01.09.1997
...war einfach sehr schön, wenn auch insgesamt sehr schlaflos :-)
In der Cyberwelt Menschen kennenzulernen ist schön, sie dann auch noch einmal (mindestens einmal :-)
persönlich zu treffen noch schöner. So hatte ich zu meinen üblichen Freunden und Bekannten auch einige
Bekannte aus dem Internet zu unserer 4 x 30 Party eingeladen. Mein Gedanke war, daß selbst wenn die
"Internetten" mich sterbenslangweilig fänden, sie zumindest eine gute Chance hätten, auf der Party nette
Menschen, gute Musik und kulinarische Verwöhnartikel zu finden.
Nun, die Party war wirklich einfach schön, obwohl...
... Oliver mich hin und wieder nötigte, mich mit ihm in ruhigere Regionen zurückzuziehen und zu stillen.
und
... mich die Schwangerschaftsmonate derart an flache Schuhe gewöhnt haben, daß der Abend auf Pumps
mir ganz neue Schmerzregionen eröffnete.
Lustig war, als der DJ das Original "I will survive" auflegte. Ich brach ein Gespräch ab, und ging zielstrebig
in den Raum mit der Tanzfläche - unterwegs traf ich auf Marion, Astrid und Simone - alle wie ich durch das Lied
an "gute alte Zeiten" erinnert.
Das Gute an guten alten Zeiten ist, daß sie vorüber sind und man sie auf das Schöne und Angenehme
komprimiert hat. So rückblickend waren doch sogar die Zeiten schön, in denen man von Liebeskummer
inspiriert, perverse Cocktails kreiert hat...
Nun, gegen 3 Uhr machten wir uns dann doch auf den Heimweg und hörten im Radio prompt die Nachricht,
daß Lady Di in Paris diesen Autounfall hatte. Ich bin ganz entschieden keiner ihrer vielen Fans gewesen,
aber trotzdem bin auch ich geschockt - von der Presse.
Nein, ich meine noch nicht einmal die 7 Typen mit den Fotoapparaten. (ich weigere mich, solche Menschen
automatisch Fotograf zu nennen. Wenn ich mir ein Skalpell nehme und jemand den Bauch aufschlitze, bin
ich schliesslich auch kein Arzt!)
Ich meine die gesamte, komplette Presse, die uns jetzt für blöd erklärt und mit Pseudoberichten über
die Angelegenheit zublubbert. Die Nachricht ist doch denkbar kurz und müßte nicht ständig durchgerührt
werden. Bei einem Unfall in Paris starben 3 Menschen und einer wurde lebensgefährlich verletzt.
Unter anderem tun mir übrigens die Angehörigen des Fahrers leid, der genauso tot ist, wie die Prinzessin.
Als wir im Auto saßen, berichtete auf SWF3 ein Reporter ganz empört, wie die arme Prinzessin durch
Paris gejagt wurde und daß sie sogar schwer verletzt wurde. Nun, hätte ihn das ganze wirklich getroffen,
berührt oder aufgeweckt, hätte er uns sicher erspart zu erläutern, daß der tote Freund von Lady Di "mit einer
Goldfolie abgedeckt auf der Straße läge und er mehr nicht habe sehen können, bevor er von der Polizei
abgedrängt wurde".
Auch so eine Reporterschmeißfliege!
Diese Art Journalismus kann nur eklig sein. Ich empfand es in der Bank immer als ganz scheusslich, den
Angehörigen eines Verstorbenen einigen Formularkram zumuten zu müssen. Vermutlich, geht es den meisten
Menschen im Angesicht von Leid so, daß sie am liebsten schweigen oder trösten möchten.
Es muß schon eine ganz besondere Art Mensch sein, die dann wortgewandt und für Geld Betroffenheit heuchelt.
Auf jedem Sender liefen gestern Betroffenheitsshows - besonders idiotisch finde ich es, wenn ein
Journalist den anderen zu der Stimmung in England befragt oder wie und wann er von dem Unfall gehört hat
und was er dabei empfand. Wen interessiert das denn?
Ich bin sehr gespannt, welche Zeitschriften und welche Sender zuerst die Bilder der sterbenden Di
veröffentlichen. Die Überschrift sehe ich schon:
Für diese Fotos mußte Di sterben!
Sie werden die 7 Typen mit den Kameras natürlich verurteilen - und uns die Fotos nur präsentieren, weil
sie es als ihre Pflicht ansehen, uns zu informieren. Nun, obwohl mich die Prinzessin nie interessierte,
werde ich zu den Menschen gehören, die ihr den verdienten Respekt zollen und diese Fotos ganz sicher
nicht ansehen.
Und ich werde noch einige Tage damit zubringen, mich über die Betroffenheitsshow und das eklige
Geheuchel aufzuregen. Ihr Tod verändert den Journalismus sicher nicht - hat ihn ja eindeutig nicht geändert.
Denn, wenn sie uns seit Wochen grobkörnige Bilder präsentieren und vage Vermutungen, so präsentieren
sie uns jetzt eine endlos aufgebuschte Nachricht und in Kürze (vermutlich noch bevor ich den Update
geschafft habe) unscharfe Fotos einer Sterbenden.
Was mich besonders trifft, ist daß selbst die seriösen Sender die Nachricht bringen, daß in dem Schloß
die Lichter die ganze Nacht brannten. Das heißt, die Schmeißfliegen stehen mit gezückten Kameras bereit,
die trauernden Kinder demnächst auf Fotos präsentieren zu können.
Meine seherischen Fähigkeiten reichen so weit, daß ich heute schon weiß, daß sie morgen noch immer
Nonstop davon berichten - ist ja auch unheimlich informativ - vermutlich ist sie morgen ganz anders tot, als heute...
Wer wie ich hin und wieder einen Hang zu rabenschwarzem Humor hat:
ähm, übrigens - Oliver hat mittlerweile 2 Zähne