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Texel

Mittwoch - Robbentochten

Ein sehr sonniger Tag.
Während ich friedlich mein Töchterchen lausend im Garten saß, gingen Felix und Oliver Tickets für eine Robbentour kaufen.
Um 13.30 Uhr sollte die Freundschaft dann zur Robbentour ablegen.
Urlaub in Holland ist vermutlich deshalb billiger als Urlaub in Deutschland, weil man sich hier nicht mit Organisationen wie dem TÜV abgeben muß. Zwischen mir und der Freundschaft liegt jedes Jahr ein Steeg, der ein halber Albtraum ist. Aber was tut man nicht alles für wahre Freundschaft?

der Steeg

Ich habe mir angewöhnt, meine Familie vorzuschicken, da ich angesichts des schmalen Steeges zur Freundschaft alljährlich den großen Motz in mir aufsteigen fühle. So watete ich noch gemütlich mit den Füßen durch das Wasser, als Oliver fröhlich winkend über den Steeg flitzte. Etwas langsamer folgte Michaela.
In der Ferne sah ich die Freundschaft auf mich zukommen. Eine Freundschaft voll gut gegrillter, krebsroter Touristen.
Ich setzte meinen ersten Fuß auf den Steeg, der steil in die Höhe führt. Er sieht aus, als sei er aus ein wenig Treibgut und Stricken zusammengebastelt worden. Wenn man hinunterschaut, sieht man zwischen den Brettern erst den Sand und später in großer Tiefe die Wellen. Die Haltestricke sind mit einfachen Nägeln an die aufragenden Pfosten genagelt worden und vermutlich deshalb Haltestricke geworden, weil sie so verschlissen sind, daß man sie für nichts anderes mehr brauchen kann, als hüftgewaltige deutsche Touristen in Angst und Schrecken zu versetzen.

ein Nagel reicht doch ...

Oliver sah mich kommen und hüpfte fröhlich auf dem Steeg herum, was mich zusätzlich in Angst und Schrecken versetzte.
Ich rief ihm einige mütterliche Warnungen zu, wodurch ich die Aufmerksamkeit aller bereits auf dem Steeg befindlichen Touristen auf mich zog, die nun mit viel Freude ihre Wartezeit damit verkürzten, daß sie mir dabei zuschauten, wie ich mich an die Stricke klammernd mit langsamen Schritten an sie herantastete.
Kurz darauf legte die Freundschaft an und während die bereits knusprigen Touristen das Schiff verliessen, drängelten wir alle, was das Zeug hielt - aber natürlich nur, weil die anderen drängelten, was man sich ja keinesfalls gefallen lassen könnte.
Ich schmierte meine protestierende Familie erneut mit Sensitiv Sun Block-Balsam Stärke 30 ein und betrachte grinsend die Engländerinnen, die ihre Shorts höher zupften und die Ärmel ihrer T-Shirts einrollten, um die Sonne ungestört ihr grausiges Werk auf den ohnehin schon sonnenbrandigen Körpern vollenden zu lassen.
Michaela wollte ihr schwarzes Sonnenkäppi absetzen, weil es darunter zu heiß war.
Ich sah röchelnde, um ihr Leben kämpfende und letztendlich hilflos erstickende Läuse vor mir - will sagen, daß Käppi blieb drauf!
Wir tuckerten zu den Sandbänken, auf denen die Seehunde lagen und sich halb gelangweilt anschauten, wie sich unserer Haut kräftig rötete. Am Himmel zogen zwei Kampfflugzeuge unter lautem Getöse ihre Bahnen, was mich doch nervte. Kaum scheint hier die Sonne, üben die Holländer Tiefflüge und bereiten sich auf den ersten Prozess in Den Hag gegen amerikanische Soldaten und die damit verbundene Invasion unserer amerikanischen Verbündeten vor.
Irgendwo müssen sie ja üben, sprach mein Göttergatte, der damals als ich ihn kennenlernte, gerade seinen Zivildienst begann und noch so ganz anders klang.
Unter uns Robbenfreunden waren Ferngläser verteilt worden und so begann ein leiser Kampf zwischen Frauen, die die Gläser auf die putzigen, niedlichen, dösenden Robben richteten und den Männern, die mit Kennermiene in die Wolken gafften und selbstgefällig grinsten, wenn sie einen vergrößerten Blick auf die Kampfflugzeuge erhaschten.

