Suche!
Impressum
Datenschutz

home - zum Eingang
zum Club - tritt ein
zur Forenübersicht
zum Chat

Kleinanzeigen
Eltern
Rezepte
Handarbeiten
Küchentipps
Haushaltstipps
Körperpflege
Heirat
Liebe
Diät
Buchtipps
Schreibstube

-Weiberecke
-Hausfrauenreport
--Neues von der Hausfrau
-Männerecke
-Wühltisch
-Umfragen

 

Link zur Schreibstube

Über den Mut der Frauen - Briefe an Ines

Liebe BesucherInnen der Hausfrauenseite,

vielleicht erinnert ihr euch an meinen Aufruf vor bein paar Monaten auf der Hausfrauenseite, mir darüber zu erzählen, was Frauen sich trauen. Ich habe viele wertvolle Beiträge erhalten. Mit euren und meinen Erfahrungen schrieb ich an einer Prosa, mit der ich mich an einem Literaturwettbewerb beteilige. Wie versprochen, stelle ich sie euch zur Verfügung, allerdings in gekürzter Form. Die gesamte Länge würde 9 A4 Seiten ausmachen. Wer den ungeküzten Text haben möchte, dem kann ich ihn natürlich gerne schicken.
Die Punkte im Text bedeuten, dass dort ein Abschnitt fehlt. Ich hoffe, euch mit den Briefen an Ines zu berühren, und vielleicht kann die eine oder die andere Frau sich ein klein wenig darin finden.

Mondfrau im Oktober '04

Ich habe beim Literaturwettbewerb von mehr als 60 Teilnehmerinnen den 4. Platz erreicht. Reicht gerade für einen EUR 20,- Büchergutschein, aber über die literarische Anerkennung freue ich mich trotzdem.
Liebe Grüße
Mondfrau am 26.11.04

Briefe an Ines

Liebe Ines,

deine Bitte an mich, ich möge dir einen Beitrag zu deiner Diplomarbeit liefern über den Mut der Frauen, ehrt mich sehr. Ein wenig ratlos machst du mich damit allerdings auch. Seit wir uns als Freundinnen kennen, und das sind - lass mich zählen - immerhin 21 Jahre, verbindet uns das Thema Frauen und ihre Rollen in einer von Männern dominierten Gesellschaft. Unsere Diskussionen brauchen keine Abwertung der Männer. Viel mehr beschäftigen wir uns mit den Verstrickungen und dem Aufbrechen alter weiblicher Muster und mit den verborgenen Kräften, die in den Frauen unerkannt und ungelebt schlummern. Wir, im gleichen Heimatort aufgewachsen, inmitten dörflicher Traditionen, kennen ein Frauenbild gottergebener Opferhaltung, die zwar krankmachend, aber zwingend ist. Immerhin - zu dieser Erkenntnis gelangten wir beide - erwarben sich unsere Mütter dadurch die Gunst Gottes für das Leben nach dem Tod, denn erst in der Ewigkeit würde die Duldung des irdischen Leidens belohnt werden. Die Macht der Frauen in unserer dörflichen Gegend bestand darin, sich ihre Bereiche zu sichern. Meistens gelang es ihnen, die älteren Töchter im täglichen Kleinkampf gegen den mächtigen Ehemann als Koalitionspartnerinnen zu missbrauchen.

Deine weibliche Sensibilität hat doch längst mehr erforscht, als ich zum Thema noch beitragen könnte. Ich bin nie so tief gegangen wie du es tust. Meine Erkenntnisse sind längst in fremden Büchern niedergeschrieben. Wenn ich dich bei deiner Arbeit unterstützen kann, dann sage mir, wie.

Liebe Grüße.
Agnes

.............................................

Liebe Ines,

der Mut der Frauen, mit dessen Auseinandersetzung du mich beauftragt hast, schärft meine Sinne, und ich stelle fest, dass ich täglich mit Überwindungen konfrontiert bin und Frauen schätze, die sich wieder einmal getraut haben, Muster zu durchbrechen, konsequent zu handeln oder einfach den Mund laut aufmachen, wo sie bisher geschwiegen haben. Es gibt sie tatsächlich, die Frauen, die in den Alltäglichkeiten ein Zeichen setzen, schweigsam, ohne laute, vernichtende Worte.

