03.12.1997
Wie jedes Jahr muß ich Euch enttäuschen, denn ich meine dies ernst.
Schon im November wühle ich in meinen Rezeptstapeln und pünktlich mit dem ersten Advent stehen die ersten harten
Plätzchen auf dem Tisch. Die gekauften schmecken meist besser und machen deutlich weniger Arbeit, aber sie lassen
das Haus einfach nicht so schön nach Plätzchen duften.
Der erste Weihnachtskitsch wird unauffällig im Haus verteilt, völlig unnötiger Weihnachtskitsch wird auf diversen Märkten und
Basaren noch dazu gekauft und wegen der Kinder raschle ich hin und wieder geheimnisvoll und mache kryptische Andeutungen,
daß das Christkindchen sicherlich geshen hat, wie schön Michaela sich die Zähne geputzt hat etc.
Ich vertraue darauf, daß das Christkindchen gerade beschäftigt war, als Michaela sich auf Olivers Rücken setzte, seinen Kopf auf
den Boden drückte und hopp, hopp, Pferdchen rief.
Oliver hatte dazu übrigens fröhlich gekräht und war gar nicht erfreut, als ich ihn aus der schwesterlichen Gewalt rettete.
War Michaela meist ganz und gar mein Baby - nur manchmal Papas kleiner Sonnenschein, so habe ich es bei
Oliver nicht so leicht und stehe vermutlich als penetrante Spielverderberin da.
Nicht so doll!
Nicht so nah vor die Augen!
Nicht so laut!
Garnicht!!!
zetere ich, je nachdem, was sie sich gerade wieder einfallen läßt, während Oliver sich in ein Bündelchen Glück verwandelt, wenn
er Michaelas Stimme hört. Wie kann er es nur schön finden, mit seinem kleinen Köpfchen in ihren Schraubstockarmen zu stecken und
mit heißen Küssen bedeckt zu werden?
Und weshalb bekommt er so viel mehr Küsschen als ich???
*schmoll*
Die Kindergärtnerin streut noch Salz in meine Wunden!
Schenkst du das schöne Bildchen der Mama?
Nein, dem Oliver!
Weshalb kann sie überhaupt Oliver sagen? Sie redet zwar viel, aber die meisten Worte irgendwie falsch - weshalb kann sie
ausgerechnet Oliver sagen? Und was wird er wohl zuerst sagen? Alle werden denken, er meint Mama - nur mir ist dann
vermutlich klar, daß es eigentlich Michaela heißt...
Egal - meine Zeit wird kommen!
Erst vorgestern hat er es durch geschickte Drehen und Robben geschafft, sich einem Duplosteinbauwerk so weit zu nähern,
daß er es zerstören konnte, als Michaela schon schlief. Am nächsten Morgen stand sie grimmigen Blickes vor uns und
sowohl Felix, als auch ich gestanden gleichzeitig unsere Schuld ein, es umgestossen zu haben.
Sie sah uns argwöhnisch an und wir beaupteten, so durchs Wohnzimmer gehopst zu sein, daß wir gleichzeitig dagegen
gestossen waren. Oliver lag mit unbeteiligtem Blick auf der Krabbeldecke und benagte seine Rassel.
Warte! Irgendwann decke ich Dich nicht mehr...
Obwohl, ich denke, geschwisterlichen Neid braucht man nicht zu fördern, der kommt von alleine. Nächstes Jahr
bekommt Oliver auch einen Adventskalender und ich kann mir jetzt schon vorstellen, was passiert, wenn Oliver mal etwas auspackt,
was Michaela gerne hätte...
Und dann erst die Weihnachtsgeschenke. Dieses Jahr wird Michaela nicht neidisch sein, da ich mir für Oliver sehr schöne, praktische
Dinge gewünscht habe, was ich mir für sie schon brav verkniffen habe.
Ach, ich freu mich - Weihnachten mit Kindern - das scheint so richtig, so lebendig.
Ok, ok - raus aus der sentimentalen Ecke. Ich kann ja nichts dafür, aber in meinen Augen ist Weihnachten ein Fest für Kinder.
Wenn Erwachsene sich untereinander beschenken, ist das meist so stilvoll. Betonte Freude und betonte Bescheidenheit.
Von einem Kind bekommt man kein artiges "das wäre doch nicht nötig gewesen" und kein Kind blättert mit geheucheltem Interesse
durch die Vorschlagsbände des Bücherbundes, schnuppert mit falscher Begeisterung am ebenso falschen Parfum oder preist
die Vorzüge des dritten Waffeleisens.
Wobei ich schon gespannt bin, ob ich dieses Jahr die dritte Digitalwaage vom jüngsten aller über 60jährigen Väter bekomme...
Letzte Woche hat sich übrigens die Sache mit dem Puppenhaus erledigt:
Meine Eltern haben es mir abgekauft und meiner puppenhausbegeisterten Nichte zum 9. Geburtstag geschenkt. Die sah
das Puppenhaus und die Sonne ging auf! Von mir hatte sie ein sehr praktisches Set aus 3 durchsichtigen Kunststoffkisten
in verschiedenen Größen bekommen, in denen sie jede Menge Kram verstauen und von außen sehen kann. Sehr praktisch!
Um die 8,- DM in der Metro...
Nun, jedenfalls rannte sie quietschend durch die Zimmer und forderte alle auf, sich das Puppenhaus anzusehen, bevor sie es
packte und in ihr Zimmer verschleppte. Zuvor rief sie noch atemlos "danke, danke".
Ich schaffte es, sie ein wenig in Verlegenheit zu bringen, als ich lamentierte, für meine Kunststoffcontainer habe sie sich nicht halb so nett
bedankt!
Michaela meinte mit Blick auf das Puppenhaus, sie hätte sich eines zu Weihnachten gewünscht! Aber ein viel schöneres...
Ich denke, sie wird ihres mögen - ich mag es jedenfalls sehr. Ich habe nämlich ein komplett möbliertes und tapeziertes Haus
gefunden, das 199,- DM kosten sollte. Da ein Schrank geleimt werden muß, hat es sogar nur 179,- DM gekostet.
Irgendwann schreibe ich was über den Kauf defekter Waren - eine meiner Leidenschaften...
Aber jetzt geh ich noch ein Blech Plätzchen verbrennen...
