01.05.98
Es gibt wenig, worum ich meine kinderlosen Freunde und Bekannten beneide, aber morgens gibt es die eine oder andere Minute, in der
ich doch gerne tauschen würde...
Heute ist zum Beispiel ein Feiertag. Wir haben keine wichtigen Termine im Kalender, dafür noch ungelesene, gute Bücher in der Reichweite und
ein ziemliches Schlafbedürfnis in den Knochen... Der Radiowecker zeigt so etwas wie 6.43 Uhr, das Bett ist mucklig warm - und ich muß aufstehen!
Oliver ist nämlich wach geworden und macht Radau.
Der beste aller Göttergatten vergräbt sich noch etwas tiefer in seinen Kissen und hat dabei noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen, denn schliesslich
war er es, der morgens um 4 Uhr barfuss in die Küche getappt war und Oliver ein Fläschlein allerbester (und -teuerster..) Babynahrung zuzubereiten.
Arwaff waff begrüßt mich Oliver strahlend und ich gebe zu, daß ich mich fast auch freute, ihn zu sehen - aber nur fast. Ich nehme ihn samt seines
Schlafsacks mit zu uns ins Bett. Eine Weile kann ich ihn neben mir liegen lassen, während er seine Flasche nun leerrnuckelt, aber dann ist es
vorbei und er beginnt unser Bett zu erkunden, mir meine Haare auszurupfen oder seine kleinen Finger in meine Augen zu pieksen, je nachdem wie herum ich liege.
Ausserdem höre ich auch schon kleine Füße auf der Treppe. Kurz darauf quetscht sich Michaela zwischen Oliver und mich.
Schön, zumindest ist er nun von mir abgelenkt, allerdings steigt auch der Lärmpegel, da Michaela sich sehr angeregt mir Oliver unterhält. So richtig
bequem ist es auch nicht mehr, da sie energisch die Hälfte meines Kissens fordert und mir ihre kalten Füße in den Bauch stemmt, nachdem ich sie
gebeten habe, sich die Hausschuhe auszuziehen. Die eiskalten Füße beweisen, daß sie schon eine ganze Weile auf ist und ihre Hausschuhe erst
angezogen hat, als sie zu uns kam. Pfiffig genug, elterliches Geschimpfe zu vermeiden und in unserer Sichtweite nicht barfuß herumzuhüpfen... (aber noch
nicht so weit zu begreifen, daß ich um die Zeit eh noch keine Augen für nackte und erkältungsfördernde Füße hätte...)
Gelegentlich knurre ich ein nicht so laut oder so, aber irgendein Teufel reitet mich auch, sie in besonders kitzelige Stellen zu pieksen, sobald
sie tatsächlich ruhig ist. Irgendwie ist die morgendliche Schmuserei herrlich, ich wünschte nur, sie begänne später - viel später!
Was habe ich nur damals gemacht? Damals als die unendlichen Weiten des Bettes noch mir gehörten.
Lacht nicht, ich war immer schon ein Frühaufsteher und eigentlich nie länger als bis 9 Uhr im Bett geblieben. Es liegen aber Welten zwischen 7 Uhr und
9 Uhr! Und dazwischen, freiwillig aufzustehen, oder aus dem Bett genörgelt zu werden. Kinder haben da so ihre Methoden...
Oliver hat keinerlei Skrupel oder Hemmungen. Sobald er Hunger hat, oder schlicht keine Lust mehr aufs Bett, sinnt er auf Abhilfe, was meist
lautes Gebrüll bedeutet. Michaela ist gnädiger und spielt erst noch recht lange in ihrem Zimmer, bevor sie ihre Tricks zur Hilfe nimmt.
Die magischen Worte lauten "Popo abputzen!". Sie kann nichts dafür, wenn sie mich damit aus Traumwelten reißt, in denen ich gerade den
kaloriefreien Schokokeks erfinde oder eine potentielle Putzfrau für 4,50 DM die Stunde an meiner Türe klingelt...
Eine Weile hatte ich den leisen Traum, ein besseres, verschlafeneres Leben zu haben, sobald auch Oliver so weit ist, sich sein keines Gesäß selbst
abzuwischen, aber ein befreundeter Vater ließ meine Träume platzen, wie Seifenblasen auf kratzigen, nicht Perwoll gewaschenen Mohairpullis.
Sein Sohn stellt sich schweigend neben sein Bett und erleidet plötzlich und ganz unabsichtlich Hustenanfälle...
Und meine Schwester berichtet von einer völlig verwüsteten Küche, mit der sie morgendliches Ausschlafen bezahlt.
Aber - Teenieeltern berichten von den Freuden, den verpennten Nachwuchs in die Schule zu jagen und dabei demonstrativ im Morgenmantel zu
bleiben und anzudeuten, daß man selbst noch ein Ründchen schlafen geht.
Kalt genossen ist Rache am besten...