Robben - doch ja ...
zur Info: das sind Robben ... ich brauche eine neue Digi-Cam ...

Den Nachmittag verbrachten wir dann mit einem Netz am Stiel, welches meine Einstellung zum Meer grundsätzlich änderte. Oder zum fröhlichen durch die Wellen waten.
Meine profunde Meereskenntnis sah nämlich so aus, daß sämtliches gefährliches Meeresgetier im Meer lebt und nicht am Rand, da der Rand voller Wellen ist, die gefährliches Meeresgetier so lange über den sandigen Boden schleifen, bis es tot ist. Daher all das tote Meeresgetier am Strand. Logisch, oder?
Also kann man am Rand vollkommen ungefährdet herumlaufen, da es dort nur winzige Fischlein und Krebslein oder tote Fische und Krebse gibt.
Während ich aber auf meiner Matte lag und Walter Satterthwaits Oscar Wilde im wilden Westen las, tunkte meine Familie das Netz in den weichen Sand, zog es wieder hervor und hatte einen riesigen Krebs gefangen, den sie dann in einen eigens mitgebrachten Eimer gaben. Dies wiederholten sie beliebig oft und irgendwann war der Eimer voll.
Nun, ich habe mir meine pazifistischen Ideen bewahrt und bestand auf eine Wiederfreilassung dieser Tiere. Wir kippten den Eimer um und zack krabbelten die einen ins Meer zurück, während die anderen sich zack im Sand verbuddelten - nicht sehr tief. Gar nicht tief.
Mit leiser Übelkeit betrachtete ich den sandigen Boden und wünschte mir Stiefel mit soliden Sohlen.
Ich gäbe bestimmt eine Augenweide ab mit meinem offenen Blondhaar, dem geblümten Badeanzug, meinem gewaltigen Hintern und den hohen Gummistiefeln.
Michaela hatte versucht mich zum Schwimmen zu überreden, was ich natürlich ablehnte. Schwimmen darf man an unserem Strand gar nicht. Gegen fröhliches im Wasser waten ist nichts einzuwenden, aber aufgrund garstiger Strömungen und mangelnder Bademeister ist dort das Schwimmen untersagt. Basta!
Ich watete also nur hinter meinem Töchterlein her über den immer weicher werdenden Boden, in den meine Füße immer tiefer einsanken. Etwas seltsames streifte meinen Fuß, weshalb ich ihn schnell woanders hinstellte, wo er etwas noch seltsameres traf, worauf ich beide Füße in Sicherheit brachte und mich bäuchlings ins Wasser warf. Michaela jubelte und wir schwammen einige Züge, eh ich strandete. Will sagen, bäuchlings auf Sand auflief und beim Gedanken an die den Krebsen dargebotene Angriffsfläche quiekend gegen aufsteigende Hysterie ankämpfte. Quieken hilft gegen Hysterie ...
Ich gelangte recht schnell wieder auf meine Strandmatte und folgte Oscar Wilde in den Wilden Westen. Walter Satterthwait lässt ihn in seinem Buch unter Mordverdacht geraten. Wo immer Oscar in den USA auftritt, wird einer rothaarigen Prostituierten erst die Kehle aufgeschnitten, danach der Bauch aufgeschlitzt, ihre Eingeweide herausgezerrt und schliesslich die Gebärmutter geraubt. In Denver wird das Opfer zudem noch in kleine Streifen geschnitten, die zu dekorativen Mustern im ganzen Zimmer verteilt wurden.
Ein gutes Buch beruhigt meine Seele immer wieder und so war ich abends wieder in der Lage einen sehr langen, wunderschönen Strandspaziergang zu unternehmen, was Felix zu säuerlichen Blicken brachte, da ich diesen ohne ihn und meine Kinderlein unternahm. (Wofür ich nichts kann - ich hatte beide Kinder gefragt, ob sie Lust hätten, einen weiten, wirklich sehr weiten Spaziergang mit mir zu machen und beide hatten abgelehnt ...)

einer von sehr sehr vielen

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