Tag 2 und noch bin ich so etwas von motiviert, daß ich aufpassen muß, daß ich andere Moppel
nicht mitleidig anschaue, weil ich doch bald wieder so schlank und jugendlich sein werde ...
Weshalb wir Wales so lieben, wurde ich gefragt und nebenbei mit einigen sehr wahren Argumenten bombardiert.
Ein Freund von uns mit medizinischer Vorbildung hatte uns vor dem Urlaub mit einem Hauch Gehässigkeit
im männlichen Brumm-Bariton Staus prophezeit. Staus wegen der Grenzkontrollen, Desinfizierungsmassnahmen
und dazu noch den normalen Urlaubsreiseverkehr.
Nicht, daß wir uns das nicht selbst auch schon in Schreckensfarben auszumalen wußten. Insbesondere
das Bild der gerade verpassten Fähre, klanglich untermalt mit dem Genörgel zweier übermüdeter,
nach stundenlanger Autofahrt genervter Kinder, wuchs in unseren reisefiebrigen Träumen zu waren Alp-Gebirgen.
Der Witz war nur, daß es keinerlei Kontrollen, Säuberungsaktionen oder Staus gab.
So erreichten wir sogar noch eine frühere Fähre als geplant und auch die Tatsache, daß es
gar keine schlechte Idee gewesen wäre, Pässe für die Kinder mitzunehmen, konnte unser
Urlaubsgefühl kaum trüben.
Der beste aller Männer brach mit einer alten Tradition und beschloss spontan, daß dieses
Jahr er die ersten Meilen in England fuhr - damit ich mit dem freundlichen Grenzbeamten sprechen durfte.
Tat ich - gelernt ist gelernt - unschuldige Augenaufschläge kann man oder kann man nicht und ich kann.
Eifrig, 3 Tonlagen höher als sonst und auch etwas schneller, plapperte ich auf ihn ein, daß wir
ja wegen Foot und Mouth soooo concerned waren, daß wir lange überlegt hatten, ob wir überhaupt ...
naja und da hatten wir doch glatt vergessen - aber hey, schauen sie mal - ich habe da den Ausweis der Leihbücherei
meiner Tochter und die Krankenversicherungskarte meines Sohnes und ... rattatata ...
Natürlich gab der junge Mann dem dringenden Wunsch, mich möglichst schnell vom Hals zu
haben nach und bot uns bereitwillig ein "Is this your first trip to England?" an. Ich griff unschuldigsten
Augenaufschlags zu und hoffte, daß er den schon leicht zerfledderten roten Drachen, das Wappentier Wales'
ebenso ignorieren würde, wie ich es tat. Auch wenn er ziemlich deutlich in unserem Sichtfeld auf der
Beifaherseite klebte.
Als ich besagtem Freund gestern im Ätsch-Ton erzählte, daß wir gar keinen Stau hatten,
erfuhr ich, daß dafür die Dioxin-Werte in Wales recht bedrohlich sind, da den Einheimischen
das Brennmaterial ausgeht und sie so munter alte Autoreifen und ähnliches mitverbrannt haben.
Das Schaf an sich brennt halt nicht ...
Erhöhte Dioxinwerte? Nimmt man davon ab? - Nein, davon stirbt man.
Sagt er - aber meine ungeahnt sportlichen Energien beweisen, daß es in Wales nicht so arg sein kann -
oder ist das ein letztes Aufbäumen vor dem Ende?
Nun, es war wirklich nicht so schlimm - der National Trust hatte zwar so ziemlich alle Wanderwege schliessen
müssen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, aber in der Touristen-Information war man ausgesprochen
nett und erstellte uns eine Liste mit allen Sehenswürdigkeiten, die sicher auf waren. Ausserdem riefen
sie für uns auch noch bei einzelnen Orten an, damit wir nicht umsonst hinführen.
Auch die Leute vom Trust waren lieb - ihnen tut es sicher deutlich mehr leid als uns, daß sie
die Gebiete abriegeln mußten, denn Tourismus ist nicht nur in Wales ein ziemlicher Wirtschaftsfaktor.
Bis zum letzten Tag fuhren wir durch herrliche Landschaften mit Tausenden von Schafen und niedlichen
Lämmern. Überall wurde nur vor der Gefahr einer Verbreitung gewarnt, und man konnte sich ein
wenig in den Glauben lullen, es sei alles gar nicht so schlimm und das seien nur Vorsichtsmassnahmen.
Dass es doch schlimm war, sahen wir nur im Fernsehen und dann ausgerechnet an unserem Abreisetag, als
wir über Welshpool abreisten und dort noch eine Burg besichtigen wollten.
