Kinderspiele doch langweilig und ich sehne mich
nach einem Buch oder einem erwachsenen Gespraechspartner. Aber ist das so
aussergewöhnlich? Ähnliches schreibst Du ja auch, scheinst es aber in Kauf
zu nehmen. Nach Feierabend, an Wochenenden und im Urlaub könnte
ich es mir schon ganz nett vorstellen, meine Kinder aufwachsen zu sehen, mit
ihnen etwas zu unternehmen, mich um sie zu kümmern. Aber ganztägig? Ohne
eigenes Leben? - Undenkbar! Mir würde die Decke auf den Kopf fallen und das
Kind würde ich als den grössten Fehler meines Lebens ansehen.
Kommt Dir als zufriedene Hausfrau diese Einstellung merkwürdig vor?
Unweiblich? Extrem? Ich lese aus Deinen Beiträgen immer etwas Ärger heraus
über Bemerkungen der Art: 'Das würde mich nicht ausfüllen!' Aber ich glaube,
dies lässt sich nicht anders ausdrücken! Vielleicht fasst Du solche
Bemerkungen in erster Linie als rhetorisch auf mit dem Ziel, Hausfrauen
herabzusetzen? Ich dagegen denke, diese Bemerkungen meinen in 1. Linie genau
das, was sie sagen. Bei mir ganz sicher.
Mit meinem Freund gibt es dabei übrigens keine Probleme, denn wir sind uns
bei dieser Einstellung recht ähnlich. Wohl aber mit seiner Mutter, die gerne
Enkel hätte und uns inzwischen beide als egoistisch bezeichnet. Uns beide,
aber wohlgemerkt: mich, weil ich meinen Beruf nicht aufgeben, bzw. unterbrechen
möchte und ihn, weil er sich in ihren Augen nicht genug bemüht, Arbeit zu
finden. Wenn er Hausmann würde, wäre es für seine Eltern vielleicht ein
schlimmerer Schlag, als ohne Enkel zu bleiben. Dieser Streit mit seinen Eltern
ist zur Zeit natürlich mit ein Grund für mich, dass ich mich für dieses
Thema interessiere. Was sie wohl erst sagen würden, wenn ICH arbeitslos wäre
und TROTZDEM nicht Hausfrau werden wollte - oha!
4. Warum müssen Hausfrauen auch immer - oder oft - so furchtbar zufrieden
sein? Warum erzählen sie nichts von Langeweile, Depressionen, intellektueller
Unterforderung, Hausfrauensysndromen und mangelnder Freizeit?
Ich vermute, Du wirst mir mit der Gegenfrage antworten: Warum müssen
Karrierefrauen immer so furchtbar zufrieden sein. Warum erzählen sie nichts
von Berufsstress, Nervosität, Überforderungen, Konkurrenz, Einsamkeit?
Es stimmt, Frauen lassen sich nur zu oft gegeneinander ausspielen,
Mütter gegen Nichtmütter, Hausfrauen gegen Karrierefrauen (beides kann nach
Bedarf mit negativem Unterton ausgesprochen werden), arbeitende Mütter
gegen Hausfrauenmütter - absurd!
Warum machen wir das mit? Nun, vermutlich, weil wir uns entscheiden müssen:
Kinder oder Karriere, und falls Kinder: Beruf 'nebenbei' oder nicht?
Und weil wir dann in unserer Entscheidung auch glücklich sein wollen,
mindestens zufrieden. Das schafft dann die Blicke auf die jeweils andere
Gruppe - bewundernd, ablehnend, neidisch oder anerkennend, in jedem Fall aber
vergleichend. Vom Vergleich ist es nicht weit zum Druck von aussen, zur
Suche nach Zustimmung, 'Bündnispartnern' bei Medien und Politikern - und seien
es Männer! Dass von dieser Diskussion am Ehesten noch die Männer profitieren,
deren Lebensstil am Wenigsten hinterfragt wird, ist ein Kuriosum am Rande.
5. Wo könnte die Lösung liegen? Meiner Meinung nach nur in der massiven
Forderung nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Das heisst zunächst mal
nach guten Kinderbetreuungsmöglichkeiten - zuverlässig, mit genügend
Personal, billig und mit flexiblem Öffnungszeiten. Möglichkeiten von
Halbtagsjobs bei Männern UND Frauen (solange nur Frauen die Halbtagsjobs
wollen und auch nur Frauen den Erziehungsurlaub nehmen, hat beides meiner
Meinung nach wenig Sinn).
Und Schluss mit dem schlechten Gewissen bei arbeitenden Müttern.
Ebensowenig wie bei arbeitenden Vaetern.
Dies forderst Du ja auch. Trotzdem vermute ich gerade hier einen Konflikt
mit Hausfrauenmüttern und damit steuere ich endlich auf mein eigentliches
Anliegen zu: Schluss mit dem schlechten Gewissen heisst: Ein Kind
braucht keine Mutter, die den ganzen Tag zu Hause ist. Dies würde
zwangslaeufig zu einer Abwertung der Hausfrauenrolle führen, die momentan als
notwendiges
Opfer, wichtige Aufgabe etc. gilt. Würden die jetzigen zufriedenen Hausfrauen
das wollen? Ihre Arbeit würde dann nicht mehr als notwendig angesehen,
sondern als Privatsache, Hobby, vielleicht sogar Schickimicki.
