Abenteuer Borkum
intime Geständnisse einer lüsternen Blondine...
Der Zwischentitel ist natürlich Quatsch, aber ich bin gerade etwas albern.
Viele Menschen, die gerade Schweres hinter sich haben, verarbeiten dies mit leicht hysterisch anmutender
Heiterkeit... und ich war gerade mit meinen beiden Kinderlein eine Woche auf Borkum.
Ende Juli!
Eigentlich mag ich die heißen Monate des Jahres nicht besonders. Den einzigen Vorzug sehe ich darin,
daß einem der Kaffee nicht so schnell abkühlt, allerdings muß man im Sommer aufpassen,
daß man nicht plötzlich eine halbertrunkene, aber stachlige Biene im Hals hat.
Egal, vor 2 Wochen verbrachte ich ein angenehmes, kinderloses - oder sollte ich sagen, ein angenehm
kinderloses Wochenende auf Borkum. 2 Tage voll ewig langer Strandspaziergänge nur unterbrochen
von dem einen oder anderen Milchkaffee in einem schönen Kaffee. So sehr ich es genoss in zügigem
Tempo durch das Wasser zu stapfen oder gelegentlich einfach eine Runde zu schwimmen, so sehr bastelte
mein Unterbewusstsein an dem Satz das wäre was für die Kinder!
Während meine Begleitung den eingeölten Menschenmassen in den Strandkörben nur einen
angewiderten Blick gönnte, reifte mein Plan. Kleine Ferienwohnung in Strandnähe, eine alberne
Strandhütte mieten, Spielzeug über Nacht dort lassen = machbarer Urlaub mit Kindern.
Und nur 4 Tage später fuhr ich erneut nach Eemshaven um dort eine Fähre nach Borkum zu
nehmen. Allerdings erscholl aus dem Radio nicht Latin Quater, sondern Regina Regenbogen und ich
beschäftigte mich damit, kleingeschnittene Apfelstücke und ähnliches an meine
scheinbar vollkommen ausgehungerten Kinder zu verfüttern. Den ersten Teil der Reise überstanden
sie erstaunlich gut und fröhlich, aber kaum saßen wir im Auto schlug die Stimmung um...
Das stimmt auch nicht - aber ich dachte, es wäre ein netter Gag.
Meine Kinder sind ausgesprochen reisetauglich, aber ich gebe zu, daß ich dennoch einen ziemlichen
Klumpen im Magen hatte. Noch nie war ich mit den beiden in Urlaub gefahren. Wir haben schon oft Freunde
besucht, auch sehr weit entfernt wohnende Freunde - aber dann hatte ich lediglich die Fahrt zu
überstehen und wußte daß ich am Zielort mit Kaffee und Leuten, die sich sehr gerne eine
Weile mit dem Nachwuchs beschäftigen würden, rechnen konnte.
Diese Fahrt bedeutete 4 Stunden mit Termindruck über die Autobahn zu brettern, eine Stunde Fähre zu
fahren (erwähnte ich, daß ich natürlich seekrank werde?), irgendwo den Schlüssel
für die Ferienwohnung abholen, Kinder und Gepäck in die Wohnung schaffen, Auto verstauen,
Betten beziehen, Kinder bekochen und ins Bett schaffen.
Lobt mich! Ich habe es mit Bravour bewältigt. Ja, ok, ich hätte der Frau, die die Liebenswürdigkeit hatte
mich auf den Umstand hinzuweisen, daß ich den Fahrstuhl nicht ewig blockieren könnte, nicht
so sehr auf die wohlgerundeten Hüften starren sollen und schon gar nicht hätte ich sagen sollen,
daß ihr ein wenig Bewegung, 3 Stockwerke abwärts treppensteigen, nicht schaden würde.
Kurz nach meiner Abfahrt in Köln, und kurz bevor Regina Regenbogen die akustische Herrschaft im
Auto übernahm, lief noch Mambo No 5 im Radio und verschafft den neuesten unschlagbaren
Vergleich aus der hausfraulichen Feder:
Kinder haben bedeutet durch das Leben zu tanzen
Doch, doch - kommt hin. Statt wie früher zielgerichtet durch das Leben zu gehen (wobei ich nicht
behaupten möchte, daß meine Ziele immer besonders sinnvoll oder lohnend waren), trapple ich
derzeit sehr viel mehr auf der Stelle, drehe mich im Kreis und vollführe seltsame Verrenkungen
und Hüpfer umd die Bedürfnisse meiner Kinderlein mit den eigenen unter einen Hut zu bringen -
oder die eigenen schlicht über Bord zu kippen.
