FAMILIE

Warm ums Herz

Praktische Tips für Hausfrauen und Hausmänner: Das Internet-Forum der "Mütter mit Modem" widmet sich alltäglichen Sorgen.

Carola Enning konnte mit Internet, E-Mail und dem ganzen Multimedia-Kram lange Zeit wenig anfangen. Im Gegensatz zu ihrem Mann, einem Informatiker, fand sie "das alles ziemlich schwachsinnig". Dann bekam die Kölner Bankkauffrau zwei Kinder und wurde Hausfrau. Und plötzlich erschienen ihr E-Mail und Modem so lebenswichtig wie Windeln und Fläschchenwärmer.

Obwohl sie mit ihrem fünf Monate alten Sohn und ihrer vierjährigen Tochter ordentlich zu tun hat, steuert Enning, 30, mindestens einmal am Tag per Maus und Modem das Internet an. Gerade am Netz-Klatsch finde sie Gefallen, sagt sie, "als Hausfrau ist man ja schon ein bißchen isoliert".

Seit einem Jahr unterhält Enning selbst ein Net-Forum: Auf die Adresse ="http://www.hausfrauenseite.de", unter der sie Tips zu Haushalt, Handarbeit und Hausgeburten anbietet, gab es bereits über 125 000 Zugriffe. Auf ihrer Web-Seite quatschen Mütter, die gerade einen Arm frei haben, über Brotbackmaschinen, Scheuermittel und bescheuerte Ehemänner. "Oft wirkt es in den Medien so, als sei das Internet reine Männersache", sagt Enning, "dabei wächst die Zahl weiblicher Nutzer ständig."

Mittlerweile hat Enning eine Menge Nachahmerinnen gefunden: Im Web-Ring "Mütter mit Modem" sind neuerdings 44 dieser "special interest"-Seiten zusammengeschlossen, auf denen Frauen elektronisch tratschen. Der Schwatz im Netz gleicht jenen Gesprächen, die Mütter auf dem Spielplatz führen: praktischer Erfahrungsaustausch über Kinder, Küche und Wehwehchen, Lästereien über Männer und Klagen über die Quengelware an der Supermarktkasse. Tante Carola rät: "Bei längeren Ausflügen mit dem Bobbycar habe ich immer ein Seil dabei - wenn meine Tochter müde ist, legt sie die Füße rechts und links neben das Lenkrad und läßt sich ziehen."

Von A wie Aluminiumgegenstände wie bis Z wie Zelte sind auf den Hausfrauenseiten - auch für Hausmänner höchst nützliche - Ratschläge zum fachgerechten Schrubben, Wienern, Kloputzen, Blumendüngen, Bügeln, Fensterwischen und Fleckenentfernen gesammelt.

Pflegespezialistin Carola führt in die Kunst des Säuberns ein: Lippenstiftspuren an Geschirr lassen sich leichter entfernen, wenn man sie vor dem Spülen mit Salz abreibt. Nagelfeilen werden wieder sauber, wenn man Leukoplast draufklebt und samt Schmutz herunterreißt. Granatschmuck wird wieder schön, wenn man ihn mit warmer Kleie poliert. Und die patente Christine empfiehlt: "Kühlschränke befreit man von üblen Gerüchen, indem man einen gebrauchten Kaffeefilter hineinlegt."

Mitunter scheint es angebracht, die Weiberseiten vor dem Zugriff kindlicher Leser zu schützen: So ist zum Beispiel das Rezept für hausgemachten "Gak", eine Art Spaßschleim zum Herumsauen, nur für Erwachsene bestimmt: 1 Tasse weißen Kleber, 1 Tasse flüssige Stärke und Lebensmittelfarbe zusammenrühren, kneten, in die Länge ziehen und die gummiartigen Klumpen herumwerfen.

Auch der moralischen Stärkung der femininen Leidensgemeinschaft sind die Frauenseiten durchaus förderlich. Eine Verheiratete etwa berichtet, wie sie ihren Ehemann beim Autofahren kennenlernte - und nicht wiedererkannte. "Neben mir saß ein Monster, die personifizierte Boshaftigkeit, das absolute Ekel - mein Mann", klagt sie in der virtuellen Gesprächsgruppe "Dein Beifahrer - das unbekannte Wesen".

Anfangs, so Enning, sei das Gästebuch der Frauenseiten "regelrecht zugemüllt" worden "von Pseudo-Emanzen, pubertären Männern und Nazis". Das änderte sich, als Carola Enning einen "Hausfrauenseiten-Klub" einführte; nur Klubmitglieder können ihre Anmerkungen hinterlassen; "Schlammschlachten überlassen wir anderen".

Dringendes Informationsbedürfnis zur Machofrage gibt es offenbar dennoch unter den Netz-Frauen. Zur Frage, ob männliches Chauvi-Gehabe angeboren sei, seufzt eine geplagte Susanne in der "Weiberecke": "Ich kann nur hoffen, daß ich die Gene meines Sohnes überlisten und aus ihm einen gesellschaftsfähigen Mann machen kann." Ihr Sohn greife seiner nackten Schwester an den Popo, schaue im Fernsehen am liebsten Fußball und Formel 1 und lasse sich lieber vom Papa als von der Mama wickeln, klagt die unterdrückte Erzieherin.

(Haus-)Männer dürfen sich immerhin auf einer Spezialseite im "Mütter mit Modem"-Ring zu Wort melden - unter der Rubrik "Neues von den Männern". Dort scheint es so, als hätten viele Nutzer neben den Interessen auch den Mut zum Gefühl von der weiblichen Konkurrenz übernommen. Familienvater Leo berichtet unter dem Stichwort "Männerschwangerschaft" von seinem "Neid auf die weibliche Bauchschwangerschaft".

Der 37jährige Ulli offenbart seine Gefühle, als er zum erstenmal Vater wurde: "Warm ums Herz. Tränen in den Augen. Frosch im Hals und ein unbeschreibliches Glücksgefühl, welches ich noch nicht mal hatte, als ich das erstemal, ohne Führerschein, ein Motorrad gefahren habe."

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