27.09.98
Etwas überzogen fand ich die Reaktion der Holländer auf unseren Besuch ja schon - kaum
waren wir mit Sack und Pack und Dachgepäckträger in Westerland, Nordholland angekommen,
herrschte dort Katastrophenalarm...
Offiziell wurde es mit dem Wetter begründet, aber wir waren schon irgendwo peinlich
berührt. Die Hinfahrt war spannend, da uns Nachbarn einen großen Kasten geliehen hatten,
den Felix zusammen mit Michaelas Fahrrad auf das Dach unseres versterbenden Autos
schraubte. Unser Versuch, meinen alten Opel vor dem Urlaub noch durch den TÜV zu bringen,
wurde von einem lachenden Werkstattbesizter abgeschmettert. Für die TÜV-Plakette sei
eine Investition von ca 2.000,- DM nötig und für diesen Preis bekommen wir schon
einen anderen Oldtimer mit frischerer TÜV-Plakette. Im November heißt es also Abschied
nehmen - und das nach 12 Jahren, das ist bitter...
Nun, wir fuhren Richtung Oberhausen auf die Autobahn, es regnete und Michaela fragte
prompt mit zart quengeligem Unterton, wann wir endlich ankämen, während Oliver Felix
seine Wasserflasche ins Genick feuerte. Ich saß mit üblen Vorahnungen auf dem Beifahrersitz
und kontrollierte sekündlich, ob der Dachkasten noch am Dach war. Ausserdem nötigte ich
Felix, alle Schrauben zu kontrollieren und nachzuziehen, noch bevor wir auf der
Autobahn waren und auf gar keinen Fall zu schnell zu fahren. Habe ich erwähnt, daß
ich ein grässlicher Beifahrer bin?
Kalkweiss im Gesicht, klammerte ich mich an den Türgriff, während Felix mit einem
Wahnsinnstempo von 100 kmh gen Oberhausen bretterte. "Müssen wir nicht Richtung Aachen?"
Ich war immer der Meinung, Holland und Belgien liegen rechts und links hinter Aachen,
aber siehe da, beide Länder sind größer, als ich gedacht hätte und so begriff ich,
daß auch hinter Oberhausen Holland ist...
Meinem Sicherheitsdenken kam ein zäher Stau entgegen, der Felix zu vernünftigen 30 kmh
zwang. Der dann einsetzende Regen, der uns bis Holland begleitete, sorgte für die
passende Urlaubsstimmung.
Nordholland selbst hat uns sehr gefallen, auch wenn die Neigung der Holländer, zwischen
sich und das Meer möglichst viele Dämme zu bauen, etwas ärgerlich ist. Die schnurgerade
Straßenbauweise hingegen, die durch gelegentliche, rechtwinklige Kurven unterbrochen
wird, traf allerdings unseren Geschmack. Nie hat mein Auto weniger Sprit verbraucht!
Das Wetter...
In den ersten Tagen versuchten die Holländer wohl uns zu vergraueln, indem sie uns
all ihre Regensorten vorführten, von denen der waagerechte Regen wohl der Übelste war.
Sturm und Regen... Aber wenn die meinten, uns durch Deiche, Sturm und Regen vom Strand
fernzuhalten, hatten sie sich geirrt. Getrieben von dem Wissen, was uns blühte, wenn
Michaela keine Muscheln sammeln durfte, obwohl wir ihr das hoch und heilig für diesen
Tag zugesagt hatten, stopften wir die Kinder und uns in eine raffinierte Kombination aus
Anoraks, Gummihosen, -stiefeln und -jacken und erklommen die Dünen von Callantsoog.
Oben angekommen war Michaela fast bereit, auf das Sammeln von entgegenkommenden Muscheln
zu verzichten, aber wir waren stur. Felix trug Oliver, ich Michaela und so kamen wir zum
Strand, wo wir ziemlich alleine waren. Nur wir, der Sturm und das Meer. Hätten wir den
Kindern Seile umgebunden, hätten wir sie steigen lassen können...
