Das Teufelsbündnis
Hallo Carola,
hatte ich doch schon mal angekündigt, daß da noch was war, zu dem ich unbedingt einen kleinen Beitrag loswerden wollte.
Aber es wollte mir partout nicht einfallen. Als meine Putzhilfe (ach, mit 57 darf man sich sowas ohne rotwerden zulegen)
kürzlich hier war, fiel es mir wieder ein. Es betrifft den Beitrag "Wenn der Putzteufel zweimal klingelt" in der Weiberecke,
die ich selbstverständlich als Pflichtlektüre betrachte.
Jaja, das Fensterputzen. Da gebe ich Birgit uneingeschränkt recht: wer zuviel putzt macht mehr dreckig als sauber.
Eine weise Regel, an der ich mich gerne halte, insbesondere was dem Fensterputzen anbelangt. Was einst zu folgender
wahren Begebenheit führte:
Als meine Jugend noch vorwiegend frisch, mein A.... noch Knackig und meine Locken noch füllig bis über die Schulterblätter
reichten (seufz...), pflegte ich meinen Haushalt, wie auch alles andere, ohne fremde Hilfe in Ordnung zu halten.
Von Muttern dazu erzogen das Putzen wirklich gründlich zu erledigen (mit Fingerkontrolle über den Türrahmen) und
die meiste Zeit allein wohnend, fand ich es schon immer völlig ausreichend, meine Wohnung in etwa eben so häufig zu
putzen, wie den klapperigen R4, nl. ca. jedes Vierteljahr. Für die Fenster schien mir das aber doch ein bißchen üppig, so
daß die Scheiben sich eher auf die jährlich wiederkehrende Karwoche eingerichtet hatten. Mir war das alleine schon deshalb
ausreichend, weil ich tagsüber ohnehin praktisch nie zuhause war und den Schmutz durchaus auch ein geeigneter Ersatz
für
Gardinen hergab. Und die wäscht man schließlich auch nicht alle vier Wochen.
Wie anders dagegen meine Nachbarin. Eine wahrhaftige Hausfrau mittleren Alters, wie sie im Buche und gewiß nicht im
Internet steht. Frau Nachbarin erfreute ihren Gatten nicht nur mit dem Scheuern der Wohnungsfliesen, perfekt gebügelte
Wäsche und ein höchstselbst in eigenen dampfenden Töpfen gegartes Mahl als minimales tägliches Pflichtprogramm.
Vonwegen! Jeden Sammstagmorgen, pünktlich um zehn erschien die fleißige Hausfrau, Besen, Schaufel, Schwämme,
Lappen und Eimer bewehrt, am Hauseingang, um in der Einfahrt geschwind das Gröbste zu besorgen. (Die Feinarbeit wurde
zweimal jährlich über einen ganzen langen Tag gewissenhaft erledigt.)
"Das Gröbste" umfaßte, nebst fegen und scheuern der Einfahrtfliesen, gründliches Abwaschen aller Gitterstäbe im Zaun,
großräumiges Abkehren der Hauswände, abseifen der Haustüre, ausklopfen diverser Fußmatten und schrubben der
Türschwellen, ganz selbstverständlich auch das blitzeblankwienern des Briefkastens. Weißgott wo so'n Briefträger alles
herumkommt, nichtwahr?
Den geübten Augen jener fleißigen Hausfrau konnte es freilich nicht entgehen, in welch unübersehbar desolater Zustand die
Fensterscheiben der Wohnung jenes jungen Mannes vom Erdgeschoß des Nachbarhauses waren, der zwar immer so
strahlend freundlich grüßte, aber dem es offenbar doch nicht gelang, seinen etwas zu rasch wechselnden Freundinnen einmal
einen Putzlumpen in die Hand zu drücken. Und wenn schon die Fensterscheiben so aussahen ........, naja, es geht uns
wirklich nichs an, aber sowas gehört sich doch einfach nicht !!!
Den freundlich strahlenden Augen jenes jungen Mannes konnte es allerdings auch nicht entgehen, mit welch zutiefst
mißbilligenden Blicken Frau Nachbarin allwöchentlich diese heruntergekommene Fensterfront musterte. Eine entsprechend
feixende Bemerkung hatte er sich dennoch anstandshalber bis dahin verkniffen. Der Nachbarfrieden gilt auch in Flandern
als ein heiliges Gut. Bis, .... ja, bis eines Tages diverse Teufel, mindestens jedoch der Putz- und der Feuerteufel ein Bündnis
schmiedeten, das derart rafiniert eingefädelt war, daß es durchaus dazu geeignet war, sämtlichen ehernen Vorsätze
gründlich den Garaus zu machen.