Wobei dieser Vergleich noch weiter reicht - mit Partner kann die Tanzerei entweder viel mehr Spaß machen,
oder einfach nicht klappen. Und der Mambo war durch den Text witzig - Oliver sah mich gerade mit den
von meinem Vater geerbten Augen an, während Michaela Felix Augen geerbt hat. Der Rückspiegel
zeigte mir in diesem Augenblick hauptsächlich ihre Augen und das "a little bit of..." passte hervorragend
dazu. Kinder zu haben ist einfach spannend. Man würfelt das Erbgut der gesamten Familie zusammen und
schaut, was sie daraus machen. "lass sie nicht Felix Nase erben", kann man leise hoffen, aber nicht
beeinflussen. Wobei ich das mit der Nase nur schreibe um ihn zu foppen - ich liebe sein Näschen...
Michaela schafft es derzeit Felix und mir sehr ähnlich zu sein und dann gleichzeitig auch noch
bildhübsch (nicht, daß das wichtig wäre...) während Oliver sich noch nicht so
recht festlegen lässt.
Am Strand passierte dann gleich am ersten Tag das Unfassbare:
Auf dem Weg zum gemieteten Strandhüttchen (dort gibt es leider kaum richtige Strandkörbe),
löste ich eine mindestens 20 Korn starke Sandlawine aus, die in ihrer vollen Stärke auf ein
geschmackvolles gelb-schwarzes Fussballfan-Handtuch (Dortmund?) herabrann und fast einen jungen Mann
verschüttet hätte. Folgerichtig richtete er sich auf und meinte
Man kann auch aufpassen!
Genau! schmollte seine blonde Freundin, die sich nun ebenfalls aufrichtete und schnell den
Bikini-Bauch einzog, als sie merkte, daß er sie musterte. Ich stammelte eine Entschuldigung und
versuchte nicht hysterisch zu lachen, denn im nächsten Moment stapfte Oliver vollkommen ungerührt
mitten über das Handtuch rüber. In seinen Sandalen und der Pampers (unisex mit sanftem Lotionschutz)
sah Oliver wohl recht beeindruckend aus, denn der Fussballfan schwieg verbittert.
In den folgenden Tagen liess ich das Spielzeug wie geplant in der Strandbude und schleppte Oliver immer
über den halben Strand, damit er keine Grabenkämpfe auslöste. Doch, mir hat die Woche
auf Borkum sehr gefallen, aber ich fürchte ich habe mich nie wirklich integriert. So konnte ich
mir ein leises Kichern nicht verkneifen, wann immer jemand in der Gluthitze seinen Spaten nahm und den
Schutzwall rund um seine Strandbude zu erhöhen. Üble Spannung lag in der Luft, wenn zwei Wälle
aneinandertrafen und beide Parteien Angst bekamen, in ihrem Platzbedürfnis eingeschränkt zu werden.
Als ich am dritten Tag zu meinem Korb kam, waren die Wälle so nah gerückt, daß ich meinen
Liegestuhl nicht aufstellen konnte. Ich warf einen gekonnt hilflos niedlichen Hausfrauchen-Blick in
die Runde und prompt kam ein rüstiger Greis mit Spaten, der mir mit rotem Kopf einen ganz eigenen
Wall schippte und damit die bedrängenden Fremdwälle zurückdrängte. Dabei erfuhr
ich dann gleich, daß jeder Strandbude ein eigener Spaten zustand. Wahnsinn! Ich hatte also nicht
nur Anspruch auf den überdachten Sitz und einen Liegestuhl, sondern auch noch einen Spaten, damit
ich in der Gluthitze einen Wall buddeln könnte. Ich war ja so was von begeistert...
Ganz ehrlich, die spinnen doch, oder?
Oliver machte mir viel Freude, denn ausser selbst allerliebst herumzubuddeln, fand er viel Spaß
darin, an den besagten Wällen herumzukullern. Herrlich feiner Sand lädt ein, sich immer und
immer wieder herunterkugeln zu lassen und leider machten mir alle Nachbarn die Pointe kaputt, sich darüber
insgeheim aufzuregen. Ich hätte jetzt so schön schreiben können: "er lächelte, aber
seinen Augen fehlte jede Wärme" - so eine Art "HighNoon-Atmosphäre" - aber das stimmt einfach nicht,
denn kinderlieb waren sie dort alle. Ein Mann hatte extra für Oliver einen Hügel aufgeworfen,
auf dem ein Skiabfahrtsrennen hätte stattfinden können und vier rüstige Damen fanden es
absolut niedlich, wie begeistert Oliver im Stehen pinkelt.
