12.11.1996
Ja, was tut man nicht alles für die lieben Kinderchen?! Man gibt die schicke Innenstadtwohnung auf und
zieht in eine Reihenhaussiedlung, die in der kinderlosen Zeit noch oft Mittelpunkt lästerlicher Bermerkungen
war. Ich wollte da nie hin - alle Häuser sehen gleich aus - Gärtchen vorne, Garten hinten und das Ganze rund
um einen riesigen Parkplatz angelegt.. Nun, seit wir hier wohnen wurden auch einige meiner Befürchtungen
wahr. Zuerst bekam ich eine Einladung zu einer Tupperparty, die ich aber gierig annahm, um mal einige
Leute kennenzulernen. Als nächstes folgte eine nette Einladung zu einem Geburtstag, worüber wir uns sehr
freuten. Mistrauisch wurden wir erst, als mich eine Nachbarin informierte, daß sich alle Frauen dann und dann
treffen würden, um gemeinsam das Geschenk vorzubereiten. Ein Geburtstagslied wurde umgedichtet und
meine Vorfreude auf den Abend sank drastisch, als ich begriff, daß die Damen das dann tatsächlich singen
würden - und ich auch mitsingen sollte. Überraschender Weise wurde es nach einigen Gläschen Weißwein
sehr lustig und ich erwischte mich dabei, wie mir das Gesinge sogar Spaß machte.
Mittlerweile ist es längst geschehen - ich fühle mich hier pudelwohl und wenn ich ein fremdes Auto sehe,
recke ich neugierig den Hals, um zu sehen, wo derjenige denn wohl hin will...
Gestern kam eine weitere, noch härtere Prüfung auf uns zu, die wir mit Bravour passierten:
Sankt Martin
Horden mit Laternen bewaffneter, gieriger Blagen tummelten sich vor unserer Tür und gaben seltsame
Versionen altbekannter Lieder: "war ein guter Mann, hat Kleider an wie Supermann"
Nun, Felix verteilte großzügig und schnell (bevor sie mit der nächsten Strophe anfingen) seine Geschenke
an die singende Meute, während wir uns rächten und Michaela zusammen mit 3 Kindergartenkids
durch die Nachbarschaft scheuchten. Im ersten Haus hatten sie für "Sankt Martin, Sahankt Mahartin, Sankt Mahartin!"
Lutscher abgesahnt. Michaela stopfte ihren sofort in ihren Mund und stand fortan demonstrativ schweigend mit
ihrer kleinen Laterne und einem kleinen gelben Körbchen neben den drei Sängern. Wurde ihr Körbchen großzügig
gefüllt, nahm sie gnädig den Lutscher aus dem Mund und sagte brav "Danke". Manchmal lief sie sogar zurück um
sich zu bedanken. Im Hintergrund stand ich, die Mutter und füllte hin und wieder den Inhalt des Körbchens in eine
große Plastiktüte um.
Einmal begegnete uns eine Gang größerer Martinssänger, von denen eine gerade den Inhalt ihres Beutels prüfte
und empört feststellte, daß man ihnen "Aldi-Billig-Schoko" angedreht hatte.
Nun, meine drei Mitmütter und ich fanden ganz leckere Sachen in unseren Plastiktüten und bedauerten nur, daß niemand
Glühwein an die begleitenden Mütter ausschenkte. Wir haben uns verabredet, nächstes Jahr welchen für uns bereitzustellen...