Eines Samstags, am frühen Nachmittag, zu einem Zeitpunkt also, an dem der anständige Mensch seinen Hausaufgaben
längst hinter sich gebracht hatte und sämtliche Hauseingänge und Gehsteige des Dörfchens zufrieden in der Sonnen
glänzten, entschloß sich Klaus, mein Wohnungsnachbar vom ersten Stock, mit seinem alten VW-Variant auf'n Sprung zur
Kommilitonin seines Herzens zu fahren. Hätte er das nur am Vortag gemacht.
Alla tjüssie und rein in den Wagen und leier, leier, leier, leier. Und wieder leier, leier, leier, leier. Und noch einmal leier, leier,
leier, leier. Raus aus dem Wagen, Türschlag zu gedonnert und im Trab zu Leo's Wohnung: klingeliklingeliklingel.
Ob ich seinen Variant mal mit dem Überbrückungskabel unter die Haube greifen könne? Aber klar doch, wozu hat man
Freunde! Wo steht er denn, deinen VW? Direkt unter meinem Fenster stünde er.
Ich schaue aus dem Fenster. Was ich dort sehe läßt mir den Atem stocken.
"He, Klaus, dein Auto brennt!" schreie ich. Klaus schaut auch aus dem Fenster. Tatsächlich: Aus dem Heck des Variant, wo
annotobak Volkswagen die Motoren unterzubringen pflegte, Qualmen dicke schwarze Rauchwolken. "Sch......... !!!!!" brüllt er
und schon stürzen wir aus dem Haus. In's Vorbeirennen schnappe ich mir noch den Feuerlöscher, der zum Glück direkt
neben der Kellertür hängt. Klaus rennt noch schnell in's Hinterhaus, um sich dort den zweiten Feuerlöscher zu besorgen.
Binnen weniger als fünfzehn Sekunden stehen wir beide am Autoheck.
Während ich den ersten Löscher in Anschlag bringe, streift Klaus rasch Arbeitshandschuhe über, damit er sich beim Öffnen
der Motorklappe nicht die Flossen verbrennt. Auf Kopfnicken reißt Klaus die Moterklappe weg, während ich im gleichen
Augenblick den Hebel der Spritzdüse voll durchziehe.
Echt geil sag ich Euch! Flammen und Ölqualm schlagen aus den Motorraum hoch. Zugleich schießt ein breiter Strahl
Löschpulver den Flammen entgegen. Unerschrocken stehen wir zwei M Ä N N E R am Brandherd, Hitze und Gefahr
trotzend. W o w !!! Genau die Action, die sich jede Jungenseele vom ganzen Herzen herbeiwünscht um zumindest einmal im
Leben vor alle Welt Mut und Kaltblütigkeit unter Beweis zu stellen.
Keine Frage, daß wir es nicht beim ersten Feuerlöscher bewenden ließen. Der reichte zwar aus, um das Feuer zu
löschen.
Aber um auch sämtliche Schwelbrandherden gründlich den Garaus zu machen, gaben wir die Hälfte des zweiten Löschers
großzügig hinzu. Als Held darf man nicht knickerig sein.
Ufff ! Das ist noch einmal gut gegangen. Als wir noch mit Herzklopfen neben dem in der Tat rasch und effizient gelöschten
Fahrzeug stehen, stellen wir zu unserer allergrößten Zufriedenheit fest, daß sich mittlerweile gut die halbe Straße im großen
Kreis am Ort des Brandgeschehens eingefunden hat. Die ernsten Gesichter der Männer und das helle Gackern der Muttis
bestätigen uns, daß die Rettung in jeder erdenkliche Hinsicht ein voller Erfolg war.
Aber der Triumpf währ weit kürzer als erhofft. Auf Pantoffeln naht bedächtig meine oben erwähnte Nachbarin. Sie sagt kein
Wort. Aber die Blicke, mit denen sie Straße, Hauswand und Gehsteig abschätzig prüft, spricht Bände. Und das zurecht,
denn nun müssen auch wir feststellen, daß unsere Löschaktion nicht nur den Variant, sondern eben auch die Straße, die
Hauswände und den Gehsteig im Umkreis von gut fünfzehn Meter unter einer dicken Schicht dieses wunderbaren weißen
Löschpulvers hat verschwinden lassen. Auweia ! Und das am heiligen Samstagnachmittag, wo doch die Kehrwoche längst
erledigt ist.