Auf dem Weg kamen wir gleich an 3 Feuern vorbei, deren Rauch Welshpool selbst unter einer deprimierenden
Dunstglocke verschwinden ließ. Michaela fragte natürlich, was denn dort verbrannt würde
und wir gaben eine Teilwahrheit preis, nämlich daß es sich um die an der Seuche gestorbenen
Tiere handelt. Auch die Lämmer? Auch die Lämmer!
Das war hart genug und ich bin froh, daß sie kein englisch kann, denn in den Nachrichten berichteten
sie, daß am Vortag irrtümlich eine falsche Herde gekeult wurde. 500 Schafe, die noch nicht
einmal im Verdacht standen, erkrankt zu sein - das ist bitter. Insbesondere für eine Siebenjährige,
auf deren Schulhof Schafe herumspringen.
Nun, wir sind brav durch alle Ameisensäurebecken gegangen und gefahren, haben alle Hinweis-Schilder
brav, wenn auch wehmütig respektiert und haben auch keinerlei Gefahrengut eingeführt.
Aber um es mal hart zu sagen - die Grenzkontrollen sind ein Scherz!
Eher gesagt, wir hatten keine. In Dover fanden wir keinerlei Hinweise, daß irgendwelche Güter nicht
aus England ausgeführt werden sollten und fragten dann halt selbst einige Grenzbeamte, ob denn Schokolade
auf der Liste stünden. Für Regina, die hier die Powercat und den Club freigegeben hat, hatte
ich nämlich ein riesiges Malteser-Ei besorgt und wollte deshalb ungerne Ärger mit einem
französischen Beamten bekommen. (ich bin halt noch die alten DDR-Kontrollen gewöhnt und
habe eine tiefe Abneigung gegen erboste Grenzler. Falls das einer liest - und ich habe damals doch Bravos
eingeschmuggelt und meine Freundinnen damit versogt - Ätschi!!!)
An der französischen Grenze wurde aber nicht kontrolliert. An der belgischen auch nicht und an der
deutschen schon gar nicht. Soviel dazu ... und das am letzten Osterferientag in NRW. Wir hätten
den Kofferraum voller Schafe haben können. Und ganz ehrlich, ich wäre doch ganz gerne noch mal
über so eine Matte gegangen, aber da waren effektiv keine und so beäuge ich unsere Schuhe etwas
ratlos und meide nicht nur den schwesterlichen Bauernhof die nächsten Wochen einfach.
Es gibt ja auch soviel anderes zu tun.
Ha! Ich hatte versehentlich "essen" geschrieben - erste Entzugserscheinungen ...
Soeben konnte ich meiner Freundin zB via Mail berichten, daß ich 25 Bahnen geschwommen bin. Nicht nur
das, ich habe auch an meinem Tussenfaktor gearbeitet und war 12 Minuten auf der Sonnenbank. 10 wären
scheinbar auch genug gewesen.
Meine allerbeste und allerschlankste Freundin ist einerseits ein wunderbarer Diätanreiz - ich hänge
auch viel zu sehr an ihr, als den Diätvermeidungsrat anzunehmen, mich nur mit Leuten zu verabreden,
die dicker sind als ich (ist auch nicht so einfach, das werden immer weniger ...) und andererseits
aber auch die größte Bremse.
Vorhin malte ich mir aus, wie ich ihr mittags schreiben könnte, daß ich 50 Bahnen geschwommen
sei. Leider kenne ich sie aber lange genug um zu wissen (ich kann es fast hören), daß sie
dann antworten würde, dies sei ja fein, aber ich müßte das auch eine Weile durchhalten.
Also hörte ich nach 25 Bahnen auf und habe so immerhin die Spannung, ob sie dann nicht doch lieber
darauf hinweist, daß 25 Bahnen nicht viel sind ...
Das mit dem Durchhalten ist bei den Umfängen meines inneren Schweinehundes natürlich so eine
Sache. Schwimmen gehen ist gar nicht so übel - nur der Teil im Wasser ist ätzend, der Rest
macht Spaß ...
Und statt zu schwimmen könnte man soooo schön im Garten sitzen ...
Spätestens, wenn ich wieder unauffällig abgelaufene Becher mit Dickmilch, Buttermilch, Magerjoghurt und
Quark entsorge, weiß ich, daß die Dicke in mir gesiegt hat.
In jeder Dünnen steckt eine Dicke, die verdammt hungrig ist ...
Huch!
PS: 25 Bahnen sind klasse!!! Mach weiter so!