Für mich lautet die entsprechende Frage natürlich: Sind heutige Hausfrauen
für mich denkbare Verbündete für meine Forderungen? Wer vertritt eigentlich
noch, dass eine Mutter für ihr Kind zuhause bleiben muss? Ich meine, ausser
meiner Schwiegermutter? Von welchen Gruppen kommt die Behauptung, dass
Ganztagskindergärten und -schulen schlecht seien für Kinder?
Von Männern? Hausfrauen? Älteren Menschen?
Von berufstätigen Frauen doch wohl nicht!
Also: Wollen die heutigen Hausfrauen die Kinderkrippen wirklich? Würden sie
gerne in ihren Beruf zurückkehren, wenn es denn ginge? Ich habe mehrere Jahre
in Frankreich gelebt, wo Kinderkrippen ja etwas völlig Normales sind. Als
z.B. die Informatikerin unseres Labors ihr Kind bekommen hatte und nach ca.
4 Monaten wieder zur Arbeit kam wurde sie nicht etwas gefragt: 'Wo ist Dein
Kind? Kannst Du das schon alleine lassen?' sondern 'War es Dir nicht
langweilig, so allein zu Hause? Nur mit Kind, das noch nicht spricht?' (ich
stand dabei). Sie lachte etwas und bestätigte es, zumal ja, wie sie sagte,
alle ihre Freundinnen auch arbeiteten und sie sich wirklich tagsüber
mit niemanden treffen könne.
Alle Franzosen, die ich in den 4-5 Jahren dort kennengelernt habe, waren
mit den dortigen Kinderbetreuungseinrichtungen hochzufrieden. (Und in
Frankreich wird schnell laut protestiert und gestreikt, wenn die Leute
unzufrieden sind, es wird mehr als in Deutschland Politik auf der Strasse
betrieben). Über die Kinderbetreuung habe ich in der ganzen Zeit nichts
Schlechtes gehört. Und ich habe dort auch keine Leute kennengelernt, die
keine Kinder wollten, während hier in Deutschland selbst jetzt im Alter von
fast 36 Jahren immer noch mein halber Bekanntenkreis aus Kinderlosen besteht.
Natürlich habe ich dort oft von der Situation in Deutschland erzählt und
teilweise ungläubiges Erstaunen ausgelöst. Die meisten wussten
darüber wenig Bescheid. Die Meinung, die ich oft hörte war: dann müssen
die deutschen Frauen es wohl so wollen! Sonst würden sie doch stärker
protestieren! (echt französische Annahme!) Oft noch mit Verweis auf die
Ökowelle, die ja in Frankreich auch recht erstaunt-distanziert und als eine
naiv-romantische Sehnsucht nach dem einfachen Leben aufgefasst wird.
Ich habe das meistens abgestritten.
Was mich betrifft, so will ich absolut ein ähnliches
Kinderbetreuungssystem wie in Frankreich. Tatsächlich war das die einzige
Phase meines Lebens, wo ich Kinder für mich ernsthaft in Erwägung gezogen
habe. So antwortete ich meistens, der Protest sei nicht so einfach, da alle
Frauen sich irgendwann doch entscheiden müssten. Die, die keine Kinder
bekämen, würden zum Thema Krippen kaum gehört. Und die, die Kinder bekämen,
hätten damit Tatsachen geschaffen und seien danach höchstens noch
Bittsteller. Die eine Gruppe sei also in dieser Frage mangels Erfahrung nicht
kompetent, die andere machtlos.
Und damit komme ich zum Schluss und würde gerne die folgende Frage zur
Diskussion stellen: Sind Hausfrauenmütter wirklich mit ihrer Situation
zufrieden? Und würden sie die Forderung nach Kinderkrippen, nach Vereinbarkeit
von Familie und Beruf ernsthaft unterstützen? Und auch für sich selbst in
Erwägung ziehen? Könnten sie sich vorstellen, diese Forderungen lauthals zu
formulieren? Die Situation als ungerecht und ihre Rolle darin als aufgezwungen?
Könnten sie sich vorstellen, die Kinderbetreuung haupt- oder gleichberechtigt
ihren Partnern zu ueberlassen?
Oder würden sie mehrheitlich doch vertreten, die Mutter gehöre zum Kind und
der Vater wäre auf jeden Fall schlechter? Oder würden sie theoretisch den
Ruf nach Kinderkrippen unterstützen, sie selbst aber lieber
doch nicht nutzen? Und insgeheim sagen, für ein Kind sei es doch besser,
wenn die Mutter zuhause bliebe? Vielleicht mit leichten Einschränkungen, bei
Müttern die damit gar nicht klar kämen und unglücklich wuerden? Und dem
gleichzeitigen Gedanken, dass solche Frauen ja dann vielleicht doch besser
keine Kinder bekommen sollten?
Diese Fragen finde ich momentan total spannend und ihre Beantwortung würde
für mich klären, ob und warum Haus- und Karrierefrauen an verschiedenen
Strängen ziehen.
Stefanie am 07.05.98
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