Suche!
Impressum
Datenschutz

home - zum Eingang
zum Club - tritt ein
zur Forenübersicht
zum Chat

Kleinanzeigen
Eltern
Rezepte
Handarbeiten
Küchentipps
Haushaltstipps
Körperpflege
Heirat
Liebe
Diät
Buchtipps
Schreibstube

-Weiberecke
-Hausfrauenreport
--Neues von der Hausfrau
-Männerecke
-Wühltisch
-Umfragen

 

Link zur Schreibstube

Die Krawatte des Alcalde

Seit dieser Mann Bürgermeister ist, hat sich unsere Gemeinde verändert. Ortigueira hat sich von einem vernachlässigten, langweiligen Kaff in eine schmucke und lebendige Kleinstadt verwandelt. Eigentlich wurde dieser Alcalde ja nur gewählt, weil er der gleichen Partei wie sein Vorgänger angehört, und "weil sein Vorgänger ein netter Mensch war". Genau das hat man mir gesagt. Damals, als ich nach etwa einem Jahr einige sehr erzürnte, über den Bürgermeiste schimpfende Leute fragte, warum sie ihn denn gewählt hätten. Ja, sie fühlten sich betrogen. Alles wurde verändert. Es schien, als ob kein Stein auf dem anderen bleiben würde. Die meistens stinkende und für Mückenschwärme sorgende kleine Bucht vor der Alameda wurde in einen modernen Sporthafen umgebaut. Der Stadtpark, der doch so praktisch war, um die Hunde Gassi zu führen, wurde plötzlich total umgekrempelt. Die wunderschönen (aber leider überhaupt nicht passenden) Palmen wurden mit grossem Aufwand - Spezialkräne kamen aus Barcelona - ausgegraben und einige zehn Meter weiter drüben wieder eingepflanzt. In einer Reihe, den Sporthafen in Klein-Miami verwandelnd. Die verwahrlosten, mit Unrat versauten Hecken wurden ausgerissen. Jetzt ist da ein wunderschöner Park. Die uralten Zedern (die ältesten ihrer Art auf der Halbinsel) werden nachts von unten angeleuchtet. Früher wurden sie rücksichtslos mit der Kettensäge behandelt. Und die Hunde müssen an der Leine geführt werden. Wo sollen sie denn jetzt ihr Geschäft verrichten? Ausserdem, SOWAS!, der Hundekot muss aufgelesen und in den Abfall getan werden. Eine Zumutung. Dauernd sind Arbeiter daran, irgend eine Strasse aufzureissen, damit die Strom- und Telefonkabel unter die Erde kommen. Geldverschwendung! Mit dem Auto darf man auch nicht mehr überall hin. Die Leute waren sauer.

So langsam aber sicher sahen sie jedoch, dass das alles sehr schön wurde. Man sah, dass Autobusse kamen, die Leute ausstiegen und das Städtchen besichtigen. Jaaa, das war schon gut, dass man diesen Alcalde gewählt hatte. Man hatte das ja schon immer gewusst.

In Spanien kann kein öffentliches Gebäude, kein Platz, keine Strasse gültig in Betrieb genommen werden, ohne dass eine offzielle Einweihung stattfindet. Bei kleineren Anlässen kommt vielleicht ein Abgeordneter oder der zuständige Minister der Autonomieregierung oder der Provinz. Oftmals aber kommt auch Herr Fraga persönlich, der Präsident der Autonomieregierung.

Da wir zu den Unternehmern der Gemeinde gehören, werden wir dann und wann mal eingeladen zu solchen Einweihungen. Mir fiel immer wieder auf, wie unkonventionell unser Alcalde gekleidet ist. Während die restlichen "Würdenträger" im dunkeln Anzug mit dezenter Krawatte erscheinen, kommt unser Alcalde mit einem knallblauen oder fein karrierten Sakko zu grauer Hose und hat meistenst eine auffällige Krawatte umgebunden.

Nun war die feierliche Eröffnung der neuen Bibliothek an der Reihe. Wir gingen hin, man kann ja nicht immer absagen, und ich wunderte mich nun doch ein wenig über die Krawatte des Bürgermeisters. Zu grauem Hemd, grau-senf karriertem Sakko (und grauer Hose) trug er ein gestreiftes Ding in allen Neonfarben und schwarz. Im Verlaufe der Rede richtete er ein paar Worte direkt an die Kinder, die recht zahlreich erschienen waren. Er sagte:
Lest, Kinder, lest. Es ist wichtig. Wir haben speziell für euch ein Lesezimmer eingerichtet. Und seid nett zu Maria-José, gehorcht ihr und behandelt die Bücher mit Sorgfalt. Seht her (er fasste sich an die Krawatte), dieses Gebäude ist das einhundertneunundfünfzigste Werk, welches ich einweihe. Zu jeder Einweihung trage ich eine neue Krawatte. Und diese hier habe ich ganz speziell für heute ausgesucht, weil sie fröhlich ist.

Endlich weiss ich nun, was die Krawatten zu bedeuten haben. Und, da wir gerade bei den Farben sind:
Die Bibliothek ist in einem alten Schulhaus untergebracht. Ein Gebäude im sogenannten "Indianerstil". Diese Gebäude sind meistens verwinkelt und verschnörkelt. Sie haben viele umlaufende Simse. Die flachen Teile der Fassade wurden lila gestrichen. Alle Verzierungen, Simse, Tür- und Fensterrahmen elfenbeinfarben. Schade, dass das Dach mit normalen, zinnoberroten Ziegeln gedeckt ist. Die Farben beissen sich ganz fürchterlich. Aber, Neonfarben und grau-senf beissen sich auch. Ich muss mich wirklich darum bemühen, meinen Geschmack dem hiesigen anzupassen. Sonst kriege ich noch Sehkrebs.

Verena am 23.01.05


wunderschöne Stiefmutterlinie

Hausfrauenseite