Michaela bettelte, keine Muscheln sammeln zu müssen, als wir entdeckten, daß das
Strandcafe geöffnet war. Drinnen war es urgemütlich. Zwischen Scheiben und Rahmen
hatte man Bierdeckel gestopft, um den Regen oder die Gischt abzuhalten und den wenigen
Sturköpfen, die wie wir nicht durch ein wenig Wind vom Strand zu halten sind, servierte man
heißen Apfelkuchen mit Sahne und Kaffee verkehrt.
Angesichts des Wetters wären unsere Freunde fast wieder abgereist, aber dem üblen Wetter
sei dank, mußten sie die Abreise verschieben. Bei dem Sturm wäre es einfach zu mühsam
gewesen. Am nächsten Tag hätten sie zwar reisen können, aber angesichts des deutlich
besseren Wetters (sanfter Nieselregen), blieben sie doch. Bald wurde das Wetter eh besser und
wir entdeckten die ersten grauen Wolken am schwarzen Himmel - bis, oh Wunder der
Altweibersommer sogar Badeausflüge zum Meer ermöglichte.
Oliver war sehr fürs Baden, leider auch schon zu den Zeiten, als wir noch die Notwendigkeit
für Gummistiefel und -hosen sahen... "Ein echter Junge", behauptete Felix stolz - ein
Spruch, den ich als Echo wiederhole, wann immer Oliver nun Mist baut - und das ist
seinem Alter gemäß sehr häufig...
Erinnert Ihr Euch noch an mein Geschick, den einen oder anderen Topf mitsamt abkochwürdiger
Sauger zu vergessen? Ich warb meine Mutter als Kundin für die Zeitschrift Brigitte
und bekam auf die Art wieder ein schönes Topfset... Allerdings hatte der beste aller
Gatten auf übelste Art gewisse, altersbedingte Verkalkungen bei mir vermutet, als dies
zum zweiten Mal geschah. Nun, am letzten Tag mußten wir gewisse Dinge für die Ferienwohnung
nachkaufen. Einen Topf, den er mit all unseren Saugern vergessen hatte, einen
Aschenbecher, den er dem Sturm opferte, eine Spülbürste, mit der er
versuchte den Topf zu retten und eine Henkeltasse, die der echte Junge enthenkelt
hatte...
Die Verkäuferin hat nicht schlecht gelacht, als ich sagte, weshalb sie die Dinge nicht als
Geschenk einpacken bräuchte...
Ach, den ersten Tag mit strahlend grauem Himmel vertrödelten wir übrigens bei einem
sehr netten Arzt in Hippolyteshoef, der uns für nur 37 Gulden versicherte, daß
der echte Junge vermutlich keine Gehirnerschütterung hätte. Oliver hatte sich kopfüber
vom Sofa gestürzt, als Felix abend aus Pu der Bär vorlas und dann hatte Oliver des
nachts garstig gespuckt und uns damit natürlich die Bedrohung durch eine Gehirnerschütterung
plausibel erscheinen lassen. Es war aber wohl eher die holländische Küche, die
bei uns allen Spuren hinterliess...
Seufz, das Thema Diät ist wieder gaaaanz aktuell!
Nicht bei Oliver, nein...
Fritten speciaal haben Felix verführt, während ich mit lüsternem Griff all jene Dinge
aus dem Regal in unseren Einkaufswagen räumte, auf denen "Sate" stand. Kennt Ihr "Heinz, Sate Bread spread"?
Lecker!
Michaela hatte ein Faible für knallrosa Kuchen, der aber laut Felix und unseren Freunden
überraschend köstlich war (wir haben einen Vorrat angelegt...) Mich kann man mit
Kuchen nicht locken, aber dieser Satekram... und dann das, was Holländer als Kroketten
verkaufen! Toll! Keine Kartoffelpampe in der Panade, sondern Satekram oder andere,
vermutlich kalorienträchtige Pampe...
Tja, jetzt sind wir also wieder da, besitzen einige Beutel voll höchst überflüssiger
Muscheln - was macht man nur mit all den Muscheln???, einigen zumindest mir überflüssig
erscheinenden Pfunden und einem Mailberg, der einen wirklich einschüchtern kann...
Das schaff ich schon... irgendwann...
Übrigens haben wir uns in Texel verliebt.
Hat da jemand zufällig ein windschiefes Häuschen in relativer Strandnähe?
Strand! Nicht Deich, ja?!