Habe ich dir jemals erzählt, meiner Begegnung mit der Aussteigerom? Ich erinnere mich sehr gut an jenen Wintertag in der Vorweihnachtszeit, es ist schon einige Jahre her, als ich die Ruhe einer gemütlichen Kaffeestube dem hektischen Treiben auf der Landstraße vorzog. An einem Tisch saß eine Frau alleine, so um die 50 Jahre mag sie gewesen sein. Ich setzte mich zu ihr. Sie rückte ihre große Reisetasche zur Seite, um mir Platz zu machen. In meine eigenen Gedanken vertieft, kam ich nicht auf die Idee, der Tischnachbarin besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Nach einer Weile fragte sie mich, ob ich in der Stadt wohne. Ich bejahte und fragte sie, ob sie Hilfe brauche. Sie zögerte, lächelte verlegen und sah hinaus auf die Straße. Schneeflocken purzelten durch die Luft. Es war längst dunkel draußen. "Kann ich Ihnen behilflich sein?" bot ich ihr an. "Ich kenne mich gut aus in der Stadt." Das Schweigen hielt an, während sie mir den Blick zuwandte und einen abgrundtiefen Seufzer von sich gab. Das Lächeln lag noch immer auf ihren Lippen.

"Ich habe heute meine Familie verlassen, und nun weiß ich nicht, wo ich schlafen soll Die plötzliche Konfrontation mit persönlichen Dingen überraschte mich. "Sie werden Grund dazu gehabt haben", fiel mir nur ein. "Ja, sicher", sagte sie bestimmt. "Mir geht es prima. Ich bin so erleichtert, dass ich den Schritt geschafft habe. Ich habe ohnehin ein paar Jahre zu lange gezögert. Aber heute war es so weit. Während meine zwei Männer, damit meine ich meinen Mann, den Nichtstuer, und meinen ebenfalls arbeitslosen Sohn, wieder einmal vor der Glotze hockten, mein Sohn nebenbei auch noch mit dem Computer spielte, bin ich am Bügelbrett gestanden. In mir hat es gekocht, am liebsten hätte ich den Männern das heiße Bügeleisen an den Kopf gesetzt. Als mich mein Mann auch noch fragte, was es zu Mittag geben würde, da sagte ich: `Pizza vom Pizzamann.´ Und was sag er? ´Kochst eh nichts Gescheites mehr?´ Da hat es bei mir drin einen Knacks gemacht. Ich hab den Stecker ganz ruhig aus der Steckdose gezogen, sagte, ich ginge noch was einkaufen und bin ins Schlafzimmer verschwunden, um meine Tasche zu packen. Die habe ich zum Fenster rausgestellt, habe dem Mann noch ein Abschiedsbrieferl ins Bett gelegt, dann bin in die Garderobe, habe meinen Mantel und die Stiefel angezogen und weg war ich." Sollte ich glauben, was ich da hörte? Es gab also nicht nur Männer, die nach dem Zigarettenkaufen nicht mehr daheim auftauchten? Die Geschichte begeisterte mich. Ich gratulierte ihr überschwänglich zu ihrer spontanen Tat. Die Männer sollen schauen, wie sie nun ohne sie das Auskommen fänden, bestärkte ich sie. Sie sei dann zum Bahnhof und habe den nächsten Zug nach Linz genommen, erzählte sie weiter. "Wissens, das war ein Gefühl, wie ich im Zug gesessen bin! Ich habe geglaubt, das Korsett um meine Brust zerspringe in tausend Splitter. So frei und glücklich habe ich mich gefühlt, dass ich ganz laut hätte singen können. Nun bin ich in Linz und weiß gar nicht, was ich jetzt machen soll."

Wir spannen gemeinsam darüber nach, wie die zwei Männer daheim in Salzburg nun ratlos herumliefen, und vielleicht sie doch einmal Fernseher und Computer abgedreht haben, um die unerwartete Situation zu erfassen. Nachdem es zu Mittag nicht mal Pizza gegeben hat, werden sie sich beim Billa wohl ein paar Leberkässemmerl besorgt haben. Jetzt würden sie vermutlich im ganzen Bekannten- und Familienkreis herumtelefonieren, ob sie vielleicht dort sei, oder ob sie sich gemeldet hätte. Natürlich ist es ihnen peinlich, aber sie können nicht mehr tatenlos herumsitzen. "Ich hätte längst wissen müssen, wie ich ihre Ärsche bewege", belustigte sich die Ausreißerin. Wir amüsierten uns über die besondere Lage, in der sie war. Nun war es aber an der Zeit für sie, einen Platz zum Schlafen zu finden. Ich suchte mit ihr eine soziale Einrichtung mit Notschlafbetten auf, wo sie auch Unterstützung für die weitere Lebensplanung bekommen würde. Vor der Türe verabschiedeten wir uns. Ich sah sie nie wieder.

