Fast auf den Tag genau vor einem Jahr hatte ich meine Erfahrungen bezüglich
Arbeitslosigkeit und Arbeitsamt auf dieser Seite hinterlassen und mittlerweile sieht
die Welt wieder gaaaanz anders aus. Da uns ja alle ein Aufschwung erwartet, darf
man den Politikern und Wirtschaftsweisen Glauben schenken, wollte ich mit meinem Beitrag
auch mal wieder Mut machen und eine Antwort auf all die netten Resonanzen von euch
geben!
Ich habe in meiner ganzen arbeitslosen Zeit exakt 100 Bewerbungen geschrieben. Eine
runde und stattliche Zahl! Von Kosten für Bewerbungsmappen, teuere Bilder und teures
Papier mal ganz abgesehen.
Der Einzugsradius erweiterte sich ich wohne in Schleswig-Holstein, bin aber
Hamburgerin und habe auch immer dort gearbeitet sodass ich ziemlich bald auch die
Hamburger Innenstadt für ein Jobangebot in Erwägung zog bzw. einfach ziehen musste. In
der heutigen Zeit (vor allem wenn man als Großstädterin zum Landei wird) kann man wohl
nicht erwarten, dass man mit 'ner halben Stunde Fahrtzeit auskommt. Ich gestehe ich
bin bisher sehr verwöhnt gewesen!
Die "Ausbeute" aus meinen Bewerbungen war, trotz der schwierigen Zeiten, immer noch ganz
passabel ca. 20 % Einladung hat mich die Hoffnung nicht aufgeben lassen, dass ich mit
meiner Bewerbung gut ankomme. Wenn vielleicht auch die Gehaltsvorstellung nicht immer.
Dann im Mai 2003 hatte ich eine Einladung, das Gespräch verlief sehr positiv und ich
hatte (wieder einmal) das Gefühl "ja, dies könnte etwas werden" und vor allem das
Jobangebot würde mir Recht geben, dass sich eine gezielte Suche manchmal lohnt und man
nicht immer das erstbeste Jobangebot annehmen sollte nur um nicht mehr arbeitslos zu
sein! Aber, mir ist natürlich völlig klar, dass sich diesen Luxus auch nicht jede(r)
leisten kann. Ich habe da sicherlich das Glück, dass mein Lebensgefährte mich in meiner
Sichtweise bestärkt hat und wir uns unsere Kosten eben auch teilen. Langer Rede
kurzer Sinn, Frau sollte ihrem Gefühl vertrauen, denn ich habe den Job bekommen!
Und nachdem ich mich in Monaten der Ruhe mit mir selbst doch sehr wohl fühlte, hatte
diese Ruhe von jetzt auf gleich ein Ende, denn nur 10 Tage nach dem ersten Gespräch
stand ich wieder in Lohn und Brot.
Ließe sich ja auch schlecht argumentieren, dass man erst vier Wochen später kommt,
weil man noch so viele Dinge erledigen muss, nach so viel freier Zeit! Allerdings muss
ich ehrlich zugeben, all diese Dinge, die ich während meiner Arbeitslosigkeit erledigen
wollte, die habe ich nicht mehr geschafft - immer wieder schob ich alles vor mir her
und dann dann war auf einmal keine Zeit mehr.
Meine Ablage ist also immer noch in Körben und nicht in Ordner, Fotos immer noch in
Fototaschen und nicht in Alben etc. ich könnte die Liste noch ein wenig länger machen.
Mein neuer Arbeitgeber "macht in Öl", d.h. Ölhandel, Tankläger, Tankstellen etc.
Mitten in Hamburg, mit Blick auf den Michel. Genial. Das frühe Aufstehen war und ist
zwar eine echte Katastrophe, aber ein gesundes Unternehmen mit krisensicheren
Aussichten, was will Frau mehr? 05.30 h aufstehen - das ist allerdings wirklich
nicht meine Zeit, und die Hoffnung mit der Gewöhnung, die habe ich auch aufgegeben. Um
ehrlich zu sein, bis heute ist es mir ein Gräuel. Ich sollte an dieser Stelle erwähnen,
dass ich meinen Arbeitsalltag PÜNKTLICH zum Jahrhundertsommer wieder aufgenommen
hatte!!! Super Timing, eigentlich gar nicht fraulich, oder??
Meine erste Arbeitswoche fing entspannt und sehr nett an. Begrüßt wurde ich mit einem
wunderschönen Blumenstrauß, einem Büro, das einer Sauna glich und ... jede Menge Arbeit.
Der Eingangskorb schon voll und - es wartete der wohl bestaussehendste Mann, dem ich in
letzter Zeit näher als die Kinoleinwand gekommen bin. Womit ich das Aussehen meines
Liebsten nicht schmälern möchte, aber ...
Als die Kolleginnen mir ankündigten ich wäre zu beneiden, war ich noch nicht überzeugt,
aber ... als ich ihn dann gesehen habe. Wowwwwhhh.
Knackige 26, eine Mischung aus - sagen wir mal Markus Schenkenberg und Andy Garcia.