Klaus und ich grinsen uns mit hinterhältigen Blicken an. Keine Frage, daß wir die Situation nutzen werden, um uns hier einmal
gründlich als "Saubermänner" in Szene zu setzen.
Da das geehrte Publikum, Stunk förmlich herbeisehnend, im Traum nicht daran denkt den Krisenherd zu verlassen, können
wir uns alle Zeit der Welt nehmen. Also schlendern Klaus und ich in den Garten, schleppen umständlich den Gartenschlauch
auf der Gasse und legen selbigen großräumig aus, bevor wir das Anschlußstück sorgfältig am Wasserhahn im Hof
befestigen. "Wasser marsch!"
Während Klaus sich damit begnügt mit Unschuldmiene und Besen an der Hofeinfahrt unseres Hauses die sich nun
ausbreitenden Fluten fernzuhalten, drehe ich diesmal die Wasserdüse vollrohr auf. Am Wasserdruck war mit den besten
Willen absolut nichts auszusetzen. Ich schätze mal, daß ich binnen zehn Minuten gut fünf Kubikmeter des kostbarsten
mittelhessischen Trinkwassers abließ. Männekenpis ist ein verschlafener Trottel dagegen.
Als erster mußte freilich des Deutschen liebten Kind, nl.das Auto gründlich gereinigt werden. Freilich nicht nur Klaus' Variant.
Mein armer R4 und die Rostlaube eines weiteren Hausbewohners hatten auch eine deutliche Löschpulverdecke
aufzuweisen. Rrrrrunter mit!
Nun sollte des deutschen zweitliebsten Kind, der Gehsteig wieder in einen für den bevorstehenden Sonntag passenden
Zustand versetzt werden. Und gleich anschließend die Fahrbahn selbt. Die sah nämlich aus! Das konnte wirklich keinem
Autofahrer zugemutet werden, darüber zu fahren.
Beifälliges Murmeln aus den Zuschauerreihen. Die hatten das gleich gemerkt: Die Jungs da sind zwar Zugereiste, aber
offenbar wissen sie, was sich in einem Dorf geziemt.
Da Autos, Gehsteig und Straße wieder gereinigt waren, fiel es nun natürlich erst recht auf, daß ein wenig Löschpulver
(Wirklich nicht viel! Nur 'n Bißschen!) auch an unsere Hauwand haften geblieben war. Nun gut, man will sich nicht lumpen
lassen, oder? Die Hauswand wurde also auch gleich einer gründlichen Wäsche unterzogen. Wenngleich das den
mindestens vierjahrzehntenalter Verputz nicht in's geringte zu imponieren schien.
Ja, und wenn man dann schon dabei ist; genügend Publikum zugegen ist um die Aktion lang und breit in Büttengerechte
Reimen zurechtzurücken und meine putzwütige Nachbarin das Geschehen weiterhin mit besorgter Miene mißtrauisch
verfolgte, war es geradezu Pflicht, von der Hauswandreinigung nahtlos zum ausführlichen Fensterputz überzugehen.
Ich glaube nicht, daß die Scheiben meines Wohnzimmerfensters in den vergangen drei Jahren auch nur annähernd soviel
Wasser gesehen hatten, als hier binnen wenigen Minuten.
Ich schwöre bei meinem Gartenschlauch: Der Nachbarin fiel den Kiefer buchstäblich soweit herunter, daß man mühelos einer
ihrer Pantoffeln hätte hineinschieben können. (Gräßliche Vorstellung!)
Als ich die Waserdüse zu guter letzt wieder zudrehte und mich anschickte, den Schlauch zusammenzurollen, konnte ich es
mir am Ende doch nicht verkneifen der Nachbarin mit unschuldigstem Lächeln und naivem Wimpernaufschlag zuzuflüstern:
"Sehen Sie, Frau Nachbarin, so gehts eben auch!"
Da sie auch zuvor mit mir nie ein Wort gesprochen hatte, konnte ich nicht feststellen, daß ihre in späteren Monaten verbissen
geschlossenen Lippen irgend etwas mit dieser Angelegenheit zu tun gehabt haben könnte.
Gott möge mir meine bodenlose Frechheit vergeben.
Wie gesagt: eine perfide Verschwörung einiger Teufel, die den Dauerfrieden in unserer Straße vermutlich einfach nicht mehr
ausgehalten haben......
Leo am 18.08.1997