Immer mehr beschäftigen mich Erlebnisse jener Art, wo Frauen neben ihren eigenen Männern zu grauen Mäuschen werden. Nicht mal ein Mäusepiepsen ertönt, wenn die Achtung dieser Frauen in den Boden gestampft wird. Sie lassen sich treten, bis sie ganz von der Oberfläche verschwinden. Nur die herausgeputzte Hülle ist sichtbar, zu Präsentationszwecken entsprechend programmiert. Damit nähren sie den Narzissmus ihres ich-kranken männlichen Partners, der fortwährend damit beschäftigt ist, sich als oberschlauer, in allen Bereichen versierter und leistungsstarker Wirtschaftsheini darzubieten. Neulich kam ich in die Verlegenheit, ein Pärchen dieser Art als meine Gäste zu bewirten. Der Herr Narziss, ein Manager mittleren Ranges, war während des Essens dermaßen damit beschäftigt, von seinen eigenen haubenverdächtigen Kochkünsten zu prahlen, dass er doch glatt vergaß, meine zubereiteten Speisen zu loben, oder sich etwa für die Einladung zu bedanken. Weißt du, er ist der Typ von Mann, welcher, wenn ihn beim Sex vor lauter Funktionsdruck die Erektion voreilig verlässt, zu seiner Bettnachbarin sagt: "Mach dir nichts draus, das kann einer jeden passieren."

Ich überlegte fieberhaft, worüber ich mit der schweigsamen Begleiterin reden könnte. Schließlich fand ich eine rettende Gemeinsamkeit: Kinder! Sie öffnete ihr Herz einen Spalt breit, als sie mir von ihren zwei Kindern erzählte. Das Töchterchen sei wie die Mama, erklärte das nicht gefragte männliche Familienoberhaupt. Es wäre einfacher, ein Kind zu gebären als von den beiden ein Wort raus zu bringen, meinte er. Als sie von den Schwierigkeiten des Sohnes sprach, vom Bettnässer und vom kleinen Revolutionär, war seine Aufmerksamkeit längst bei seinen beruflichen Erfolgen. Vorerst meinte ich noch, mit dieser attraktiven Frau in Koalition gegen dieses herrische Männerherz treten zu müssen. Ich probierte es mit spitzefeinen Wortpfeilen, die treffsicher beim scheinbar Unverwundbaren landeten. Meinen Mann machte ich damit ein wenig verlegen, aber immerhin unterließ er es, sich mit dem männlichen Gast zu verbünden. Die, die ich eigentlich unterstützen wollte, rührte sich nicht. Wenn ihr Angetrauter sie aufforderte, doch auch mal was zu sagen, egal was, erwiderte sie mit leiser, etwas schüchterner Stimme: "Lass mich."

Was muss eine Frau wie diese von sich selbst halten, frage ich mich, dass sie das mit sich machen lässt? Erwartet sie keinen wertschätzenden Umgang, weil man ihr schon als Kind beigebracht hat, dankbar zu sein, für das, was sie umsonst bekommen würde? Vielleicht lebt sie mit dem Konstrukt, als hässliches kleines Entlein ohnehin nicht fliegen zu können? Wer hat dem Schwan die Flügel gestutzt, damit er nicht die Freiheit und Selbstbestimmtheit kennen lernen würde? Welcher Mensch hat das an dieser Frau verbrochen? Sollte der unerkannte weibliche Schwan jemals als solcher erkannt werden, würde er sich selbst im Spiegelbild erkennen? Wird er den gestutzten Flügeln trotzen und das Fliegen lernen?

Es wäre zu viel erwartet, wenn Frauen wie diese sich plötzlich aufmachen und ihre Schönheit zur Schau stellen würden. Ich würde ihr gratulieren, wenn sie ihre Stimme so weit verändern würde, dass, wenn sie sagt: "Lass mich", der Mann spüren würde, wie sehr er sich die Finger verbrannt hat.