Und mit dem durfte ich meinen ersten Tag verbringen das nenne ich aber mal
Mitarbeitermotivation. Jedenfalls ich arbeite im Personalbereich und dieser junge
Mann benötigte Betreuung. Neiiiin, nicht so wie ihr denkt. Aber, es war ein toller
erster Arbeitstag !!!
Das Unternehmen ist sehr international, der Tag ist bunt und vielfältig und häufig
sogar mehrsprachig. Herrlich! Wie hatte ich das vermisst war mir vorher nie so
bewusst! Wir erhalten sogar Sprachunterricht, z.T. WÄHREND der Arbeitszeit und das
Schöne ist: wir benutzen die Sprachen wirklich viel und regelmäßig. Entspricht meinen
Erfahrungen nach nicht immer der allgemeinen Praxis. Ich kenne eher den Fall "Sprechen
Sie fließend Englisch?" und dann beschränkt sich die Anwendung auf "Please hold the
line, I'll put you through "! Dafür bildete man sich dann teuer und privat weiter,
damit man die Sprachkenntnisse nicht völlig in dunklen Gehirnwindung vergräbt.
Fortbildung wird bei uns in der Firma sogar generell GROSS geschrieben. Das
Betriebsklima ist überdurchschnittlich gut und durch die Bank ist die Meinung
vertreten, dass es kaum einen besseren Arbeitgeber geben kann. Wir haben sogar
regelmäßig Betriebsjubiläen im 25 30 Jahre Bereich, ist das zu fassen?
Wo gibt es das heute noch??? Davon abgesehen existieren die meisten Firmen gar nicht
erst so lange, da muss man jedes Jahr schon wie ein rauschendes Fest feiern. Aber zu
eurer Beruhigung, natürlich gibt es auch bei uns wunderliche Menschen, bürokratische
Vorgehensweisen in manchen Bereichen aber, bisher alles in einem mehr als erträglichen
Rahmen.
Ich hatte im Übrigen den Vorsatz, die Bahn also DIE BAHN zu nutzen. Wir haben einen
Bahnhof direkt in unserem kleinen Nest vor der Haustür. Ich stellte mir also vor auf
dem durchaus langen Weg in die City ein bisschen zu lesen und völlig entspannt am
Arbeitsplatz einzuschweben, aber der Pendelverkehr Richtung Hamburg findet stündlich!
Geistreich, wenn man den gemeinen Schleswig-Holstein-Pendler auf seinem Weg als
Gastarbeiter in die große, böse Stadt von der Autobahn fern halten will. Nun ja, böse
Zunge behaupten, die Fahrpläne entwirft ein Mann mit einem Firmenwagen nicht unter 150
PS. Aber, egal, wie oft der Zug auch kommt, wenn es die richtige Stunde ist, zu der
die Regionalbahn verkehrt nun ja
Also, guter Vorsatz in die Tat umgesetzt und in der ersten Woche im Ansatz
gescheitert. 4 Heimwege und nur einmal pünktlich angekommen. Zweimal davon gar nicht,
da musste der Liebste den Shuttle-Service übernehmen und mich irgendwo aus der
Walla-Pampa abholen. Super! Ein großes Lob an die Bahn und alle Mitwirkenden dieses
Theaters!!! Kennt ihr die Werbung, wo ER SIE noch mal überredet in die Federn zu
hüpfen, weil die Bahn stündlich fährt und es Frühstück am Platz gibt??? Auf welcher
Strecke verkehren die?? Ich meine, den Verkehr außerhalb der Daunen ... Dazwischen
verkehrt vielleicht das ein oder andere noch stündlich, aber auf den Schienen ...
Nun ja ...! Von daher fahre ich seit dem doch wieder Auto und Autobahn, zumindest bis
zum S-Bahn-Anschluss. Immerhin die fährt alle 10 Minuten und ich bin dann abends
auch flexibler. Und muss nicht der Chefin sagen "Vergiss nicht, was du sagen willst
sondern behalte es einfach bis morgen für dich, ICH muss nämlich jetzt los vielleicht
fährt meine Bahn heute"!
Ihr seht also, ich habe es blendend getroffen. Fast würde ich sagen mehr Glück als
Verstand, aber ich will mich mal nicht selber klein machen. Es ist aber wirklich so,
dass die Perspektiven für mich sehr gut sind, der Job mehr zu bieten hat, als der
vorangegangene, an dem ich doch sehr gehangen habe und ich jetzt wirklich seit langer
Zeit mal wieder gefordert bin und mich weiterbilden kann und sogar muss. Dafür kann so
ein Schlag also auch gut sein. Der Schlag, den Arbeitsplatz zu verlieren und
kurzfristig seine Welt in Scherben sehen und dann sieht die Zukunft auf einmal rosiger
aus, als man es sich eigentlich erträumt hat.
Drückt mir also die Daumen und seht in mancher "Niederlage" einfach die Chance, einen
Start hinzulegen, um das Gewesene zu übertrumpfen!
Dafür drücke ich jeder und jedem von euch die Daumen!
Viele herzliche Grüße von
Steffi am 17.02.04
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