ist mir in den letzten beiden Wochen noch einmal sehr bewusst geworden, als ich mich
bei Oliver ansteckte. Normaler Weise schleppt man sich so durch. Vernachlässigt ein
wenig den Haushalt, läßt den Wäscheberg etwas höher wachsen als sonst und nutzt kleine
Pausen um Kopfschmerzen, Husten und Heiserkeit ein wenig Aufmerksamkeit schenken zu
können. Irgendwann verschwinden die Symptome wieder, man veranstaltet einen halben
Frühjahrsputz oder hat den weltbesten Mann, der nachdem er die Kinder ins Bett gebracht
hat auch noch eine Runde mit dem Schrubber dreht.
Diesmal half aber alles nichts, der Husten blieb und steigerte sich, so daß Felix
daheim blieb und ich zum Arzt ging. Zuletzt war ich einmal in der Schwangerschaft bei
ihm, als ich meinen Husten nicht loswurde. Damals konnte ich wählen zwischen schwerer
Bronchitis oder leichter Lungenentzündung - und sollte mich gefälligst in mein Bett
verkrümeln. Diesmal war es nicht anders, nur daß ich vorher noch Margot im Wartezimmer
kennenlernte, die sich mit Traudl unterhielt.
Margot war schon seit 7.30 Uhr da, wie sie mehrfach erzählte und diesmal würde sie
sich nicht so einfach abspeisen lassen, denn das sah doch wohl jeder Mensch, daß sie
die Grippe erwischt hatte - und zwar happig!
Traudl hatte ein kaputtes Kreuz, aber der Herr Doktor war da ja so unfair, er erkannte
das einfach nicht.
Die Sprechstundenhilfe brachte mir ungebeten ein Glas Wasser, das ich zwischen
2 Hustenanfällen leerte. Dabei lauschte ich weiter Margot und Traudl, die eigentlich
schon alle Krankheiten der Welt gehabt hatten, wobei der Herr Doktor das aber nie
erkannte. Ein Glück, daß man sich viele Medikamente frei kaufen konnte, sonst wären
die beiden sicherlich längst verstorben. Aber so hatte Margot ihren Hörsturz mit
irgendwelchen Pülverchen halt ohne seine Hilfe geheilt - selbst ist die Frau!
Als sie dran war, saß Traudl eine Weile stumm da und nur mein Husten unterhielt
nun sie und die anderen Wartenden. Dann kam Margot zurück und sah wirklich elend aus.
"Ich soll Salbeibonbons lutschen!"
Den Rest verpaßte ich leider, da ich dran war. Prompt mußte ich nicht mehr husten.
Sobald ich mich einem Arzt nähere, verschwinden all meine Schmerzen und Symptome
und ich fürchte immer als Hypochonder aus dem Behandlungszimmer gescheucht zu werden.
Wenigstens war meine Stimme noch immer weg, dachte ich - und viel weiter weg als
Margots Stimme! Vielleicht bekam ich meine Salbeibonbons also auf Rezept...
Nun, er hatte seinen Spaß - er bat mich einmal zu husten - dann meinte er:
"Sie können jetzt wieder aufhören"
Ich entschuldigte mich und hustete noch ein Weilchen weiter. Dann klopfte er mir auf
den Rücken und ich hustete. Das war mir peinlich, denn wie sollte er mich untersuchen,
wenn ich die ganze Zeit bellte, wie ein eingesperrter Stubendackel?
Er klopfte, ich hustete und entschuldigte mich, bis ich merkte, daß er mich doch
tatsächlich veräppelte. "Wenn ich da klopfe, können Sie nur husten!" meinte er und
ich hätte ihm gerne vorgeführt, daß ich Stellen an seinem Körper kenne, die ihn
schreien ließen, wenn ich mal dagegen "klopfte".
Aber, ich begriff an seinem Blick, daß ich krank war und durchaus eine Aufenthaltsberechtigung
in seiner Praxis hatte. Er adelte mich, indem er meinte, daß wir dringend einen
Lungenbelastungstest machen müßten. So saß ich stolz im Wartezimmer zwischen all den
Scheinkranken, die entweder krankgeschrieben werden wollten, oder ähnlich wie
Margot und Traudl immer Mittwochs zum Arzt gingen, bis sich ein junger Mann auf
zwei Krücken ins Wartezimmer schleppte.
"elender Angeber!"
Kreuzbandriss, protzte er ungefragt und da meine Hustenanfälle aussetzten, schwappte
die gesamte Aufmerksamkeit des Wartezimmers auf ihn. Nun, der Lungentest ergab das
gleiche wie im Vorjahr - schwere Bronchitis oder leichte Lungenentzündung - ab ins
Bett, aber diesmal durfte ich Tabletten schlucken.
Tja, ohne Kinder...
Da hätte ich nun meinen Arbeitgeber angerufen, mir vermutlich selbst auf den Rücken
geklopft und mit ersterbender Stimme nach dem Hustenanfall etwas von "Lungenentzündung,
aber sicher bald wieder fit" gekrächzt. Mein Chef hätte mich innerlich erwürgt, mir
aber dringend empfohlen nicht zu früh wieder zu kommen und mir eine gute Besserung
gewünscht. Und dann? Ein Rundgang durchs Haus und dann ab ins Bett. Dabei ein gutes
Buch, Tee, die Fernsteuerung und hustenreizlindernde Schokokekse.
So lag ich oben in meinem Bett, Felix schleppte mir im Stundentakt einen köstlichen
Tee ins Zimmer, aber die ganze Zeit hörte ich die Kinder und am nächsten Tag mußte
Felix wieder zur Arbeit!
Man kann keine Krankheit geniessen, wenn man besser daran täte ganz schnell wieder auf
die Beine zu kommen. Ich nahm brav meine Tabletten und statt zu lesen, schlief ich
wirklich. Am nächsten Tag fragte Felix mehrfach, ob ich wirklich wieder fit sei, wobei
er die Türklinke allerdings schon sicher im Griff hatte. An Tagen wie diesen
vermisse ich meine Schwiegermutter noch mehr als sonst, träume von Großfamilien oder
zumindest einem AuPair Mädchen.
Nun, außer den Kindern und mir Essen und Oliver frische Windeln zu machen, tat ich
nicht viel. Auch durften die Kinder viel mehr als sonst. Michaela lachte mich einmal
aus, als ich schimpfen wollte und meine Stimme sich mitten im Wort verabschiedete.
Oliver saß dafür einmal lauthals lachend vor mir, als ich einen Erstickungsanfall
probte und war ziemlich sauer, als ich damit aufhörte. "Mach das doch noch mal, Mama!"
meinte Michaela und ich versprach ihr, sie beide zu rufen, sobald es soweit wäre.
Das rächt sich irgendwann alles!
Wenn sie einmal groß ist, werde ich sie im Büro (oder wo auch immer...) anrufen, wenn
der Stress gerade am größten ist und ihr mit schleppender, leidender Stimme erzählen,
daß der Herr Doktor, der mitleidlose Mensch mir nichts gegen meine schwere Grippe
verschrieben hat!