Ach ja, verbrannte Finger erinnern mich an deine Schmerzen: warst du inzwischen beim Arzt wegen deiner Beschwerden an der Leiste? Ich merkte bei deinem Besuch deine stille Besorgnis, dass da etwas nicht in Ordnung sein könnte, das dich beim Gehen beeinträchtigt. Hat sich die vermutete Entzündung bestätigt? Ich wünsche dir lustvolles Frühlingserwachen mit allem, was dir wert und lieb ist!

Frauenpowergrüße von
Agnes

........................

Liebe Ines,

die Diagnose heißt also Krebs. Fassungslos habe ich diese Botschaft von deiner Schwester entgegen genommen. Meine momentane Hilflosigkeit versetzt mich in jene Zeit zurück, als ich die gleiche Diagnose über meinen Vater hörte. Das ist nun 20 Jahre her, und ich hatte erwartet, in den Jahren mit solchen Situationen umgehen zu können. Ich sollte dich anrufen, sagte deine Schwester. Dazu brauchte ich Zeit, um die Fassung wiederzuerlangen.

Ich machte mich auf, um draußen im Alleinsein den Gedanken an deine Diagnose zu fassen. Eine Stunde lief ich durch die frühsommerlichen Felder und Wiesen, immer in Versuchung, stehen zu bleiben und den Atem anzuhalten. Aber ich wollte mir selbst beweisen, dass das Leben weiter geht. Im Laufen zog mit den Gerüchen der Blumen und Gräser unsere gemeinsame Geschichte vorbei. Eine Galerie von Bildern sammelte sich vor meinen Augen, die uns beide in unterschiedlichsten Lebenslagen zeigte. Ich sah uns in den Jugendjahren gemeinsam mit dem Auto zum Tanzen fahren. Während dieser Fahrten fragtest du mich um die Werte meiner Beziehung zu meinem damaligen Freund. Du suchtest nach einem Vorbild für deine Beziehung, die du haben wolltest. Ein wenig habe ich dich wohl enttäuscht damals, denn deinen Traumgebilden konnte ich nicht folgen. Ich bot dir kein Ideal, obgleich ich von Liebe sprach. Manchmal scheint es mir, als würden wir uns gegenseitig um das beneiden, was die andere hat: du mich um meine Familie und um meine klaren beruflichen Ziele, ich dich um deine Freiheit, mit der du dein Leben spontan gestaltest, und um deine Gabe der philosophisch - tiefenpsychologischen Betrachtung.

Sie tanzten an mir vorbei, die Bilder, so wie wir uns selbst in der Vergangenheit bewegten: in unterschiedlichem Tempo an unterschiedlichen Orten, und immer wieder trafen wir uns an verschiedensten Plätzen innerhalb unseres begrenzten Lebensraumes. Auch wenn wir uns voneinander weg bewegen und wir uns aus den Augen verlieren, so habe ich trotzdem stets die Gewissheit, dass du in meinem Leben bist. Jetzt erst recht, liebe Ines, ich werde dich durch die Zeit deiner Krankheit bis zur Heilung, und darüber hinaus begleiten, wenn du es willst.

.................................

.............. Dein Vater war bei dir, und du bist nicht unbedingt glücklich über seinen Besuch.

Du ärgerst dich über ihn, weil er deine Diagnose noch immer umdeutet auf eine harmlose Erkrankung. Du verlangst von ihm, dass er ebenso wie du der Wirklichkeit ins Auge sieht, obwohl du weißt, dass er nie besonders begabt darin war, mit der Realität und mit der Verantwortung für seine Familie klar zu kommen. Warum soll er ausgerechnet der schweren Erkrankung seiner Tochter gewachsen sein? Weil er dein Vater ist, wünschst du dir, er würde seine Rolle endlich annehmen und dir den Halt bieten, den du nie von ihm bekommen hast. Bevor deine Mutter krank wurde, warst du dem Elternhaus über ein Jahr fern geblieben. Es wäre an der Zeit, sagtest du damals, dass die Rollen getauscht würden, damit eure familiären Strukturen endlich systematische Ordnung erfahren. Auch wenn dein Vater deinen Wunsch nicht erfüllt hat, hast du dich immerhin seinen Ansprüchen entzogen. Für deine Konsequenz bewundere ich dich, auch wenn du sagen würdest, du hättest nicht mehr anders können und man könne nicht von Mut reden, wenn die Belastbarkeitsgrenze erreicht ist und man einfach handeln muss. Trotzdem entscheidest du, wie du handelst, erwidere ich dir.