Schon ein ganzer Mann kicherte eine,
warf lässig ein Schäufelchen Sand auf die Pfütze und fertig. Kinder, besonders in Olivers
Alter können sich alles erlauben. Sogar, als er viel Freude daran fand schaufelweise Sand in den Wind
zu werfen, bekam er diese
ach wie niedlich-Blicke, während die Leute sich den Sand wieder aus den
Augen rieben.
überhaupt vermittelte der Strand rührende Eindrücke. Große, starke Männer,
die mit tiefem Ernst kleine Sandeimerchen trugen. Ein Pärchen mit 3 Vornamenbüchern und
sie mit prallem Bäuchlein im Ballonbadeanzug, ein großer Bruder, der "warte, der ist doch
noch ganz sandig!" ausrief und seinem Schwesterchen den Lutscher wieder sauber schleckte und überall
Mamis mit streifigen Schenkeln, den Nachwuchs locker auf der Hüfte tragend.
Borkum brachte mir die Erfahrung, daß Schwangerschaftsstreifen sonnenbrandanfälliger sind,
als die dazwischen liegenden Hautregionen. Ein höchst interessanter Effekt - rote Streifen
umgeben von Sonnenbräune. Sexy!
Ich werde die morgendlichen Creme-Orgien vermissen. Zwei splitternackte Kinder, die sich auf den Boden
schmeissen und laut kichern, wenn man dann den Sunblocker aus großer Höhe auf sie herabtropfen
lässt. Um den Effekt zu verstärken, habe ich die Flasche schliesslich im Kühlschrank aufbewahrt,
bevor ich meine Kinder dann morgens wie kleine Törtchen dekorierte. Ich denke mal, die Kinder
hatten einen fantastischen Urlaub - ich
eigentlich auch. Nur eine Kleinigkeit hatte ich vergessen -
eine Thermoskanne. Mein Traum vom wirklichen Glück wäre eine Tasse Kaffee im Strandkorb gewesen.
Mit Blick auf das Meer und die glücklich spielenden Kinderlein. In der Nähe war auch so eine
Verkaufsbude - aber wann immer ich mich mit Oliver und Michaela hingekämpft hatte, kaufte ich den
beiden ein Eis und mir ein Glas Mineralwasser, weil ich ziemlich am Ende war.
Erinnert mich dran - nächstes Jahr die Thermoskanne einzustecken!!!
Den letzten Abend gönnte ich uns einen Restaurantbesuch. Naja - also einen Besuch in der
Pizzeria in der Fussgängerzone. Michaela und Oliver bekamen je eine halbe "Spaghetti-Pizza" und
ich einen riesigen Salatteller. Die Spaghetti-Pizza war zwar von der Idee her ein Renner, aber leider
nicht gerade einfach zu essen. Oliver mühte sich tapfer ab, aber einmal gelang es mir nur knapp
sein Saftglas vor dem Absturz zu bewahren. Im nächsten Moment meinte Michaela in meinem
Sitz-grade-Ton
Nimm mal deine Haare aus dem Salat. So saß ich gerade leicht entnervt da und wischte mir
die Salatsauce aus den Haaren und von der Bluse, als
sie die Strasse herabgeschwebt kam.
Ganz Borkum hing voller Plakate, auf denen Hera Lind mit grellem Lippenstift im Smoking zu sehen ist -
neben ihr ein Mann, aber sein Name war nicht so fett gedruckt, daher blieb mir seine Identität verborgen.
Ja, also während ich mir die Sauce aus den Haaren wischte, schwebte Hera Lind im Smoking durch
die Borkumer Bismarckstrasse und stellte befriedigt fest, daß sich alle, wirklich alle nach ihr
umdrehten. Ich weiß, es ist kleinkariert und missgünstig, aber ich hätte ihr gerne gesagt,
daß sich all diese Menschen in ihrer Bermuda-Short-T-Shirt-Sommerschlappen-Sonnenbrand-Kombination
nach jeder Frau im Smoking umdrehen würden.
Ich bin ja nur neidisch, weil ich keine Opern singen kann, mir nicht ständig liebestolle Männer
vor die Füsse plumpsen und und und...
Hm, nächstes Jahr werde ich nicht nur eine Thermoskanne mitnehmen, sondern auch noch einen blutroten
Lippenstift und einen Smoking...
Übrigens ist es ein ganz boshaftes Gerücht, daß irgendwelche Greenpeace-Aktivisten
versucht hätten mich ins Wasser zu schieben, weil sie mich mit einem gestrandeten Wal verwechselt
hatten!