Ich wünsche dir heilsamen Schlaf und Menschen um dich, die dich stärken. Auch inneren Frieden wünsche ich dir, denn Unfrieden raubt Energie.

In inniger Umarmung.
Agnes

..............................

Liebe Ines,

morgen ist Weihnachten, und das Christkind hat leider keine guten Nachrichten für dich. Wie Leid mir das tut! Während du bei mir warst, ist also ein zweiter voluminöser Tumor gewachsen, und der alte ist auch wieder in voller Blüte. Mit den Metastasen in der Lunge willst du dich nicht weiter beschäftigen, meinst du. Sie machen keine Beschwerden und es wäre zu viel, dich damit auseinander zu setzen.

Die Tage bei mir hast du also sehr genossen, weil du keine Zeit hattest, über dich selbst nachzudenken. Dafür haben wohl meine Kinder gesorgt. Wieder einmal ertappte ich mich dabei, dass ich zu viele Vorstellungen davon hatte, was wir zusammen machen könnten. Schließlich war es Erlebnis genug, in unserem Garten spazieren zu gehen. Seit Monaten warst du nicht an der frischen Luft gewesen, und nun atmetest du immerhin eine halbe Stunde frische, unverbrauchte Landluft.

Ich freute mich so über deinen Appetit, denn dieser kann nur bedeuten, dass dein geschwächter Körper nach neuen Kräften verlangt. Schade, dass ich nicht ein paar Schnitzel mehr gemacht hatte, um sie dir als Proviant mit nach Wien zu geben.

Weihnachten kommt dir höchst ungelegen, sagtest du. Du könntest ihm nicht entkommen, denn diese Tradition sei fest in dir verankert. Erich wird bei dir sein, das freut dich doch, oder? Bestimmt wird er für einen schönen Abend sorgen. Wenn dir nicht nach Feiern ist, dann bist du zumindest mit einem Menschen zusammen, der dir viel bedeutet. Es wäre dir unangenehm, deine Freunde dauernd zu belasten, sagtest du einmal. Ist es nicht schön für dich zu erfahren, wie stark deine Freunde sind? Sie tun es nicht nur für dich, sondern auch für sich, weil sie dich nicht verlieren wollen.

Das Christkind möge viel Licht bringen ins Dunkle deiner Tage. Es soll deinen Wunsch, gesund zu werden, nicht fromm in den Himmel tragen, sondern ihn dir erfüllt in einem großen Paket überreichen. Das wäre das schönste Geschenk für dich, nicht wahr?

Einen schönen Weihnachtsabend in trauter Zweisamkeit wünsche ich euch. Ich werde ganz fest an euch denken!

Liebe Grüße.
Agnes

Liebe Ines,

das neue Jahr ist herangerückt und nur ein kurzer Anruf bei dir hat mich darüber aufgeklärt, dass du nicht bereit bist zu reden. Ich habe mir erlaubt, Erich anzurufen. Mit ihm werde ich weiter Kontakt halten, um auf diese Weise mit dir in Verbindung zu stehen. Er hat mir erzählt, dass ihr einen wunderschönen Ausflug in die Berge gemacht habt, wo du deine Lebenslust wieder erlangtest, zumindest für kurze Zeit. .................

Erich erzählte, dass du auf der Suche bist nach deiner Identität. Die Bilder auf dem Kalender, den ich dir zusandte, seien dir fremd und du fragtest die Besucher immer wieder, ob du das wirklich bist auf den Bildern. Du seiest dir selbst fremd, an die beschriebenen Ereignisse könntest du dich nicht erinnern, und das mache dir sehr zu schaffen. Ich habe dich wohl überfordert mit unserer gemeinsamen Vergangenheit, die sich auf den Blättern wieder findet. Tut mir Leid, ich hätte achtsamer sein sollen.

Erinnerst du dich an meinen Auftrag von dir, über den Mut der Frauen zu schreiben? Ich habe ihn nicht vergessen. In der Verbindung mit dir bin ich unentwegt herausgefordert, mutig genug zu sein, dir in Offenheit zu begegnen. Sonst könnte ich dir nicht nahe sein, und diese Nähe würde ich sehr missen. Wenn du dich selbst nicht erkennst, werde dir sagen, wer du für mich bist. Du sollst es spüren, ohne auch nur ein Wort sagen zu müssen.

Schmerzfreie Tage wünsche ich dir, und dass du endlich wieder tief schlafen kannst.

Sei umarmt, liebste Grüße.
Agnes

...................................

Liebe Ines,

Der Frühling ist gekommen und hat dich mit fortgenommen ...

Du bist über die Grenze des Lebens gegangen. Leise hast du die Tür geschlossen. Deine Freunde und deine Familie, wir stehen klagend vor der verschlossenen Tür, nicht wissend, was dich auf der anderen Seite erwartet. Mein Schluchzen ist wie ein Ausatmen nach vielen Monaten. Es ist, als hätte ich seit dem Wissen um dein bedrohtes Leben den Atem angehalten.

Die Operation hattest du gut überstanden, und als ich dich besuchte, da wollte ich nichts als Hoffnung streuen. Ich wollte nicht mit dir über den Tod reden. Seine Nähe wollte ich nicht mehr akzeptieren, nach dem die Operation als erfolgreich kundgetan wurde. Eigentlich wusste ich nicht, was in deiner Situation als erfolgreich galt. Du hattest keine Schmerzen, das war Erfolg genug. Ich ließ mich dazu hinreißen, mit dir in die Zukunft zu schauen. Du machtest mit. Wir sprachen davon, möglichst bald ans Meer zu fahren. Bestimmt wusstest du, dass wir von einem Traum sprachen, der sich nicht erfüllen wird. An diesem Tag, bei unserem letzten Zusammensein, habe ich mich von dir entfernt, weil ich den Schatten des Todes ignorierte.

Manchmal, im Laufe deiner Krankheit, erschienen mir meine Erzählungen über den Mut der Frauen unbedeutend und weit entfernt. Als würde ich meine Energie vergeuden, wenn ich mich mit den kleinen Kämpfen des Alltags um die Anerkennung von Frauen abmühe, so empfand ich. Und doch sind es diese Erfahrungen, die mich in vielen Alltagssituationen daran erinnern, dass die Gesundheit unseres Körpers und unserer Psyche abhängig ist davon, wie wichtig wir uns selbst nehmen, ob wir auf unsere eigene Stimme hören und die Selbstbestimmung einzufordern. Das Bewusstsein um den Mut der Frauen, um ihre Kräfte und Sinnlichkeit, sowie um ihre Intelligenz, die noch immer viele Frauen hinter ihrer anerzogenen Bescheidenheit verborgen halten, gibt Halt

Liebe Ines,

ein Jahr ist seit deinem Tod vergangen. Wieder blühen die Tulpen vor meinem Haus. Mit ihrer jährlichen Wiederkehr, die ich meist kaum erwarten kann, verdeutlichen sie mir, dass alles seine Zeit hat. So wie das Verlieren seine Zeit hat, hat das Finden seine Zeit ...

Du warst so unerreichbar geworden, dass ich verzweifelt überall nach deinen Spuren suchte. Ich fand deren viele. Sie sind in meinem Leben, und im Leben deiner Freunde und deiner Familie. Viele, viele Worte sind es, die du der Welt überlassen hast, deren Bedeutungen tief hinunter führen in die dunklen Kammern der Seele, die bislang unerforscht blieben. Viele Fragen hast du in die Welt gestellt, sie klingen mit deiner Stimme in meinen Ohren. Im vergangen Jahr habe ich gelernt, deinen Worten zu folgen, bis ins kleinste Detail. Als würde ich ein dreidimensionales Bild betrachten, finde ich im Inneren manche Antworten auf deine Fragen. Ich bin dabei zu lernen, mich nicht mit beiläufigen Antworten zufrieden zugeben. Hinter den Antworten verbergen sich neue Fragen, und auf diese tieferen Schichten bin ich neugierig geworden. So werde ich auch eine Weile brauchen, die Furcht und den Mut der Frauen aufzuschlüsseln. Ich tu es für mich und für alle jene Frauen, die sich in ihrem Verhalten besser verstehen wollen.

Meine Trauer hat sich in Tanzen verwandelt. Ich tanze in kleinen Schritten auf deinen Spuren mit Neugierde, Lust und in Verbundenheit mit dir und dem Rest der Welt.

Alles Liebe.
Agnes



wunderschöne Stiefmutterlinie

Hausfrauenseite